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Und ich überreichte Ihr ihren Brief, indem ich sagte: " Ich nehme den Auftrag nicht an, Fräulein, ich kann ihn nicht annehmen."

Warum?" fragte sie mich sehr leise.

Wir waren auf dem Vorflur.

" Das ist hier nicht der geeignete Ort, um Ihnen meine Gründe anzugeben."

Als sie mich mit einer Bewegung einlud, näher zu treten, fügte ich rasch hinzu:

Uebrigens weder hier, noch anderswo. Es ist mir un möglich, darüber zu sprechen. Ich will nicht, das ist alles, ich darf nicht.

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Warum?" fragte sie von neuem.

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blendbenden Theater Orchestereffekten, an poetisch reizenden Neben mitteln und markvollen Maffenwirkungen zu verdanken hatten. Oder sind im Tannhäuser  " die mythologischen Sinnlichkeiten des Venus­bergs und der Pomp des Sängerfriegs", der den Lohengrin  " in einem Nachen heranziehende Schwan, das Gottesgericht und der von König Heinrich geführte Heerbann, die Voltsbewegungen und der Kapitoleinsturz im" Rienzi  ", das fliegende Schiff und das Matrosengejohle im Holländer" sind sie etwas anderes als effektvolle Zugaben, die allerdings praktischeren und logischeren Texten angehören, als sie die raffinirte Aeußerlichkeit Scribe's zu stande brachte? Charakteristisch für die Zukunft des von Wagner gestalteten Musikdramas ist es, daß der von Meyerbeer  'schen Kunst­griffen und Scribe'schen Theaterheroismus völlig abhängige Rienzi  " gerade in den in sich abgeschlossenen Musikstücken, in den Arien, Duetten und Terzetten, die gegenüber den spät Wagner  'schen Diesmal hatte sie mit sichererem Tone gesprochen. Und der Rezitativen und fortlaufenden Ariosos der alten Dekonomie des leuchtende Glanz war wieder in ihren Blick zurückgekehrt. Operndramas angehören, natürlichen Fluß und dramatische Inspira Offenbar machte sie mein Mitleid wieder kühn. Ich fühlte, tion vermissen läßt. In der übervollen Instrumentirung des Rienzi  ", wie ich bei dieser Beobachtung wieder fest wurde, mein Herz Dessen, besonders von den Knallefekten des Blechs geschwellte Ton verhärtete sich gegen dieses Uebermaß von Kühnheit. Wie, wellen die Stimmen der Sänger förmlich ertränkten, ist Wagner fie beugte sich nicht vor meinen gerechten Bedenken! Sie gab von der größten und würdigsten Aufgabe der Kunst, Maß zu halten, sich sogar den Anschein, sie nicht zu verstehen! Man muß und dennoch die Seelen unwiderstehlich fortzureißen, weit entfernt, fie ihr auseinandersetzen! Sie will also den Kampf? Um und statt dem Einfachen, Schönen und Wahren ganz dem Uebers schwänglichen, Wirren und Lärmenden ergeben. Im Holländer", so schlimmer für sie! Ich erwiderte deshalb mit einem ber im Reime bereits den" Tannbäufer" und" Lohengrin  " gereizten Ausfall, aber, indem ich ihr doch noch eine Rückzugs- enthält, konzentrirt sich die spektakulöse Charakterlosigkeit der Rienzi  " Mufit 311 einem möglichkeit offen ließ: raffinirten Konvergiren aller Die noch von Meyerbeer   be­Mittel der Orchestration. rein melodischen Gedanken schieben entweder einflußten Rande der Trivialität oder stürzen sich verzweifelnd Und doch geht durch das Werk ein tiefeinschneidender Bug einer glühenden und in den Abgrund chromatischer Gesuchtheit. zwingenden Romantik, welcher im Verein mit der hier schon geoffen­barten Macht der Wagner  'schen Szenerie eine tiefe dämonische Kraft innewohnt.

