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weichen Frauenhand, den Kreuzzug gegen den Krieg predigte, lich seines Lebens und füßte Mutter und Kind. Nun drang die Kunde ihrem Thun einen humoristischen Anstrich. Menschen, die eine Heils in dem rothen, baumumschatteten Fürstenpalais in alle Räume wahrheit entdeckt zu haben glauben, eine Heilswahrheit, über die weiter. Alte Dienerinnen und Diener weinten Freudenthränen, die unter Einsichtigen längst weder diskutirt noch geftritten wird, haben Herrschaften vom persönlichen Ehrendienst des jungen Fürstenpaares für den Beobachter der Dinge immer etwas komisches an sich, wenn schaarten sich um ihren Herrn, den Erbgroßherzog, und brachten fie ihre Heilswahrheit mit salbungsvollem Ernst und mit Propheten ihre Glückwünsche in elementarer Freude dar. Die Nachricht war eifer als etwas Neues verkünden. Es ist der Widerspruch zwischen inzwischen schon auf die Straße gedrungen. Die abgelösten Posten Wollen und Können, der zum Lächeln zwingt. Ueber den männer- brachten die Mittheilung mit auf die Hauptwache, wo dem, wenn mordenden Krieg" und seine ethische Bedeutung besteht unter mo- Gott will, dereinstigen Großherzog das erste Hoch aus froher Sol­dernen, sozial empfindenden Leuten tein Zweifel mehr. Es giebt datenbrust dargebracht wurde Rasch stiegen die Fahnen niemand, der ihn nicht verdammte. Aber während Europa in empor, und schon sehr früh prangte in der Stadt ein Waffen starrt, fommt Frau v. Suttner , liest ein paar Romankapitel Flaggenwald. Stolz grüßen die Farben von Vaterland vor, fommandirt mit sanfter Stimme: Die Waffen nieder!", und und Reich von den Dächern hernieder. Heil Dir, o Olden. ihre begeisterten Mitschwestern jubeln, als sei mit dem bischen burg! steht auf diesen Zeichen, die schon so oft zu des Schöngeisterei ein Erlösungswert gelungen. Die Vergnüglichkeit, mit Landes Ehr' herniedergeblidt, zwar nicht geschrieben, aber doch so der solch' billiger Enthusiasmus in papiernen Protesten sich erschöpft klar und dentlich... Mit Trauer wohl hätte das Land Oldenburg und dabei tapfer gehandelt zu haben glaubt, weckt den Widerspruch es angesehen, wenn dem Throne der direkte Erbe auch ferner gefehlt und den Hohn. Wer ernsthaft denkt, weiß, welche rauhen, harten hätte. Aber die Verehrung für das landesfürstliche Haus wäre Mächte in langwierigen schweren Kämpfen zu überwinden sind; und darum keine geringere gewesen, denn es giebt in den Gefühlen des da kommt das weiche, schöngeistig- bürgerliche Frauenthum und will Volkes keine Steigerung mehr. So betrachtet das Land die Geburt die Welt mit ein paar sentimentalischen Predigten retten! eines Kronerben als eine ganz besondere Gnade, als ein großes göttliches Geschent. Das gesammte Leben der Residenz steht heute unter dem Zeichen des frohen Ereignisses. Leute, die sich bisher fremd waren, beglückwünschen sich gegenseitig, und man spricht von nichts anderem, als von der Geburt des Prinzen Peter."-

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So empfindlich nun die Herrschaften sind, wenn man ihr selbst gefälliges Beginnen ein wenig fomisch findet, die Thatsache können fie nicht mehr aus der Welt schaffen, daß man heutzu­tage ihre Wunderlichkeit nicht sonderlich ernst nimmt. Die Kongreffe folgen einander, Friedens- und Frauen- Kongresse, wie jüngst erst in Brüssel und Hamburg ; man achtet ihrer faum.

