Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 142.

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Cefarine.

Donnerstag, den 22. Juli.

( Nachdruck verboten.)

Bon Jean Richepin . Uebersetzt von H. 2. " Doch", wandte ich ein, giebt es auch einzelne, die nicht schlecht sind. Zum Beispiel der General."

Der General?" schrie er auf. Oh! sehr gut! Ein alter Süffel, der mir noch Geld schuldig ist."

Mag sein! Aber weil er Ihnen Geld schuldet und weil er trinkt, so ist das noch immer kein Grund, ihm den 18. März in die Schuhe zu schieben.

Fouguin gab mir verstohlen ein Zeichen mit dem Kopf, mich nicht zu tief einzulassen; offenbar war es ihm unange­nehm, unterbrochen worden zu sein.

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,, Gewiß hat er nicht den 18. März gemacht, gewiß nicht," nahm der Wirth das Wort. Aber seien Sie nur ganz ruhig, er wird schon seinen Nutzen daraus zu ziehen wissen. Uebrigens wird er mit Augyal auf Vorposten sein, das ver­fichere ich Sie. Er ist schon seit acht Tagen nicht mehr her­gekommen."

" Sie irren sich. Erst gestern sah ich den General auf der Rue Soufflos."

"

Also geht er in ein anderes Café!" rief der Wirth aus. " Das ist noch viel niederträchtiger. Mich nicht zu bezahlen, und sich dann zu drücken."

Und indem er bei dieser Voraussetzung ganz wurde, schrie er:

"

außer sich

Das ist der Anfang, sehen Sie! Wenn er heut noch nicht mit seinem Landsmanne da unten ist, so wird er es morgen oder in diesen Tagen sein. Kurzum, er wird schon dahin gelangen. Das ist so mit allen Ausländern. Und seit der Belagerung ist dieser Mensch ganz liederlich geworden." Wie, er ist liederlich geworden?"

1897.

soweit wird es noch mit ihm kommen. Das durfte ich mir nicht verhehlen.

Bergebens suchte ich, um mich und sie dagegen zu ver­theidigen, die Erinnerung an jenen Tag zurückzurufen, an die Rührung, der ich damals unterlegen war, als ich sie als so zärtliche, so hingebende, so mütterliche Krankenpflegerin gesehen hatte. Wider Willen vergaß ich all das Rührende, das in manchem sogar Edle der verschiedenen Einzelzüge dieser Szene. Das war alles beschmutzt durch das Geld Bochard's, durch die dunklen, halb ausgesprochenen Säße Gavarot's, durch die seltsame Vertheidigung des alten Paukers und vor allem durch die ge­meine Nachrede des Wirthes. Selbst wenn das Betragen Cesarinens für mich vollständig klar gewesen wäre, hätte ich doch noch immer Zuflucht genommen zu der ansteckenden Albernheit des Sages: Wo Rauch ist, da brennt es auch!" Mit um so mehr Recht mußte ich so denken, weil aller Anschein gegen sie sprach, und weil der Rauch so dicht war. Denn in Wahrheit wurde mir dieses seltsame Mädchen von Tag zu Tag unerklärlicher; und dies um so mehr, als alles das, was ich heute von ihr wußte, sich mit dem vermischte, was ich damals von von ihr geträumt hatte, in jener Zeit, wo sie für meine kindlichen Einbildungen die unsichtbare Herrin des literarischen Kabinets, die verbannte Prinzessin, die Muse der Mathematit mit dem Todtenkopf, das verderbte, verhängnißvolle Weib, die geheimnißvolle, räthsel­hafte Cesarine war.

"

Meiner Treu, am besten wäre es vielleicht, darauf zu ver zichten, das Geheimniß ihres Räthsels zu ergründen. Und Paul? Sollte ich ihn also in den Klauen dieser Sphinx lassen? Bah! Hatte ich denn nicht bei alledem gethan, was mir das Mitleid gebot? Und weiter, war er denn nicht glücklich? Hatte ich das Recht, mich in seine Angelegenheiten zu mischen? Da weder er, noch Cesarine mich riefen, warum sollte ich mich ihnen aufdrängen? Zum Teufel! War ich denn nicht einzig zu diesem Zwecke nach Paris gekommen! In Wirklichkeit war ich hierhergeeilt, um die Revolution zu sehen. Nun wohl! Sehen wir uns die an, versuchen wir die zu verstehen, forschen wir auch nach ihrem Geheimniß!

