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Schwester Elisabeth, die schläfrig vor sich hingeftarrt hatte, Herz, um sie daran zu verhindern, umzugehen und die Lebenden zu blickte bei der plöglichen Stille verwundert um sich. Als sie Else quälen. so schlaff und weinend dastehen sah, stieg sie von ihrem Pult und ging durch die Bänke hin zu ihr.
Nuu?" fragte Schwester Glifabeth leise und sah sie mit ihren fleinen Augen gutmüthig an; fannst Du nicht weiter?" Elfe schluchzte laut auf. Sie wußte schon das ganze Baterunser aber es war ihr wieder ein so unbestimmter Schmerz wie gestern Abend aufgestiegen.
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Die stille Einförmigkeit im Zimmer, verstärkt durch das plärrende, bewußtlose Hersagen des Vaterunsers der zerflatternde Rauch da draußen Sie wußte nicht, warum sie weinte. Das verwirrte sie noch mehr; sie schluchzte immer heftiger. Schwester Elifabeth nahm Else's Hände in ihre fleischigen und streichelte fie: Nun
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Kleine
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so fag' doch Glse antwortete nicht. Die Schwester öffnete erstaunt ihren Mund, so daß man ihre lückenhaften Zähne sehen konnte.
Die Kinder drehten die Köpfe und rutschten auf ihren Bänken nach der Gruppe hin.
In diesem Augenblick, da man nur das leise, wimmernde Weinen des Kindes hörte, flopfte es start an die Thür. Die Köpfe flogen herum die Kinder rückten rasch wieder auf ihre Plätze, als fie Fräulein Anna in der Thür sahen.
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Schwester Elisabeth ging ihr entgegen:
Die Kleine weint fo
Fräulein Anna schritt mit harten, festen Schritten an ihr vor über, ohne sie anzusehen. Mit gerunzelter Stirn blieb sie vor Elfe stehen. Sie fuiff die schmalen Lippen noch fefter zusammen.- Endlich sagte fie:
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„ Schwester Elisabeth! Das Mädchen ist ein sehr widersetzliches, ungezogenes Kind es weint nur aus Troh!" " Ach?" machte Schwester Elisabeth. Der grobe, verweisende Ton trieb ihr das Blut in den Kopf. Ihre luftrothen Backen färbten sich noch tiefer über die Schläfe hinweg bis unter das braune Haar lief die jähe, dunkle Röthe. „ Hörst Du auf Du!" zischte Fräulein Anna und schlug Else die Hände vom Gesicht. Else sab mit weitaufgerissenen Augen nach Schwester Elisabeth hin. Diese schaute vollkommen verwirrt, sprachlos auf das Kind. " Ich danke Ihnen!" fagte Fräulein Anna mit ruhiger Stimme; ,, nun werde ich selbst den Unterricht weiterführen."
Schwester Elisabeth stiegen vor erger die Thränen in die Augen. Sie wendete sich ab, da sie nicht wußte, was sie erwidern sollte. Langsam ging fie hinaus; in der Thü sah sie sich noch einmal nach Else um die saß steif und still auf ihrem Platz.
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Als die Thür hinter Schwester Elifabeth wieder gefchloffen war, ging Fräulein Anna vor die erste Vant und befahl einer Schülerin, einen Bibelvers vorzutragen. Dann rief sie eine aus der dritten Reihe aus der siebenten Reihe eine aus der zweiten Reihe die Kinder sprachen ihre Verse die ganze Klaffe blickte starr nach Were dem Fräulein,
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Else weinte seitdem nicht mehr. Sie machte es bald wie ihre Kameradinnen. Wenn sie Kuchen oder Nüsse hatte, stopfte fie alles in ihre Strümpfe, zog es heimlich in der Dunkelheit auf ihrem Zimmer heraus und versteckte, was sie nicht gleich verzehrte oder unter ihre Genossinnen vertheilte, in dem Stroh ihres Vettes.