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Worte finden. 3 von 100

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- Die Liebenden und die Liebeserklärung. Eine englische Wie sollte man auch? Auf dem Brüsseler Frauen- Kongreß Zeitung veröffentlicht eine ebenso interessante wie originelle Statistit. machten sich ungeklärte Anschauungen in Menge und ein Gemisch In derselben wird behauptet, daß von 100 Fällen 36 Männer bei der Liebeserklärung das Mädchen ihrer Wahl in die Arme schließen von Sentimentalität und Rückwärtserei breit. Unsere geschätzte natürlich wenn sie es duldet. Ungefähr 67 Männer füssen die Mitbürgerin, Frau Lina Morgenstern , die so viel Selbstgefälligkeit Ertorene auf den Mund, 4 von hundert auf die Wange oder das mit so viel Vereinsmeierei vereinigt, durfte das große Wort führen. Haar und 2 höchstens begnügen sich mit einem Handfuß. Min Damen, die sich einbilden, man dürfe nur ein Dekret betreffs destens 72 Liebende pressen das Händchen ihrer Schönen an das Abschaffung der Prostitution" erlassen und den Erlaß energisch durchführen und dann werde das Schandmal am Frauenthum" eigene männliche Herz, 14 haben beim Sprechen einen Kloß in der alsbald verschwinden, laffen sich als Vortämpferinnen für Frauen Nur 7 von 100 erklären sich für die Glücklichsten unter der Sonne, Kehle, und 9 sagen mit einem tiefen Seufzer:" Gott sei Dank!" rechte feiern! In diesen wundergläubigen Gehirnen spiegelt sich eine seltsame Welt. Man eifert über die so begehrlichen, luxus­verwöhnten, immer genußgierigeren Dienstboten und ähnliche Kreise, genau, wie der armfeligste Spießbürger auch. Man jammert, daß Ser Hang zum Wohlleben die Frauen aus den niedrigen Ständen" zur Prostitution verführe; und wenn man aus gefinnungstüchtiger Brust dann ausruft: Nieder mit der schändenden Prostitution! als befäße die Polizei etwa eine magische Gewalt, dann glaubt man wunder welch' herrliches Tagewert vollbracht zu haben. Der Hang zum Wohlleben! Welche Gedanken noch in diesen rückständigen Köpfen ſpufen! Welch' sündhaftes Lotterleben sich die blutarme Tugend vorstellt! Ein wirkliches, düsteres Ereigniß aus der Welt der Unreinen und Ausgestoßenen" braucht aufzutauchen, und die läppischen Phantasiegebilde der allzeit Tugendftolzen, deren zweites Wort Frauenwürde" ift, sinken in nichts zusammen.

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Da lebte doch in der Linienstraße solch' Mädchen, die dem Hange zum Wohlleben gefröhnt" hatte. Sie war einer Mörderhand zum Opfer gefallen. Man macht nicht viel Aufhebens um solch einer willen. Der freche Mord an einem Justizrath, der kann die Stadt in Athem erhalten. Aber ein Geschöpf, wie die erschlagene Thiele, ist ja im Grunde vogelfrei. O, sie stat im Moraft bis an den Hals, und blos aus dem niederträchtigen Hang zum Wohlleben. Ja, ja, im Lasterpfuhl ruht sich's behaglich. In Saus und Braus wird da ge= wirthschaftet. Volle dreißig Mark trug die Ermordete in ihrer Geld­börse. Welch' Kapital! Und welcher Anreiz in dem Kapital, über die Besitzerin herzufallen. Sogar den Luxus, sich einen Pudel zu halten, durfte sich die Dirne gestatten. Freilich, wenn sie die ge­ftrenge Hausverwalterin sah, da verkroch sich die Sündhafte, wie ein scheues Wild. Denn sie werden auch gehezt, diese vogelfreien Dirnen. Wenn die Lasterhafte Besuch bekam, ließ sie die Fenster ihrer Wohnung offen, um nach Hilfe rufen zu tönnen; denn sie werden noch mitunter gewürgt, diese vogelfreien Dirnen. Es ist ein Dasein voll Luftbarkeit und Ueber muth. In der That! Und die feinen Damen, die von Natur aus so fittsam und würdestolz sind, haben doppelt und drei­fach recht, wenn sie über den verderblichen Hang zum Wohlleben zetern, der unbotmäßige Dienstmädchen und die Armee von Prosti­tnirten schafft. Alpha.

Kleines Feuilleton.

