tmb mit schwacher Stimme fragt:Wo wo ist er? I möcht' ihn sehen!" Wiltraud stößt den Doktor an. Wer?" fragt dieser nicht ohne innere Bewegung, um Zeit zur Antwort zu gewinnen. Tenner braucht eine Weile, bis er's sagen kann.Der Arm? Zeigen!" Der ist schon beseitigt" erwidert der Arzt. Wo?" fragt Tenner diesmal Wiltraut, als erwarte er von ihr die Wahrheit. Ein'graben haben wir ihn!" Schon ein Stück von mir begraben!" Dann schließt der Unglückliche die Augen und schweigt. Niemand wagt die Stille zu unterbrechen. Es giebt nichts Heiligeres auf Erden, als den klaglosen Schmerz! Die starken Männer ehren seine Gegenwart in feierlichem Schweigen. Gemming hat mit den Händen die Augen bedeckt niemand sieht, was in ihm vorgeht. Der Arzt winkt Wiltraut hinaus und giebt ihr draußen Anweisungen für des Patienten Nahrung und Pflege. (Fortsetzung folgt.) (Nachdruck verdoien.) Das Alke Wliidchen. Von Guy de Maupafsant. Deulsch von FranzHofen. Wir saßen zu sieben in dem Break, vier Frauen und drei t erren, einer war sogar auf den Kutschersitz geklcltert. Langsam, chritt für Schritt klomm da? Gefährt den steilen Küstenweg hinan, wo die Straße in Schlangenlinien aufwärts führte. Beim Morgengrauen waren wir ans Etretat aufgebrochen, um die Ruinen von Tancarville zu besuchen. Wir dämmerten noch starr- in der frischen Morgenluft vor uns hin. Besonders die Damen, die an einen solchen Jagdaufbruch nicht gewöhnt waren, ließen alle Minuten die Augenlider herabsinken und den Kopf hängen oder gähnten theilnahmslos der Pracht des anbrechenden Tages gegenüber. Es war Herbst. An zwei Seiten des Weges dehnten sich Felder. Die Ernte war schon herein und der Boden mit den Haser- und Kornstoppeln nahm sich wie ein nnrasirtes Kinn aus. Die neblige Erde schien z» dampfen. Lerchen schmetterten ihr Lied in den Lüften, andere Vöglein piepten im Gebüsch. Endlich ging die Sonne auf, blutroth am Saum des Himmels- zeltes und wie sie langsam aufstieg, klarer und klarer von Minute zu Minute, schien die Landschaft zu erwachen, zu lächeln, sich zu dehnen und zu bewegen. Wie ein junges Mädchen, das ihr Bett verläßt, legt das Gefild sein Hemd von schneeigem Nebel ab. Der Gras von Etraille, der auf dem Kutschersitze saß, rief:Da, «in Hase," und zeigte nach links auf ein Kleeield. Das Thier machte Männchen, man sah aber nur seine großen Ohre», das übrige war im Grünen versteckt; dann hoppelte es eine Furche entlang, blieb stehen; jagte wieder in tollem Lause weiter, machte einen Quer- sprnng, blieb wieder unruhig, als ob er Gefahr witterte, stehe». Er war offenbar unschlüssig, wohin er sich wenden soll; dann lief er, die Hintcrlänfe in die Lust schlendernd, mit großen Sätzen fort und verschwand in einer großen Runkelrübenpflanznng. Alle wurden wach und folgte» dem Laufe deS kleinen Vieh's. Renö Lemanoir bemerkte:Wir sind heute Morgen gar nicht galant" und sah dabei seine Nachbarin, die kleine Baronin von Eorennes, die gegen die Müdigkeit ankämpfte, an. Dann sagte er halb- laut zu ihr:Sie denken an Ihren Herrn Gemahl, Baronin. Seien Sie unbesorgt, vor Sonnabend kommt er nicht zurück. Sie haben noch vier Tage." Sie antwortete mit einem schlaftrunkenen Lächeln:Wie thöricht