Nehmen Sie sich in Acht, mein Fräulein. Sie thun Unrecht, mich bis zum äußersten zu treiben, Sie thäten besser, meine Weigerung einfach ohne weitere Erklärungen anzunehmen. Die Erklärungen, die Sie fordern, werden Ihnen peinlich sein. Das möchte ich Ihnen bemerken..."

Sie nahm mich mit einer entschlossenen Bewegung bei der Hand und sagte dann tapfer:

Treten Sie ein und sprechen Sie. Ich bin bereit,

alles

zu hören." Bei dieser Kühnheit war ich zunächst ganz verduzt. Aber was! War das nicht reiner Zynismus? Sollte ich mir das durch imponiren lassen? Dieser Gedanke vollendete meinen Entschluß, alles zu sagen. Als ich sie so entschlossen sah, ge= wann auch ich meine Entschloffenheit wieder. Und diese Ent­schlossenheit nahm einen bis zu einem gewissen Grade wilden Charakter an, als Cesarine mit einem gebieterischen und bei­nahe anmaßendem Tone hinzufügte:

Run machen sie rasch, Paul wird leicht ungeduldig. Ich ( Fortsetzung folgt.) will nicht, daß er wartet."

Richard Wagner  .

am

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Im Holländer" beginnt schon jenes Auflösen der melodischen Phrase in ariose Recitation, jenes plögliche Abbrechen des Gesanges, jene Verfuche, die Handlung musikalisch und dramatisch ohne Ruhe­punkt fortzuführen, die über Tannhäuser  " und Lohengrin  " hinweg zu Tristan und Isolde  " und zum Ring des Nibelungen  ", den Höhepunkten des Wagner  'schen Reformsystems, gelangten. In seinen Büchern, in denen sich dialektische Schärfe und ein Bust eitler Schönrednerei, treffende Kritik und nicht endenwollende Phrasen zuweilen zu einem nebelhaften Etwas verbinden, kämpft er für das mit unabweislicher Nothwendigkeit kommende Kunstwerk der Zukunft", welches sich allerdings noch im Tannhäuser  " und Lohengrin  " als teine Gespenster, keine Erscheinungen, sondern als liebe freundliche Opern nach dem Muster der Vergangenheit mit modernen Vorzügen und modernen Schwächen, mit den guten und schlimmen Eigenschaften ihres Verfassers darstellt. Freilich an die klassischen Muster fnüpft Wagner niemals an; nichts liegt ihm ferner als die Klarheit und künstlerische Einheit, die Mannig faltigkeit und der Gedankenreichthum Mozart's  , nichts jerner als die bescheiden und dennoch unerreichte psychologische Größe des Fidelio" Beethovens, nichts ferner als die marmorne Schönheit und Ruhe des klassischen Opernreformators Gluck.

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"