-O, Oldenburg ! Die Erbgroßherzogin von Oldenburg hat vor ein paar Tagen einem Sohne das Leben gefchenkt. Diese That­sache begeisterte die Oldenburger Nachrichten" zu einem Artikel, dem wir folgende Säße entnehmen:" Heute Morgen war es. Die Einwohner der Stadt lagen noch in tiefem Schlafe. Da regte es fich im Elisabeth Anna- Palais. In geschäftiger Gile und doch be­hutsam liefen Hofbeamte und Hofbedienstete auf und ab. Da, um 4 Uhr 15 Minuten, ging eine freudige Bewegung durch das ganze Palais. Die hilfethätige Frau Hartmann, deren ernster Beruf es ist, jahraus, jahrein unzähligen Wöchnerinnen, ob sie hoch oder niedrig find, sorgsam und treu zur Seite zu stehen, hatte einer zitternden Mutter den Erstgeborenen in den Arm gelegt. Und ein beglückter Vater stand in tiefer freudiger Bewegung am Bett der geliebten Weggenoffin

und 5 können während der ersten 10 Minuten überhaupt nicht so versichert der Statistiker im wichtigsten Moment auf einem Fuß, 2 sinten auf die Knie und mindestens 20 schlucken erst ein paarmal etwas, das ihnen im Halse Mund und schließen ihn wieder, ehe fie zu sprechen anfangen. steckt, todesmuthig binunter, und 10 öffnen mehreremal den was nun das Verhalten der Frauen anbetrifft, so meint der auf­merksame Beobachter, daß 81 von 100 weiblichen Wesen dem Mann bereitwilligst in den Arm finken, 68 verbergen ihr Geficht erröthenb an seiner Schulter und höchstens eine läßt sich in die Polster eines notabene wenn ein solcher bereit steht. Die größere Hälfte von 100 schlingt die Arme um den Nacken des Geliebten, Seffels fallen ungefähr vergießen leise Freudenthränen, während 44 in lantes Beinen ausbrechen aus welchem Grunde, wiffen sie selbst nicht. mehr als 80 aber wußten ganz genau, was kommen würde, wenn­Einige Mädchen, vielleicht 4 von 100, sind in der That überrascht, gleich sie auch mit niedergeschlagenen Augen sagen mögen: D, es ist so plöglich!" Sechzig Mädchen blicken mit Augen voll von Liebe" zu ihm" empor und eine von 100 läuft sofort davon, um das wichtige Ereigniß irgend einem fühlenden Menschen brühwarm mitzutheilen.­

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Musik.

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-er-. Aus der Woche. Theater des Westen 3. Es war vor kurzer Zeit an dieser Stelle der vornehmen Art des Münchener Hofopernsängers Bertram, die Lustspielgröße und die heiteren Leidenschaften eines Baren"( Bar und Zimmermann) und Fluth"( Lustige Weiber) darzustellen, Lob gesagt worden. Nun ließ der Künstler einen Don Juan" folgen, dem jedes Zeichen einer start und tief gestaltenden Individualität fehlte. Ein füßlich sentimentaler Ton, der sogar durch den unmotivirten Wechsel zwischen unerhörbarem Piano und plötzlichem Fortissimo jedes feinere Gefühl verlegen mußte, verlieh der Figur eine Affektion, welche den gewaltigen Humor und die düstern Schauer einer gigantischen Sinnlichkeit wie geschminkt erscheinen ließ. Die unbeug­fame Willensstärke und der hartnäckige Lebenstroy, die elegante Anmuth der Verführungskraft und die Rücksichtslosigkeit der Genußsucht, die ganze glänzende Mannigfaltigkeit des Don Juan"= Charakters wurde mit den lebhaften Aeußerlichkeiten herkömmlicher Theaterroutine erledigt, welche für den Helden des Mozart 'schen Meisterwerks mur über dieselben Ausdrucksmittel verfügt wie für die Honiglyrik des Säckinger Trompeters". Capriziöse Details und nicht ganz geschmackvollen Stilwih besaßen bios die Münchener Originalkostüme des Herrn Bertram. Wie alle ihre Darbietungen, so trägt auch die Donna Anna" der Frau Moran­Dlden in vielen Einzelheiten echt fünstlerisches Gepräge; die edel gedachte, mit feelenvoller Jnnigkeit durchgeführte Leistung litt wieder an der heulenden Manier, jeden höheren Ton über manchmal mehr als eine Ottave emporzuschleppen. Der dritte Gast des Abends war Herr Malten vom Weimarer Hoftheater, dessen Don Ottavio " leider eine ganz reizlofe, in der Tongebung unfreie und durch barytonale Breite zum Tremoliren gezwungene Tenorstimme pro­duzirte. Frl. Göttlich( Elvira) und Frl. Saccur( Berline) dürfen das Verdienst ernsten Fleißes und besten Willens für sich in Anspruch nehmen.

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