Sie sind!" Dann schüttelte sie ihre Müdigkeit ab und sagte:Nun erzählen Sie uns doch etivas, worüber man lachen kann. Herr Chenal, Sie gelten für einen glücklicheren Kourmacher alS selbst der Herzog von Richelieu  , erzählen Sic uns eine Liebes  - geschickte, ivelche Sie wollen, die Sie selbst erlebt haben." Loon Chenal, ei» alter Künstler, der sehr schön, sehr stark, sehr stolz auf seine physischen Eigenschaften, und sehr geliebt gewesen war, strich sich mit der Hand seinen langen weichen Bart und lächelte. Dann, nach einigen Augenblicken des Nachdenkens, wurde er plötzlich ernst. Es wird aber nichts Lustiges werden, meine Damen; ich werde Ihnen die jammervollste Liebe meines Lebens erzählen. Ich wünsche meinen Freunden, sie mögen nie eine ähnliche erwecken." i. Ich war damals 25 Jahre alt und zog längs der normännischen Küsten herum. Ich nenneHerumziehen" jenes Vagabundiren mit dem Rucksack auf dem Rücken von Herberge zu Herberge unter dem Vorwand, Skizzen und ländliche Naturstudieu zu machen. Ich weiß nichts Schöneres als dieses Jrrleben auf gut Glück. Man ist frei ohne irgend welche Fesseln, ohne Sorgen, ohne Geschäfte, ja selbst, ohne an das Morgen zu denken. Man zieht des Weges, wie es einem einfällt, ohne irgend einem anderen Führer als seine Phantasie und ohne einen anderen Rathgeber als seine Augen, wohin sie uns entzückt weisen. Man bleibt stehen, weil ein Bach sie abgeleitet hat, weil man den guten Geruch von gebratenen Kartoffeln vor der Thür eines Wirthes athmete. Manchmal hat der Dust der Waldreben Ihre Wahl bestimmt, oder das naive Dreinschaue» eines Schankmädchens. Diese Mädel haben Seele und Sinne dazu, und dicke Backen und frische Lippen; ihr kräftiger Kuß ist stark und schmackhaft wie eine wilde Frucht. Liebe ist immer viel werth, woher sie auch komme. Ein Herz, das höher schlägt, wenn Sie kommen, ein paar Augen, die weinen, wenn Sie scheide», sind etwas so seltsames, süßes und wcrthes, daß man sie nie verachte» soll. Aber was man am meisten auf diese» abentheuerlichen Streif- zügen liebt, das ist das Land, die Wälder, den Sonnenaufgang, die Dämmerung, den Mondschein. Es sind für den Maler wahre Hochzeitsreisen mit der Natur. Man ist ganz allein mit ihr in einem langen ungestörten Beisammensein. Man legt sich auf der Haide inmitten von Gänseblümchen   und Klatschrosen mit offenen Augen beim Ilaren Schein der Sonne nieder, man schaut in die Ferne nach dem kleinen Dorfe mit seinem spitzen Glockenthurm, auf dem es Mittag läutet. Man setzt sich an den Rand einer Quelle, die am Fuße einer Eiche inmitten eines Gewirrs von frischen, hohen, belebten Kräutern entspringt. Man kanert sich nieder, man beugt sich und schlürft dieses klare kalte Wasser, das einem den Schnurrbart und die Nase näßt, man trinkt es mit einem körperlichen Wohlbehagen, gleich als ob man die Quelle küßte, Lippe an Lippe. Zuweilen, wenn man eine größere Tiefe an diesen winzige» Wasseradern trifft, taucht man ganz nackt hinein und fühlt auf der Haut vom Kopf bis zu den Füßen gleichsam eine köstliche eisige Liebkosung, ein Erzittern, worauf man leicht und froh von bannen zieht. Auf den Hügeln ist man lustig, am Rande von Sümpfen