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Er legt seine Hand auf des Mädchens Haupt. Zum die beleidigenden Worte zurücknehme. Wie es scheint, ist Graf Tezten Mal sehen Dich meine Augen- Du Trost in aller Gleispach nicht gewillt, dieser Forderung nachzugeben. Noth. Daß Dich Gott behüt'!"

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Komm, Poschinger wir müssen fort!" Gemming ruft es herein.

Bet' für mich!" ist alles, was Tenner noch sagen kann. Von ganzem Herzen!" ruft Wiltraud ihm nach. Der rosige Schein ist erloschen. Unter dem dunkeln Nacht himmel fährt der Freund dahin. Kein Stern grüßt ihn mehr, wie damals durchs niedere Fenster der Dachkammer, in jener wunderbaren Stunde unter Lichtzeit.

( Fortfehung folgt.)

Eine Hürmische Sihung

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Nach zweistündiger Unterbrechung, um 3/42 Uhr, wird die Sigung wieder aufgenommen. Im Saale tritt eine bemerkliche Schwüle ein, eine erwartungsvolle Stille, während der das Präsidium und die Minister ihre Pläge einnehmen. Kaum spricht der Präsident Die ersten Worte: Ich eröffne die Sigung wieder; das Wort hat der Herr Justizminister! bricht der Spettatel von neuem los. Graf Gleispach steht auf seinem Platz und will zu sprechen beginnen. Ein tosender Lärm, ein Hagel von Zwischenrufen hindert ihn daran. Das dulden wir nicht! Wir protestiren dagegen! Wir sind be leidigt! rufen die Deutschen . Die Abag. Dr. Groß, Kaiser und v. Hofmann- Wellenbof schreien: Wir haben uns zuerst zur Ge schäftsordnung gemeldet:-Präsident: Zur Geschäftsordnung kann das Wort genommen werden, doch darf ein Redner nicht unterbrochen werden. Abg. Wolf brüllt: Der Präsident der Minister die Beleidigung zurück­war die des österreichischen Abgeordnetenhauses soll erst erklären, ob vom 7. Mai dieses Jahres. Auf der Tagesordnung stand der An- nimmt! Stürmischer Beifall und weitere Rufe: Er darf absolut trag der Deutschen , alle Minister, die die Sprachenverordnung unter- nicht weiterreden! Der Lärm wird auf Minuten geradezu ohren schrieben, in den Anklagezustand zu versetzen. Schon am Tage vor betäubend, der Präsident feht sich refignirt nieder, ebenso die ber war es zu einem argen Tumult gekommen, als der Abgeordnete Minister; es ist keine Sigung mehr, nur ein Wogen besinnungs­Wolf, ein ehemaliger Burschenschafter, die Czechen und Slovenen loser Menschen, die brüllen und lärmen, gestikuliren und auf die minerwerthige Nationalitäten genannt hatte. Am Freitag versuchte Bulte schlagen, kurz ein Herenfabbath ohnegleichen. In dem der Justizminister Graf Gleispach die Verordnung au rechtfertigen. allgemeinen Wirrwarr ertheilt der Präsident einem Diener einen Er ließ sich dabei folgenden Sah entschlüpfen:" Es mag aber im Auftrag, der eilends davonstürzt. Man glaubt schon, es werde Laufe der Debatte kommen und vorgebracht werden, was da Polizei geholt, doch bringt der Diener nach einigen Sefunden eine wolle, für den Juristen und für den Nichtjuristen steht große Glocke, die der Präsident dann mit beiden Armen schwingt. eine Thatsache unverrückbar feft, daß einer Regierung,( Die bisher benutte Glocke war nämlich gesprungen.) die denselben Weg betreten hat, den ihr vorangehende So vergehen einige Minuten. Noch einmal macht der Prä Regierungen aller Parteischattirungen gegangen, find, und der insident den Versuch, dem Justizminister Gehör zu verschaffen. übereinstimmenden Beschlüssen beider Häuser des Reichsraths feine Graf Gleis pach erhebt sich und will sprechen. Er wird immer Sanktion gefunden hat, daß einer solchen Regierung weder Absicht blässer und nervöser, man merkt ihm den inneren Seelenkampf auch noch Fahrlässigkeit imputirt werden kann( Widerspruch links), und äußerlich an. Noch einmal erhebt sich der Sturm, wieder ballt es daß infolge deffen selbst diejenigen Herren, die die Anträge auf Vers durch den Saal: Wir laffen ihn nicht reden, nein, nein, wir laffen fehung der Regierung in den Anklagezustand unterschrieben haben, ihn nicht reden! Er soll revoziren! Abg. Schönerer steht hinter eine solche Anklage nie ernst gewollt haben. dem Knäuel und ruft in einer Art psalmodirendem Singfang unauf hörlich: Widerruf oder Abzug, eines von beiden! Zahlreiche Ab­geordnete machen gegen die Ministerbank eine Avance, man hört rufen: Abzug, Abzug, Badeni! Es scheint geradezu, wie wenn man die Minister aus dem Saale drängen wollte. Graf Badeni steht auf und flüchtet sich auf die Stufen vor dem Präsidentenstuhle, man gewinnt den Eindruck, als hätte er physische Furcht vor den Dingen, die fommen können. Graf Gleispach hat sich wieder gefeßt, der Lärm tobt weiter. Der Präsident schwingt unausgefeßt die Glocke und ruft mit heiferer Stimme unverständliche Worte in den Saal. Man vernimmt nur Bruchstücke davon, was der Präsident sagt: Hören Sie doch selbst, was Se. Exzellenz fagen wird. Nach der Geschäftsordnung darf ihm Das Wort nicht ent zogen werden. Neues Gebrüll, Herr Schönerer fingt weiter: Widerruf oder Abzug! Wir lassen uns nicht beleidigen! Abg. Glöckner: Niemand hat das Recht zur Beleidigung, und selbst der Minister nicht! Abg. Dr. Mayreder: Den Ord­nungsruf für den Minister!- Abg. Iro: Hier werden keine Späße gemacht, hier ist alles ernst. Abg. Kaiser: Die Sigung ist unterbrochen worden. Wir haben zwei Stunden gewartet. Das ist eine neue Rede, die der Minister halten will; wir müssen zuerst das Wort zur Geschäftsordnung erhalten.( Erneuerte, stürmische, anbaltende Rufe links: Er soll widerrufen! Abzug! Abzug Gleispach!) Abg. Wolf: Herr Präsident, wahren Sie doch die Rechte des Parlamentes auch einem Minister gegenüber.( Rufe rechts: Schweigen Sie doch einmal! Der Lärm und laute Zwischenrufe dauern fort.)

