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Indem ich mich kräftig auf ihn ftüßte, gelang es mir lichen Herren sammt der streitbaren Magd entschlossen auf das endlich, mich aufzurichten. Ich athmete hoch auf und strich unheimliche Möbel zuschritten.

mir zunächst einmal mit beiden Händen das triefende Haar Jetzt rissen sie die Thür auf-- -- ich muß gestehen, daß aus dem Gesichte, dann raffte ich die heruntergeglittene Toga ich doch mit etwas banger Erwartung meine Augen auf den wieder auf und wickelte mich so fest wie möglich da hinein, Schrank geheftet hielt und nicht wenig erleichtert aufathmete, denn mich fröstelte am ganzen Leibe und so pudelnaß als es sich nun beim Scheine der vier emporgehaltenen Kerzen fonnte ich mich doch nicht gleich ins Bett legen. herausstellte, daß meine Skelette nichts anderes waren, Außerdem hatte mich Don der Balkonthür her ein als vier Kleiderriegel von allerdings eigenartiger Be recht empfindlich kühler Zug getroffen. Ich besaß wahr schaffenheit. Es waren nämlich an den auch bei uns landes­haftig den Muth, auf die Thür loszugehen und den hohen üblichen hölzernen Bogen an beiden Spizen noch lange dünne Laden ein wenig zurückzuklappen. Da entdeckte ich, daß Stangen befestigt- jedenfalls eine höchst praktische Ein­die Thürflügel nur leicht an einander gelehnt waren. Eben richtung, um die Röcke beim Ausbürsten von oben bis unten als ich sie schließen wollte, blies von der Straße her ein Wind- glatt auszuspannen. stoß so kräftig durch die Spalte, daß die leichte Gardine- und zwar jener Zipfel an der Seite des Schrankes hoch in die Höhe geweht wurde, wobei auch ein Stück Papier , das da an der Wand herumlag, sich in Bewegung setzte und jenes ab­scheuliche, wischende Geräusch hervorbrachte, welches mich vor­hin so geängstigt hatte.

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Die fittliche Entrüstung der in ihrem schönsten Schlafe Gestörten ergoß sich zunächst über mich, wandte sich dann aber, als ich meine Erklärung des räthselhaften Gepolters in meinem Bimmer nochmals mit eindringlicher Klarheit wiederholt hatte, gegen Camilla's Mutter, die den Alarm gegeben. Camilla selbst gab noch kein Lebenszeichen von sich. Noch immer lehnte Herr du mein Jemine! sollte nicht am Ende das graue ihr blondes Haupt an meiner linken Schulter, noch immer Gespenst sammt allen seinen schauderhaften Evolutionen...?! hielten meine Arme ihre volle Gestalt stüßend umfangen. Ich griff mir an die Stirn und that einen entschlossenen Die beiden Geistlichen, die Wirthin und die Magd hatten Schritt auf den Schrank zu- aber nein, den wollte ich sich mit einigen Entschuldigungen gegen mich und einigen doch lieber zufrieden laffen, bis das Tageslicht mir volle Verwünschungen gegen die Urheberin der nächtlichen Ruhe­Sicherheit gewährte. störung zurückgezogen da trat diese lettere mit zorn flammendem Angesicht und funkelnden Angen dicht vor mich hin und raunte mir zu: Mein Herr, man hat Sie in diesem Aufzug gesehen, meine Tochter in Ihren Armen! Mein Herr, ich hoffe, Sie werden wissen..."

Eben schickte ich mich an, meiner frendlosen Lagerstatt wieder zuzutappen, als heftig an meiner Zimmerthür ge­rüttelt wurde, während zugleich ein ganzer Chor von schrillen Frauenstimmen begehrte, daß ich öffnen sollte.

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Einen Augenblick schwankte ich aber nein, mochte es denn geschehen! So kommt doch endlich Licht in diese Sache, dachte ich und schob den Riegel zurück.

" Fürchten Sie nichts, gnädige Frau!" unterbrach ich sie, verschmitt lächelnd. Ich habe meinen Trauring in der Westentasche ich werde ihn Ihnen morgen zeigen!"

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Da standen sie vor mir in unbeschreiblichen Gewanden, die derbe schweizerische Magd mit einem Schrubber an der Sie verzichtete freiwillig auf diesen Beweis meiner Unge­Tête, hinter ihr die zarte Gestalt der hübschen Wirthin mit fährlichkeit und reiste am andern Morgen mit Camilla ab. der Warze und endlich, ihre Hälse lang ausreckend, schreckens- Leider habe ich den Familiennamen der freundlichen Dame bleich, Camilla und ihre Mutter, und jede hielt ein Licht mit vergessen; sollten ihr aber diese Zeilen zufällig zu Gesicht ausgestrecktem Arm mir entgegen. Raum aber hatten sie mich tommen, so möge sie gütigft dies offene Geständniß meiner erblickt, als sie alle vier wie aus einem Munde einen Schrei ausgestandenen Heidenangft als eine kleine Buße ansehen für des Entjegens ausstießen, der schauerlich in den hohen Gängen den schlechten Scherz, den ich mir mit ihr erlaubt. des Hauses widerhallte.

Jessas, Maria, Joseph! Wie schaute Sie aus!" rief die Magd, indem sie einen Schritt zurückwich und mir abwehrend den Schrubber entgegenstreckte.

Und Camilla's Mutter freischte auf: Ach Gott , es hat ihn gezeichnet, es hat ihn gezeichnet!"

