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Dieses ungeheure Material fonnte unmöglich von den wenigen| Geschöpfe, die da umherwimmeln. In der Sonnenpracht des lichten, Theilnehmern der Expedition allein bewältigt werden. Die von der krystallklaren Wassers spielt eine unabsehbare Menge der wunder­Regierung zum Zwecke der Bearbeitung der Ergebnisse eingesetzte barsten Wesen alle Farben, und oftmals ist die Oberfläche so massen­Kommission, an deren Spike der Leiter der Expedition, Sir haft bevölkert, daß z. B. der Challenger" wiederholt tagelang in­Wywille Thomson stand, vergewisserte sich daher vor allem der mitten ihrer Heere fuhr. Mitwirkung der nöthigen Fachgelehrten, die ohne Rücksicht auf Fast alle Ordnungen der Thierwelt stellen ihre Vertreter zu dem ihre Nationalität zur Mitarbeiterschaft an diesem Werke aufgefordert Heere der Planktonwesen, ein chaotisches Gewirr von Formen, in wurden. So tam es, daß sich an dem Challenger- Werke Vertreter welches jedoch das Gesetz der systematischen Eintheilung und die aus faft aller Kulturnationen betheiligten, wodurch dasselbe ein leuchtendes unzähligen Einzelbeobachtungen sich aufbauende Kenntniß ihrer Beispiel der über Raffen und Nationen stehenden Solidarität der Defologie Ordnung bringt. Wissenschaft wurde.

Die fast 13/4 Millionen Gulden( 138 000 Pfd. St.) betragenden Kosten der Expedition und der Herausgabe der Reports wurden vom englischen Parlament votirt. Leider trübt das Verhalten der englischen Zories das reine Bild der Opferwilligkeit für ideale, wissenschaftliche Zwecke; das Haus der Peers bereitete der Votirung dieser Summe durch sein Veto wiederholt Schwierigkeiten. Nach 19 Jahren der angestrengten fleißigen Arbeit in den bedeutendsten zoologischen Juftituten Europa's   steht aber nun dennoch dieses Roloffalwerk des empirischen Wissens fertig da, als ein für alle Beiten den Ruhm unserer Kultur verkündender Grundstein der Wissenschaft.

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Gar manches schwierige und früher unerreichbar scheinende Pro­blem wurde gelöst oder doch der Lösung nahe geführt und der Forschung wurde eine Reihe neuer Gesichtspuntte eröffnet, welche vieles in anderem Lichte erscheinen lassen, worüber schoit abgeklärte und fest gegründete Ansichten existirten. Dadurch eröffnete sich uns ein tieferes, richtigeres Verständniß des ozeanischen Haushaltes. Die Hauptbedeutung der Challenger" Forschungen liegt nicht in der außerordentlichen Erweiterung des Wissens durch die Beschrei bung tausender und aber tausender neuer, bisher ungekannter Thier- und Pflanzenformen, sondern darin, daß die wissenschaftliche Erkenntniß der Natur dadurch bedeutend an Tiefe gewonnen hat. Denn die Menge der gekannten ozeanischen Wesen bleibt nur ein chaotisches, unverständliches Gewimmel ohne die Kenntniß jener ewigen Gesetze, welche deren Verbreitung bestimmen, nach denen die Bedeutung und die Rolle jedes einzelnen Mitgliedes dieser Fauna und Flora sich richtet und auf welchen der durch die Organismen­welt vermittelte Stoffumfaß der Dzeane bafirt.

Wir wissen jetzt, daß die Ufer der Weltmeere von anderen lebenden Wefen bewohnt sind, als der freie Spiegel dieser Meere; daß die Oberfläche eine andere Thiergenossenschaft beherbergt, als die unteren Wasserschichten; wir erkannten, daß die ewige Finsterniß der tiefsten Meeresgründe nicht öde und verlassen, sondern von eigen artigen, urweltlich und absonderlich geformten Wesen bevölkert ist, und wir kennen nun auch in großen Zügen jenen Zusammenhang, der zwischen der Formenvariabilität und den ökologischen Bedingungen Der Meeresfauna besteht. Die Millionen lebender Meeresgeschöpfe find feine vom Zufall zusamengetragene Menge, sondern in ihrer Gesammtheit ein, durch tausend Fäden gegenseitiger Beziehungen verknüpfter wirksamer, mächtiger und unentbehrlicher Faktor des organischen Lebens. Der Platz, das Verhältniß jedes einzelnen Mit gliedes dieser Welt ist bestimmt, hat seine Aufgabe und resultirt Wechselwirkungen in dem großen und in vielem noch so räthfel haften Kreislaufe der Natur.