" Ja, meiner Treu! Seit mehr als drei Monaten hat er sich noch nicht besoffen. Ist das natürlich? Wenigstens geht er da nicht wo anders hin, der alte Säufer? Aber das geht nicht mehr so weiter. Ich werde es ihm ins Gesicht sagen." Nicht so laut," flehte ihn Jougnin an. So laut wie ich will," erwiderte der Wirth. Ich Aber nicht tiefer als das Geheimniß Cesarinen's ließ sich spreche nicht von Politit, nicht wahr? Ich beschäftige mich das Geheimniß der Revolution ergründen. Und ich bitte mit meinen Angelegenheiten. Aber ich werde es ihm ins die Revolution um Verzeihung, sie erschien mir weit weniger Gesicht sagen, aber nicht allein hier, sondern in seiner interessant als Cesarine. Ich habe seit langem über diese Wohnung. Ich werde ihm eine Szene machen, ihm und seiner fürchterliche Kommune, über diesen Pulsschlag, der eine ganze Tochter. Sie können nach allem mich wohl bezahlen. Ich Stadt durchzuckte, über diese Insurrektion, der die wüthendste weiß, was ich weiß. Sie braucht nicht blos das Geld ihrer Unterdrückung, die je die Geschichte gesehen hat, gefolgt war, Alten mit einem Polytechniker zu verthun." nachgedacht und jedesmal haben meine Gedanken mit derselben Beklemmung vor ihr Halt gemacht. Aber in diesem Augen­blicke, vor den Blicken und dem Geiste dieses so jungen Menschen bot sie nur malerische Eindrücke, und diese waren, wie ich gestehen muß, weniger seltsam, weniger neuartig, und vor allem weniger brennend als die des Krieges. Wie hätte ich übrigens in dieser Phase auch das Drama ahnen sollen, deffen tragischer Lösung wir so rasch entgegeneilten? Wie viele, die reifer und erfahrener als dieser Bursche von zwanzig Jahren waren, hatten doch nichts in ihr erblickt! Die einfachen Zuschauer von der Art des Herrn Jougnin regten sich so wenig über sie auf! Und die handelnden Personen selbst spielten so sorglos ihre Rollen! Sie, ihre Sorglosigkeit und ihre gute Laune verhinderten mich vor allem, an die nahe Lösung zu denken. Und ich zürnte ihnen beinahe, daß sie mich nicht in größere Spannung versetten.

Jougnin warf mir einen versteckten Blick der Zustimmung zu und flüsterte leise:

"

In der That, man spricht im ganzen Viertel davon." Sollte ich mich auf dieses Geschwät einlassen? War es aber nicht doch alles in allem der brutale Ausdruck der Wahr­heit? Aber wie immer ich auch die Dinge auffaßte, ob in dieser Weise, oder ob ich mich an die Theorien des Vater Heurtault hielt, soviel war sicher, daß aus alledem kein gutes Licht auf Cefarine und sogar auf Paul fällt. Ohne Zweifel hatte ich nicht das Recht anzunehmen, daß Paul die Gesichts­punkte Heurtault's theilte.

Aber nicht minder widerstand es mir, sie ihm unterzu­schieben. Aber ein solcher Enthusiast wie er es nun einmal war, von einer so idealen und mystischen Neigung für seine Beatrice erfüllt, konnte er sich doch sehr wohl über gewisse moralische Vorurtheile hinweggesetzt haben. Hatte er nicht selbst im Hinblick darauf so bezeichnende Worte ausgesprochen, als er sagte:

Es handelt sich nur um eine Frage menschlicher Werth­schäßung, um nichts anderes. Um diese Ueberzeugung zu er­langen, habe ich mich an Herrn von Roncieux erinnern müssen, an seinen engen Gesichtskreis."

Hm! Von dieser Ansicht, bis zu den so großen Gedanken Heurtault's ist es nicht weit.

Daß Cefarine diese Nachsicht nicht zynisch ausnußte, davon hatte ich den Beweis; denn sie verbarg es vor Paul, daß sie ihn mit Bochard's Gelde aushalte. Aber sie hätte auch, damit er so weit käme dies anzunehmen, voraussehen müssen, daß der Unglückliche an der untersten Stufe der Erniedrigung an­angelangt sei. Und gewiß, so weit war er noch nicht. Aber

Bah! Ich habe schon Besseres gesehen als das!"

In der That schien mir der Rückzug unserer Ost- Armee im Schnee, unter einem bleiernen und eisigen Himmel, ohne Offiziere, ohne Lebensmittel in meiner Erinnerung als eine ungleich tragischere Erinnerung zurückbleiben zu wollen, als diese so lebhafte, so heitere Stadt in dem Sonnenschein des beginnenden Frühlings.

Ohne Zweifel setzte mich das Aussehen der Boulevards ein wenig in Erstaunen, aber es hat nichts Unheil ver­fündendes an sich. Es war wie ein Paris im Sommer, wo es von Fremden mit auffallendem Aussehen überschwemmt ist. Nur tamen diesmal die Fremden nicht von so weit her, wie gewöhnlich: sie waren nur aus de Vorstädten herabgestiegen. Die Zeitungen sprachen indessen viel von schreck lichen Kämpfen, von Märschen auf Versailles , von täglichen