Aber, meine Damen," stammelte ich verwirrt, was sehen Sie denn nur an mir, ich hatte solchen Durst, ich suchte die Karaffe, und da warf ich erst das Licht und die Streichhölzer herunter und dann fiel ich hin und kriegte die Wasserkanne über den Kopf. Ich bin wohl noch etwas feucht?"

Da trat die hübsche kleine Wirthin einen Schritt auf mich zu und rief: Ach, Herr, Sie haben ja die ganze linte Seite vom Gesicht kohlschwarz!"

Erschrocken wollte ich meine Linke an meine Wange führen, als ich bemerkte, daß auch die Hand ganz seltsam schwarz gemustert war. Da tam mir eine Erleuchtung: ich war mit dieser Hand vorhin in die ausgeflossene Tinte ge­rathen und hatte mit ihr meine linke Gesichtshälfte gefärbt. Eben wollte ich den zitternden Frauen auch dieses Schreck niß erklären, als sich auf der gegenüberliegenden Seite des Korridors eine Thür aufthat und die beiden französischen Geistlichen, die schwarzen Soutanen über die bloßen Beine zusammenraffend, daraus hervortraten.

Die Schwarzröcke stuzten erst einen Augenblick und sahen fich mit zweifelndem Lächeln an, dann betraten sie, von den vier Frauen gefolgt, mein Zimmer.

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Ende.

Sonntagsplauderet.

Die Gefühlsseligen haben es gut. Sie können in diesen Tagen so viel und nach Herzenslust schwärmen. Ein erlesener Theil der französischen Gesellschaft" pilgert nach dem deutschen Bayreuth , um sich inbrünstig in Richard Wagner's Weihe spiel zu versenken. Die Franzosen bilden heute den Grundstamm der Wagnerverehrer in der alten fräntischen Stadt. Nicht so sehr um die Freude am fünft lerischen Genius ist es ihnen zu thun; sie sehen dies Bayreuth mit Geheg Stat. extasischer Verzückung an und die Festspiele gewinnen für sie mystischen Glanz. Man bewundert in ihnen nicht mehr die Werfe einer mächtigen fünstlerischen Kraft; diese Pariser Kulturwelt, die an ganz besondere Raffinements gewöhnt ist, schwelgt dabei in einer Art von religiöser Sehnsucht. Zu den Schwärmern finden sich die Modeheuchler ein. Wie einst Frau Hillern, als sie durch das Passionsspiel von Oberammergau berauscht war, einen exaltirten Roman über das oberbayerische Künstlerdorf" schrieb, so findet fich jetzt eine französische Mondaine", eine aristokratische Weltdame, Frau Baronin Deslandes, die vom Parsifal bezwungen fich zu Bayreuth in Träumereien versenkt und ein deutsches, ver flärtes Liebesidyll dichtet. Die Mondaine" phantafirt vom Bauber blondes Gretchenideal, so blond, so sehr in reine Schwermuth ge der deutschen Kleinstadt, die Vollblutpariserin erfinnt ein neues, taucht, daß die nationalsten deutschen Kritiker der Pariser Schrift stellerin das Kompliment machen, ihre Arbeit sei so zart, so dustig, als hätte ein treues deutsches Poetenherz sie ersonnen.

Auf der einen Seite die schmachtenden, auf der anderen die wüthigen Schwärmer. Sie werden üppige Freuden erleben, wenn ihr Felix Faure seine Reise zum Zaren antritt. Sie sind so dankbar für jede Freundlichkeit, die Bäterchen berablassend gewährt; fast so Wollust erbeben, weil es während der Petersburger Kaisertage ge­dantbar, wie unsere Kreuz- Zeitungs"-Männer, die im Innern vor stattet war, auf russische Pferdebahnen Fähnchen in deutschen Farben

Angesichts dieses lächerlichen Aufzuges war plötzlich alle Gespensterfurcht von mir gewichen. Ich verbeugte mich, indem ich den einen Zipfel meiner Toga mit einer ge­wissen Großartigkeit in edlere Falten warf, mit klassischem Anstand Dor den beiden Priestern und dann Iud aufzuftecken. ich durch eine ermunternde Handbewegung die Damen ein, näher zu treten.

" Ja", sagte ich, zu Camilla's Mutter gewendet, Gie hatten recht, gnädige Frau, es ist nicht ganz richtig in diesem Zimmer. Wenn sich die Herrschaften gütigst überzeugen wollen dort in meinem Kleiderschranke hängen vier bis sechs Gerippe!"

Ahhh!" kreischte Camilla auf und sank halb ohn mächtig in meinen rasch ausgestreckten Arm, indeß die geist

Es sind billige Schwärmereien, so laut, fo lärmend oft sie sich auch offenbaren mögen. Sie ist nicht so selten, die phantastische Ueberhigung, der keine reale That folgt. Wer aber über die Eitel­feit der Ueberhitten lächelt, der wird von ihnen rasch als böswilliger Mensch abgethan. Nichts wird leichter verletzt als der Enthusiasmus für Frauenemanzipation und bei so manchen der Friedenskämpferinnen der ganz Naiven. Bei so manchen der bürgerlichen Borkämpferinnen fann man das wiederum deutlich erfahren. Vor einigen Jahren kan Frau Bertha v. Suttner nach Berlin . Sie ist gewiß eine woh meinende Dame. Aber die Art, wie sie, den Friedenswedel in de