Die Challenger"-Expedition hob endgültig den Schleier von den in ewige Nacht gehüllten tiefsten Abgründen des Meeres. Ein Bild, so bizarr und seltsam, wie es nur fiebernde Phantasie erfinnen tönnte, ersteht vor unseren Augen, das Bild längst entschwundener Erdepochen wird wieder lebendig. Ungeschlacht geformte, groteste Polypen strecken ihre Fühlarme zwischen den aus der Urwelt hier zurückgebliebenen Seesternen und Stachelhäutern, in den Spalten der Felsen tauern urweltliche Krebse von phantastischer Gestalt und da zwischen huschen bizarre gische, gleich blaffen blutlosen Gespenstern in einer immerwährenden und lautlosen Nacht.

Die Stelette von Myriaden fleiner Organismen, die oben die Wasserschichten beleben, finken herab und rieseln als ununter­brochener Strom von Kalt- und Kieselpartikelchen zu Boden. Im Laufe der Jahrtausende häufen sie sich zu gewaltigen Lagern an, welche einst die Kalffelsen späterer Aeonen bilden werden, so wie sie vor ungezählten Jahren den Kalf unserer Gebirge schufen, die da­mals Meeresgrund waren. An diesen verborgensten Erdenwinkeln scheint die oben alles umgestaltende Zeit spurlos vorüberzugehen, hier liegen in ungestörter Ruhe die Knochen ehemaliger Seeungeheuer, deren Fossilien oben an der Erdoberfläche schon unter der Wucht ungeheuerer Gebirge begraben sind. Seit jenen Zeiten, wo den Erd­ball überall der schwüle Hauch eines tropischen Klimas umfpülte und allüberall die üppige Bracht der tertiären Urwälder, die viel leicht noch keinen Menschen saben, wucherte, blieben die Reste jener längst ausgestorbenen Organismenwelt hier erhalten und stiegen faum verändert an der langen Kette der Generationen bis zur geolo­gischen Gegenwart hernieder. Und ein Ueberbleibsel des Hente wird fich erhalten, vielleicht bis in jene Tage, wo die raftlose Zeit das Menschengeschlecht schon längst ausgelöscht und hinweggetilgt hat, und der ewige blaue Himmel wieder über den Wundern neuer Kon­tinente lächelt.

Die zwischen der Tiefe und der Oberfläche liegenden Wasser­schichten sind fast verödet und unbelebt, nicht so aber an dem Meeresspiegel. Im Gegensahe zu dem Farbenmangel und der un­Geimlichen Bewegungslosigkeit der Tiefenbewohner schwelgt hier Sas   Auge an der Farben und Formenschönheit der Milliarden

Fast zwei Drittel der gesammten Bände des Challenger". Werkes sind der Beschreibung dieser so unendlich mannigfaltigen Thierwelt gewidmet; unwillkürlich beschleicht uns, wenn wir diese Tausende von Seiten und meisterhaften Tafeln durchblättern, ein Gefühl der stummen Ehrfurcht vor der riesenhaften Größe der Geistesarbeit, die hier niedergelegt ist.

Die meisten der Theilnehmer und Mitarbeiter ruhen bereits im Grabe; sie hinterließen ihr Werk einer neuen Generation, ohne den Ruhm und direkten Nugen jener Arbeit, der sie ihre besten Kräfte gewidmet, genießen zu fönnen. Die fortschreitende Wissen= schaft wird das durch sie Gebotene überholen, manches nur Halb­geflärte wird gelöst und vielleicht in anderem Sinne erfaßt werden, aber nichts wird ihr Verdienst schmälern. Werke, wie das der " Challenger"- Expedition, find nicht das intellektuelle Produkt einiger, fie find vielmehr die Ausdrucksformel für gewiffe Etappen des allgemeinen kulturellen Fortschritts. Dazu, daß sie entstehen fönnen, gehört eine breite Basis des allgemeinen Verständnisses für solche ideale Bestrebungen, deren positiver Nutzen nicht unmittelbar ins Auge fällt und die erst späteren Generationen Früchte tragen werden. Bu solcher Opferwilligkeit fonnte auch nur eine so echt freifinnige Nation befähigt sein, wie das Volk Englands."