Fräulein Anna ließ fie nach einiger Zeit ruhig vorbeigehen, wenn sie Sonntags abends in dem großen, nach Keller und Staub riechenden Flur die heimkehrenden Kinder erwartete.
Kleines Feuilleton.
-Ueber den Kannibalismus und feine Grundursachen schreibt der engliche Gelehrte Flinders Petrie im Juniheft der Contemporary Review". Dieselben sind keineswegs, wie man vielleicht annimmt, nur der Hunger und die Gier; dies trifft, wie statistisch festgestellt ist, nur bei 46 pet. der Menschenfresser zu, während die übrigen 54 pet. sich diese Nahrung aus verschiedenen andern moralischen Gründe zuführen. Etwa 20 pet. thun es, um den Todten damit ihre Liebe oder Ehrerbietung zu beweisen; 19 pŒt. um dadurch die Eigenschaften der Todten zu erwerben; bei 10 pet. ift es ein religiöser Gebrauch, bei 5 pCt. ein Rache oder Strafakt. So meinen die Cucumas in Süd- Amerika , es sei besser von einem Freunde, als von der falten Erde verschlungen zu werden. Bei den Yulugundis in Zentral- Auftralien ist es Sitte, daß wenn der Tod den einen Theil eines Liebespaares dahinrafft, der andere Theil den Leichnamn schleunigft mit Haut und Haar verspeist, um so die Wiedervereinigung zu vollziehen. Die Samojeden glauben, daß den Todten größere Seligkeit zu theil wird, wenn man ihren Leichnam verspeist, während die Gonds am Nerbudah- Fluß es für ein Wert der Barmherzigkeit halten, einen unheilbar Kranken ober altersschwachen Menschen zu tödten und zu verzehren. Fast bei allen Rannibalen besteht die Vorstellung, daß man sich auf diesem Wege Eigenschaften, wie die Tapferkeit, die Kraft u. f. w., aneignen fönne, weshalb man gefallene Krieger und Heerführer mit Vorliebe ißt. In Grönland endlich verzehrt man die Todten oder wenigstens Theile von ihnen, wie die Leber und das
Kunst.
- Eine Zeitschrift für dekorative Kunst wird im Herbst bei Bruckmann in München erscheinen. Die Redaktion wird der frühere Pan- Redakteur, Herr Meier- Gräfe , besorgen.
Aus dem Thierreiche.
Affen aus Zuran. Der Jardin des Plantes in Paris besitzt seit furzem zwei Exemplare einer Affenart, die bisher in Europa noch niemals gesehen wurde, der semmopithecus nemaeus. Es sind zwei Weibchen, die mit einem männlichen Schlankaffen in Turan( Cochinchina) eingeschifft wurden. Dieser scheint vom Heim weh befallen worden zu sein und beging während der Ueberfahrt einen Selbstmord, indem er sich erdrosselte. Von einer der beiden Aeffinnen ist Nachkommenschaft zu erwarten. Die Besucher des Jardin des Plantes staunen die merkwürdigen neuen Gäfte an, deren gelbes Geficht von weißen Haaren eingerahmt ist und die schwarze Hände und Füße, weiße Arme, rothe Beine und einen grau und weiß gestreiften Schwanz haben.
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Aus dem Thierleben.