Nun ging der Tanz los, der stundenlang währte. Die Wiener Arbeiterzeitung" schildert den weiteren Verlauf der Sigung folgender: maßen:

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Diese( oben zitirten) Worte rufen stürmischen Widerspruch und Lärm auf allen Bänken der Linken hervor, von den Großgrund befizern bis zu den Deutschvolflichen. Nur die Christlich- Sozialen verhalten sich ruhig. Man ruft: Zurücknehmen! Das lassen wir uns nicht gefallen!. Es ist unverschämt! Das laffen wir uns nicht bieten! Zurücknehmen! Zurücknehmen! Der Lärm wird immer stärker, man schlägt auf die Bulte. Nur bei einzelnen Zwischen rufen sind die Urheber zu agnosziren. Abg. Dr., Mayreber: An stand und Sitte wahren! Abg. Dr. Funte: Kein Minister hat das Recht, so zu einem Parlament zu reden! Abg. Kaiser: Wie tann man uns der Lüge zeihen! Abg. Dr. v. Peßler: Zurück nehmen! Abg. Glodner: Wir spaßen nicht, es ist uns voll tommen ernst! Die Czechen und Polen stehen mit verschränkten Armen auf ihren Plätzen und schauen höhnisch lachend auf den immer stärker werdenden Lärm. Graf Gleispach steht in nachlässiger Haltung, die Hände in den Hosentaschen, etwas bleich und un geduldig auf seinem Plaze und blickt die immer stürmischer herau drängenden Mitglieder der Linken an. Man ruft demi Präsidenten zu: Man muß ihn aur Ordnung rufen, er muß es zurücknehmen, man muß die Sigung unterbrechen!

