Das„Theater Unter den Linden" eröffnete die dies-jährige Saison mit dem bewährten Millöcker'schen„Gasparone", inwelchem der Wiener Operettemneister noch die muntere Originalitätseiner melodischen Erfindung hatte und nicht gezivnngen war, Anlehenbei sich selbst zu machen. Zu den künstlerisch angejahrten Krästen. denDamen Siegl und Schmidt, den Herren Steiner und Wellhoff, geselltensich der Buffotenor Becker und die Soubrette Asle als neu engagirteMiglieder; sie werden, falls sie nicht gehen, wie sie kamen, der Bühnedes Direktors Fritsche keinen übermäßigen Glanz verleihen. DerRegiffeur G l e s i n g e r kann von seinein Kollegen, dem KapellmeisterK o r o l a n y i, lernen, daß das szenische Leben der Operette nichtden Stempel der Langeweile tragen darf.—Kunst.— Die Kunstanstalt M e i s e n b a ch, R i f f a r t h u. Co. hateine Anzahl der in der diesjährigen Berliner Kunst-a u s st e l l u n g hängenden Gemälde nachbilden lassen und bringtsie nun in vier Sammelmappen vereinigt auf den Kunstmarkt. Essind öS Blätter— Heliogravüren— von denen IS Werke MaxLiebermanns wiedergeben. Für die ausgewählte» Landschaften,Mondnacht am Weiher von Douzette z. B., scheint sich das beliebteReProduktionsverfahren recht gut zu eignen. Bei der Auswahl hatwohl die„Marktgängigkeit der Waare" das entscheidende Wortgesprochen. Was da gebracht wird, könnte, vielleicht mit einzigerAusnahme des Flößers von Lippisch, auch jedes Familienblatt ohneBedenken nehmen. Die diesjährige Kunstausstellung ist, was denkünstlerischen Werth der ausgestellten Werke betrifft, sehr mäßig aus-gefallen. Wer sie nach der Meiscubach-Riffarth'schen Sammlungbeurtheilen wollte, müßte an der Entwickelungsfähigkeit der BerlinerKünstler einfach verzweifeln. Das ist eine„Kunst" für die kleinenKunstschülerinnen in der Klosterstraße! Wie kommt Liebermannunter die Gesellschaft? Wohl wie Pontius ins Credo: durchZufall, Die Kunstblätter sind in der Ausstellung und in allenBerliner Kunsthandlungen auch einzeln zum Preise von 1,25 M. zuhaben.—— Die berühmte Galerie VuoncampagniLudovisi.der unter anderen auch die berühmteste Junostatue angehört, istvom italienischen Unlerrichtsminister für den Staat angekauftworden.—Medizinisches.k. Ein neues Mittel gegen Brandwunden hatdurch Zufall der Arzt Dr. Thierry vom Eharitee-Krankenhaus inParis gefunden. Dr. Thierry hatte die Gewohnheit, eine Lösungvon Pikrinsäure als Desinfektionsmittel z» benutzen. Eines Tagesbemerkte Dr. Thierry, daß die Brandwunde, die er sich tags zuvordurch Siegellack zugezogen hatte,»ach Benutzung des Desinfektions-mittels plötzlich zu schmerzen aufhörte. Dieselbe Wirkung zeigte sich,als Dr. Thierry sich zum Experiment an einem Streichholz die Handverbrannte und hierauf die Stelle mit Pikrinsäure behandelte. Estrat vollkommene Schmerzlosigkeit ein und, diese Beobachtung soll sichseither in einer ganzen Reihe von Fällen bei Brandverletzunge» be-stätigt haben.—Aus dem Thierleben.— Thierfang durch Erschrecken. Ein skandinavischerNaturforscher hat unlängst über eine eigenthiimliche, seit Jahr-Hunderten im Nordosten Islands gebräuchliche Art, die Schwänedurch Erschrecken zu fange», berichtet. Wir entnehmen dem„Zoologift" darüber folgendes: Im Herbst, nach vollendeter Mauser,verlassen die Schwäne in wenig zahlreichen Schwärmen das Innere,um die Küste zu erreichen. Die Küstenbewohner haben sich mit ihrenHunden zum Empfange vorbereitet, und wenn die Schwäne sichnähern, beginne» Menschen und Vierfüßler so viel Lärm zuschlagen, wie sie können, die einen, indem sie schreienund mit Steinen gegen Bretter schlagen, die ander»durch Bellen— jeder nach seiner Fähigkeit—, umeinen wahren Höllenspektakel zu erzengen. Dieser Lärm übteine starke Wirkung auf die jungen Schwäne. erschreckt.verwirrt, ohne zu wissen, wo sie hin sollen, und wahrscheinlich durchdiese» Schrecken förmlich gelähmt, fallen sie zu Boden, wo man sichihrer ohne Mühe bemächtigt. In ähnlicher Weise wird die Schreck-barkeit gegen eine andere Art von Schwänen von den Gauchos inSüdamerika ausgebeutet, wie dies Hudson in seinem Buche: TbeIlaturaliss in La Plata berichtet. Wenn den Gauchos einSchwärm gemeldet ist, so schleichen sie sich verborgen undgegen den Wind heran, sprengen dann plötzlich auf ihrenPferden mit ungeheurem Geschrei gegen die Schwäne, dievon Schrecken ergriffen. nicht im stände sind, aufzufliegenund sich an Ort und Stelle todtschlagen lassen. Die Schreck-lähmung ist also nicht eine auf den Menschen beschränkte Erscheinung,und vielleicht hat man sich schon in der Borzeit, bevor Pfeil undBogen erfunden wurden, in dieser Weise der Schwäne bemächtigt,und damit wäre das Räthsel der in den frühesten Ablagerungen derEiszeitmenschen vorkommenden Schwanenknochen erklärt. Auch imEuphrat-Tigris-Thale ist das Mittel, Störche durch fürchterlichesGeschrei zum Niederfallen zu bringen, bekannt. Man glaubt dortaber, daß man dabei einen bestimmten Zauberspruch schreien muß.