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- Eine Ringelnatter von etwa 50 Zentimeter Länge wurde, wie der Zoologische Anzeiger" nach einem Bericht des Marine- Arztes Dr. Bröse mittheilt, im Salzwaffer der Flensburger Föhrde etwa 1000 Meter vom Lande entfernt gefangen. Bon glaub würdiger Seite wurde Dr. Bröfe versichert, daß das dort häufig vorkommt. Man sagt auch am Lande, daß bei Nordwinden diese Thiere öfter von Waffersleben an der Föhrbe nach Märwich tämen, also etwa drei bis vier Kilometer zurücklegten. Daß die Ringelnattern schwimmen, fie ist ja bekannt; ge hören zur Gattung der Wassernattern und werden im Volks munde häufig geradezu als Wasserschlange" bezeichnet. Daß fie aber so weite Strecken schwimmend durchmessen können, wird manchen überraschen, und darum sei im Anschluß an diese neue Beobachtung Dr. Bröse's über ihre große Schwimmfähigkeit an. einige ältere erinnert, die Brehm erzählt. Danach fab Schinz Ringelnattern bei stillem Wetter inmitten des Züricher See's munter umherschwimmen; englische Forscher trafen sie wiederholt im Meere zwischen Wales und Anglesea Anglesea an. Der dänische Schiffer Irminger fand eine sogar auf offenem Meere in einer Ent fernung von 25 Kilometern von der nächsten Küste, der Insel Rügen , entfernt. Da sie an Bord zu kommen strebte, fing er sie und brachte sie Prof. Eschricht in Kopenhagen , der sie bestimmte. Will die Ringeluatter weite Strecken durchschwimmen, so füllt sie ihre weite Lunge so viel wie möglich mit Luft an und erleichtert sich dadurch bedeutend. Gewöhnlich bält sie sich nahe der Oberfläche, so daß nur das Knöpfchen hervorragt, und treibt sich mit schlängelnden Seitenbewegungen, beständig züngelnd, vorwärts; manchmal schwimmt sie aber auch zwischen der Oberfläche und dem Grunde des Wassers dahin, Luftblasen aufwerfend und in der Nähe fefter Gegenstände mit der Zunge tastend, Erschreckt und in Furcht gefeßt, flüchtet sie regelmäßig in die Tiefe des Waffers und schwimmt hier über dem Grund weiter, bis sie glaubt, in Sicherheit au sein, oder sie verharrt auch wohl längere Zeit am Grunde, denn fie tann stundenlang unter Wasser verweilen.-
Medizinisches.
t. Eine Schlucken Epidemie war unlängst in einer höheren Töchterschule in Wien ausgebrochen, worüber Dr. Berdach an die f. t. Aerzte- Gesellschaft berichtete. Won 35 Schülerinnen erkrankten in einer Woche nicht weniger als 16. Der Schlucken konnte von den davon Befallenen freiwillig nicht angehalten werden, hörte nur im Schlafe völlig auf, um beira Erwachen sofort wieder zu beginnen. Die Mädchen wurden s fort aus der Schule genommen und zum größten Theile sehr bald wieder hergestellt. Zweifellos handelt es sich um eine Nerven Affektion hysterischer Natur, Das erste Kind, das von diesem An fall ergriffen wurde, zeigte unverkennbare Symptome von Hysterie und der zweite Fall wurde sogar durch einen hystero epileptischen bei bleichsüchtigen Mädchen sehr häufig vor und sind sehr schnell zu Zustand eingeleitet. Nach Charrot kommen solche Schlucken- Anfälle
heilen.
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Gesundheitspflege.
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ie. Ob Bakterien und andere Thiere im Eife Leben tönnen, ist eine Frage von großer Bedeutung für die öffentliche Gesundheitspflege. Trotzdem die Bereitung und der Ver brauch künstlichen Eises in erfreulicher Zunahme begriffen ist, so ist doch bei dem Publikum noch immer sehr die Meinung verbreitet, daß das fünftliche Eis ein Erfaß beim Mangel natürlichen Eises sein soll, nicht aber, daß das künstliche Eis gegenüber dem natürlichen, vom hygienischen Standpunkte aus beurtheilt, sehr große Vorzüge besitzt. Das natürliche Eis, das zum Verbranch eingefahren wird, stammt vielfach von unreinen Ge wässern, die wahre Brutstellen für alle möglichen Mikro- Organismen find. Es ist aber eine Thatsache, daß diese lebendigen Verunreinigungen des Waffers bei der Eisbildung nicht ausgeschieden werden, wie etwa das Salz des Wassers, das nicht mit einfriert. Es war aber bis her noch fraglich, ob diese Lebewesen im Eife auch längere Zeit leben bleiben können oder ob sie bald absterben. entscheiden, hat Dr. Catterina, wie er der naturwissenschaftlichen
Dies au