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Das Tosen und Schreien währte einige Minuten. Endlich ver läßt der Präsident Dr. Kathrein feinen Sitz mit der Erklärung, daß er die Situng unterbreche.( Stürmischer Beifall links.) Der Lärm dauert aber ungeschmälert fort. Die Minister erheben sich von ihren Sitzen. Man schlägt neuerlich auf die Bank und schreit: Er muß es zurücknehmen!

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Zeitweilig werden die Szenen geradezu beängstigend. Von der Gallerie hatte man den Eindruck, als ob die Leute einfach wahn­finnig geworden wären. Die Rechte verhielt sich anfangs passiv, Die Abgeordneten drängen sich an die Ministerbank heran und nur einzelne schüchterne Zwischenrufe werden laut. Allmälig wird rufen: Wir werden uns das nicht gefallen lassen. Wir dulden eine das Drängen von rechts gegen die deutschen Abgeordneten, die sich solche Sprache nicht! In dem Lärm sieht man den Grafen Badeni um die Minifterbant angesammelt haben, immer drängender; es mit mehreren Abgeordneten der Linken sprechen. Er fragt die Abscheint, daß die Absicht besteht. die Deutschen von dort wegzufchieben. geordneten, was eigentlich den Grund dieser Erregung bilde. Man Dabei tommt es zu heftigen Zusammenstößen; der Sturm wendet verweist auf die Worte des Ministers und verlangt, sich von der Ministerbank ab und lehrt sich gegen die Jungczechen der Justizminister möge feine Worte zurücknehmen. Die Abg. Gugel, der Obmami des jungczechiſchen Stubs, gerät dabei Diskussion dauert inmitten des Lärmens längere Zeit, das Gedränge, daß man jeden Augenblick Prügeleien erwarten man den Grafen Badeni mit den anderen Ministern an muß. Auf einem anderen Punkte streitet der Abg. Mayreder den Sitz des Grafen Gleispach herantreten sieht. Sie legen ihm offenbar nahe, seine Worte irgendwie zu entschuldigen. Graf Gleispach hat sich rubig auf seinen Fauteuil niedergelassen und scheint dem Wunsche des Grafen Badeni nicht Folge leisten zu wollen. Die Stenographen werden gerufen, und es wird der Wort laut des vom Minister Gesprochenen vorgelesen. Neuerlich sieht man den Grafen Badeni mit den Abgeordneten der Linken verhandeln und sich dann an den Grafen Gleispach wenden, der durch Kopf­schütteln andentet, daß er das an ihn gestellte Anfinnen ablehne. Graf Gleispach ergreift endlich seine Attentasche und verläßt den Saal. Die Unruhe und der Lärm dauern aber fort.

Mittlerweile ist es 1 Uhr geworden. Nach dem Justizminister verlassen auch die anderen Minister den Saal. Graf Badeni tonferirt längere Zeit mit den drei Obmännern der Klubs der Linken. So viel man bört, handelt es sich um die Abfaffung einer Erklärung, die der Justizminister vor der Fortsetzung seiner Rede im Hause abgeben soll. Die Linke besteht darauf, daß der Minister|

mit dem Klerikalen Fuchs; Hände schwirren bereits zu Ohrfeigen bereit in der Luft. Man hört Rufe: Die Jungczechen machen die Polizei der Minister! Jungczechische Hausknechte! Wieder sagt der Präsident: Ich bitte den Herrn Justizminister, das Wort zu ergreifen, und wieder geht der Höllenlärm los.

Abg. Schönerer ( im Ulfton): Widerruf oder Abzug! Abg. Glodner: Hören wir, ob er widerruft; ich bitte, ihn anfangen zu laffen.

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Abg. Wolf: Ich bitte, zur Geschäftsordnung." Präf.: Der Herr Justizminister hat das Wort. Abg. Wolf: Dann gehen wir nach Hause. Abg. Schönerer: Schließen Sie die Sigung; er wird nicht fprechen. Abg. Wolf: Dadurch wird die Frage: Los von Galizien ! zu einer lebendigen.

Der Lärm dauert ununterbrochen fort. Der Präsident schwingt automatisch die Glocke. Endlich tritt eine Minute Ruhe ein.