traurig, begeistert, wenn die Sonne  'in einen Ocean von blutigein Nebel taucht, der auf die Bäche seinen rothen Widerschein wirft. Und abends unter dem Monde, der fern am Himmel dahinzieht, denkt man tausend eigenthümliche Dinge, die einem beim blendenden Tageslicht nie in den Sinn kommen würden. Als ich nun so durch dasselbe Land, woselbst wir dieses Jahr sind, streifte, kani ich eines Abends in dem kleinen Dorfe Benouville an der Falaise zwischen Aport und Etretat   an. Ich kam von Fecamp und war der Küste gefolgt, der hohen steilen Küste, die einer Mauer gleicht mit ihren verklüfteten Felsen, die wie Nadeln aus dem Meere hervorragen. Ich schritt hin seit dem Morgen aus dem feinen leichten Grase, das wie ein Teppich neben dem Abgrund im salzigen Winde keimt. Und aus voller Kehle singend, ging ich mit großen Schritte» einher und sah bald den langsamen runden Flug einer Möve, die am blaue» Himmel die weißen gekrümmten Flügel schwang, auf dem grünen Meere das braune Segel einer Fischerbarke; so hatte ich sorglos und frei einen glücklichen Tag verbracht. Man zeigte mir einen kleinen Meierhof, wo Reisende zu wohnen pflegten, eine Art von Herberge, die von einer Bäuerin inmitten eines normännischen Gutshofs, der mit zweifachen Hecken umsäumt war, gehalten wurde. Das Ufer verlassend, kam ich bald in de» von Bäumen umrahmten Hof und stellte mich der Mutler Lecacheur vor. Sie war eine alte, runzliche, strenge Landfrau, die die Gäste stets widerwillig mit einer Art von Mißachtung zu empfangen schien. Es war im Mai. Die abgeblühten Aepfelbäume bedeckten den Hof mit einem Schleier von dustenden Blüthen und streuten unauf« hörlich einen förmlichen Regen davon nieder, der aus die Leute und das Gras fiel. Ich fragte:Na, Madame Lecacheur, haben Sie ei» Zimmer für mich?" Erstaunt, daß ich ihren Namen wußte, antwortete sie: Das kommt darauf an. Vermiethet ist alles. Aber sehen könnte man ja." In fünf Minuten waren wir einig, ich legte meinen Rucksack auf den Boden eines ländlichen Zimmers, das mit einem Bett, zwei Stühlen, einem Tisch und einem Waschbecken möblirt war. Es ging nach der Küche, einem großen rauchigen Raum, wo die Pensionäre ihre Mahlzeit mit dem Gesinde und der Wirthin, die Wittwe war, einnahmen. Ich wusch mir die Hände, dann ging ich hinunter. Die Alte ließ ein Huhn zum Essen i» dem großen Herd zurichten, wo ein rauchgeschwärzter Bratspieß hing. Sie haben doch Gäste im Augenblick?" sagte ich zu ihr. Sie entgegnete mit ihrer gewöhnlichen unzufriedenen Miene: Ick habe'ne Dame,'ne olle Engländerin. Se nimmt das andre Zimmer in." Ich erhielt das Recht, allein in dem Hofe zu essen, wenn schönes Wetler war. Man stellte denn auch mein Kouvert vor die Thür und ich be- gann mit den Zähnen die mageren Glieder des normännischen Huhns abzuknabbern und trank hellen groben Cider und kante weißes grobes vier Tage altes, aber vorzügliches Brot. Plötzlich öffnete sich die hölzerne Barriere, die auf den Weg ging und eine seltsame Person kam auf das Hans zu. Sie war sehr mager, sehr groß und dermaßen in einen schottischen Shawl mit großen Carreaux gewickelt, daß man sie für ariulos gehalten hätte, wenn nicht eine lange Hand in der Höhe der Hüsten zum