den

Eine Studie von Dr. M. Alfieri. Was hat unser Jahrhundert der Musit gebracht? Fast alles! Beethoven   und Wagner   waren die Revolutionäre, welche der bunten Menge der Musik Epikuräer, die sich aus und gefühlstriefenden Enthusiasten Weit näher liegen ihm drei Namen anderen Klanges, Karl gebautenlos Genießenden zusammensetzte, durch ernste Hoheit unb seelische Tiefe Maria Weber, Heinrich Marschner   und Hektor Berloz. Die halb tünstlerischer Gesinnung sich entgegenstellten. Wie bei Shakespeare   romantischen, halb volksthümlichen Züge des Weber'schen Freischüß", das ergründende Senfblei nie auf den letzten Boden dieses Genius mehr noch dessen Euryanthe  ", die einer vermeintlichen Wahrheit die gelangt, so wird die geistige Universalität Beethoven  'schen Ausdrucks. Einfachheit opfert und für das Zurücktreten der Melodie die schwere vermögens niemals bis auf die zartefte Faser bloszulegen sein. Dies Drchestration und die charakteristische musikalische Häßlichkeit bringt; Mysterium geistiger Beugung, das gerade in der Mufit wie in feiner Marschner's düftere Romantik und traffe Dämonit in seinem Templer   und anderen Kunst die Subjektivität des Genies am fefselloften aus- Jüdin"," Bampyr" und Hans Heiling  ", und schließlich das un­fprechen läßt, ist immer mit einem Separatismus vereint, der für gewöhnliche Geschick, die frappanten Wendungen, die sonderbaren, das Unerkannte, Tiefe, auch für das Eigenthümliche und oft unschönen Affordfolgen, die blendenden, berauschenden Klang die wirkungen des Berlioz'schen Orchesters Potenzen Ungewöhnliche nnermüdlich gegen träges Vorurtheil und Namen verdankt Wagner   Basis und Ziel Zwangsjacke hartnäckiger Gesichtspunkte anfämpft. Die Bahn dieser diefer drei und das Kunst­leitenden Geifter, welche die Kunst ihrem Ziele, ihrer Zukunft ent- für fein Jdeal, für das Opern Drama der Zukunft", das sich ihm theils durch Ne­gegenführen, ist eine vorgezeichnete, und wenn auch das Wirken wert folcher aus dem eigensten Selbst schaffenden Naturen mit ehrgeizigen flexion und Studium, theils durch künstlerische Produktion ent und selbstfüchtigen Motiven vermischt ist, so fann ihr unsterbliches wickelte, und das vorzubereiten und zu erreichen gerade er durch Verdienst, troy aller Mängel absoluter Moralforderung gegenüber, besondere Begabung berufen und durch individuelle Lebensentwicke dadurch nicht geschmälert werden. In ihrer Selbstförderung lung auserlesen war. liegt die Möglichkeit der Fortentwickelung der Kunst, und soll das Mein eigentlichstes System", sagt Wagner  , findet in eigenthümliche ihrer Ursprünglichkeit den großen Lebensfragen der jenen drei ersten Dichtungen( Holländer"," Tannhäuser  "," Lohen­Kunst neuen Reichthum sichern, so darf selbst der Sinn neidischer grin") nur erst eine sehr bedingte Anwendung. An dieses Eitelkeit, welcher oft die Reformer gegen den passiven Widerstand verhält es es sich mit Tristan und Isolde  ". aus meinen theoretischen einer verendenden Kulturepoche aufpornt, als befruchtend willkommen Wert erlaube ich die strengsten geheißen werden. Behauptungen fließenden Anforderungen zu stellen, ja ich ward Von diesem Gefichtspunkte aus muß die menschlich und künstlerisch während dessen Ausführung selbst inne, wie ich mein System weit unerklärliche, undankbare Absage Wagner's   an Meyerbeer   beurtheilt überflügelte". Dieses System suchte den Wagner   aufs schärfste werden, die, aus dem Bedürfnisse einer dramatisch- musikalischen Re- treffenden Vorwurf der Melodielofigkeit vor allem abzuwehren. volution hervorgegangen, jenen den Prinzipien des musikalischen Wenn die Fordernng nach Melodie an ein musikalisches Kunst­Absolutismus entgegenführte. Diese künstlerische Undankbarkeit entwert gerichtet wird, so wird deren Wesenheit durch den gemeinen sprang vorerst einem unheimlich verzweiflungsvollen Ringen nach Sprachgebrauch viel sicherer festgestellt, als dies der spekulativen Anerkennung und der verzehrenden Sehnsucht nach dem mit starkem Definition gelingt; sie findet in der italienischen Oper ihren zugleich Willen und rücksichtsloser Kühnheit angestrebten Ziele. Sie trieb ihn üppigsten und vulgärsten Ausdruck, und an ihr ein ausschließliches zur ungerechtesten Härte gegen Meyerbeer  , dessen Brunkopern er mit Vergnügen zu finden, nennt Wagner   mit Recht tindisch. Diese, wie höhnender Verachtung abthat, ohne zu bedenken, was ihnen die Wagner   sagt, engere Form der Melodie", die in den Werken der Partituren des Rienzi  ", Tannhäuser  " und Lohengrin  " antlaffischen Periode der Tonkunft, in Mozart  , Beethoven   und Schubert,

Anders