Kleines Feuilleton.

b. Am 8. Auguft wurde in Frankfurt   a. M. das Denkmal von Samuel Thomas Sömmering  , das von Lenz in Nürnberg   nach dem Entwurfe Eduard von der Launih geschaffen wurde, feierlich enthüllt. Von Haus aus war Sömmering  , der 1755 in Thorn geboren wurde, Anatom und Physiolog, und als Arzt hat er viele Jahre in Frankfurt   a. M., wo er 1830 starb, praktizirt. Doch liegen diejenigen Arbeiten, derentwegen er im Andenken der Nachwelt lebt, nicht auf medizinischem Gebiete; vielmehr sind seine medizinischen Schriften längst vergessen. Wir erwähnen höchstens der Kuriosität halber seine 1796 erschienene Schrift Ueber das Organ der Seele", das er in einer dunstförmigen in den Höhlungen des Gehirns ent haltenen Flüssigkeit suchte.

Daß er heute noch genannt und gefeiert wird, verdankt er seinen physikalischen Leistungen, vor allen der Erfindung des elet. trischen Telegraphen. In den Feldzügen Napoleons   stellte sich die Nothwendigkeit eines zuverlässigen telegraphischen Verkehrs heraus, und Hand in Hand damit wurde der optische Telegraph in Frankreich   sehr wesentlich vervollkommnet. Der berühmte bayerische  Minister Montgelas   bat im Jahre 1809 Sömmering  , der seit vier Jahren Mitglied der Akademie in München   war, ihm ebenfalls einen Plan eines guten Telegraphen vorzulegen. Sömmering   fam auf den Gedanken, die noch nicht lange bekannte Bersehung des Wassers durch den elektrischen Strom zu benutzen, und tonstruirte einen Apparat, in welchem die einzelnen Buchstaben durch die bei der Wasserzersehung in fleinen Gläschen aufsteigenden Gasblasen bezeichnet wurden. Das Gutachten der Pariser Akademie, der der Apparat auf Nepoleon's Veranlassung vorgelegt wurde, fiel nicht günstig aus, da die damaligen optischen Telegraphen dem Sömmering'schen entschieden überlegen waren; wenn derselbe daher auch keine allgemeine Verbreitung fand, so darf er doch als Vors läufer der heutigen elektrischen Telegraphie nicht vergessen werden. Es mag noch erwähnt werden, daß der um das englische Telegraphenwesen hochverdiente Cooke, der in Gemeinschaft mit Wheatstone die elektrischen Zeigertelegraphen in Großbritannien   zu allgemeiner Einführung brachte, durch den Sömmering'schen Tele­graphen, der nebst dem damals( 1836) schon bekannten Nadel telegraphen an der Heidelberger   Universität gezeigt wurde, die erste Anregung zu seinen technischen Versuchen empfing. Sömmering  verdient mit vollem Recht einen Ehrenplatz unter den Geistesheroen der Wissenschaft, deren Arbeiten Merksteine in der Kulturentwicklung der Menschheit bilden.

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-- Vom Arader Blutgericht. Der Pester Lloyd" berichtet: Der Abgeordnete und Publizist Gustav Beksics   hat dieser Tage sein Wert über die Geschichte des neuesten Zeit Ungarns   beendigt. Beffics, der sich in diesem Werke auch mit den Hinrichtungen von Arad   befaßt, suchte den in Visegrad   lebenden General   Arthur Görgei auf, um von ihm über das traurige Ereigniß der ungarischen Geschichte neue Details zu erfahren. Görgei äußerte sich nun folgendermaßen: Die österreichische Militärpartei wollte sich nicht mit der Hinrichtung der dreizehn Generale begnügen, sie hatte den Plan gefaßt, nach der Uebergabe Komorns sämmtliche gefangene Honved- Offiziere zusammenzutreiben, und so lange in den Menschen haufen hineinkartätschen zu lassen, bis fein einziger der Gefangenen am Leben bliebe. Dieser Plan der österreichischen Militärpartei wurde durch die europäische und hauptsächlich durch die englische Diplomatie vereitelt. Der Wiener   Vertreter Englands erflärte, daß England, wenn der Wiener Hof diefe unerhörte Metzelei durchführe, die stärksten Repreffalien gegen Desterreich ergreifen werde."-