— Als zehnjähriger Bursche schoß der Schreiber der nachstehendenZeilen auf einen vor ihm herlaufenden jungen Kibitz, der noch fein„Wollkleid" trug. AlS es knallte, fiel der Vogel zusammen und lagmit angezogenen Ständern und Flügeln da wie ein Stein. Als ichihn in die Hand nahm, zeigte er sich auf einmal wieder rechtlebendig. Eine genaue Untersuchung ergab, daß der junge Kibitzauch nicht ein Schrollor» bekommen hatte. Der Schuß hatte ihn soerschreckt, daß er wie im Starrkrampf zusammenfiel.—Humoristisches.— Moderne Ehefrau.„Nun, Lucie", fragte dermoderne Ehegatte,„was hast Du heute alles getrieben?"Die moderne Frau nahm ihren Hut ab.„Oh!" antwortete sie,„ich war heute schrecklich in Anspruchgenommen: Um neun Uhr in der Früh hatten wir Vorlesung beiMrs.£., eine reizende Vorlesung! Mrs. X. las über die„Architekturder vrrmuthlichen Hauptstadt des Mars"— ich wollt'. Du hättestes hören können— und daran anschließend trug Professor W. über„Die Infekten von Zentral-Afrika" vor. Es war so interessant."„Das glaub' ich!"„Dann um elf Uhr war ein Meeting des„Theosophischen Klubs",und um halb zwölf Uhr betheiligte ich mich an einer Besprechungder Komiteemilglieder des„Vereins zur Besserung der Mörder."„Schön!"„Und um Zwölf frühstückte ich mit Mrs. Z."„Sehr schön!"„Nachmittags mußten wir zu den Theaterproben in die„Ibsen-Gesellschaft". Als ich dann nach Hause ging, sah ich ein reizendesKind auf der Straß« spielen, gerade vor unserer Wohnnng, ein enl-zückender kleiner Junge! Ich mußte ihn küssen! Wenn ich nurwüßte, wem das Kind gehört?"„Hatte es blonde Haare?" fragte der moderne Ehegatte."lind blaue Augen?"„Wunderbar blaue Augen!"„Und eine schmutzige Blonse an?"„Ja, eine abscheuliche Blouse!"„Dann weiß ich, wessen Kind es ist l"„Nun?"„Das unsrige!"—_Vermischtes vom Tage.— Ein neues Festspiel wird anläßlich der Anwesenheitdes Königs und der Königin von Italien am 7. September inWiesbaden stattfinden. Das Festspiel allegoristrt, wie das„NeueWiener Journal" mitlheill, nach Angaben des Kaisers die Äer-brüderung Deutschlands und Italiens. Das ersteBild zeigt einen dichten Wald; zwei Frauengestalten treten hervor.die„Germania" und die„Jtalia". Sie schließen einen unzerreißbarenreundschastsbund und schwören sich in gebundener Rede ewigereue; dazu ertönt eine Festmnsik. Der Wald versinkt auf einWort der Jtalia, und Rom taucht aus der Erde empor.—— Aus K o t t b u s wird amtlich gemeldet: Die Eisenbahn-strecke Kottbus-Forst ist»ach Herstellung einer Nolhbrücke überdie Malve wieder in vollem Betrieb.——„Große Dummheit." Ein Handlungsgehilfe ausBrakel hat den Namen einer Dame, die seine Bewerbnng abgewiesenhatte, dadurch mißbraucht, daß er an ein Blatt eine Anzeige sandte,in der er deren Verlobung mit einem Herrn aus Brakel meldete.Die Zuschrift war mit dem Namen des letzteren unterzeichnet. Alsdie Anzeige erschien, hatte der Gehilfe noch die Keckheit, bei dembetreffenden als Gratulant zu erscheinen. Er wurde wegen Ur-kundensälschung und Beleidigung zu 2 Monaten Gefängniß ver-urtheilt. Als strafmildernd wurde seine„große Dummheit" an-genommen.—— Die Familie des verstorbenen Chemikers Victor Meyerstellt in einer Zuschrift an ein Heidelberger Blatt fest, daß derProfessor den Selbstmord wegen eines Nervenleidens begangen.—— Dreitausend Zähne gestohlen wurden in Wieneiner Kommissionsfirma für zahntechnische Artikel.—— Nach Meldungen aus Ungarn ist die Donau so sehr ge-funken, daß jede Gefahr vorüber ist.—— Das Dorf G a r a n y im Zempliner Komitat(Ungarn) istniedergebrannt. 137 Wohnhäuser sind mit den Nebengebäuden inAsche gelegt.—c. e. Ein sonderbares Geschenk machten unlängst dieFeuerwehrleute von Ribeauville(Frankreich) dem neugeborenenSohne ihres Hauptmannes. Sie ließen sich den Bart abscheeren,stopften die Haare inj ein Sammetlissen und legten dieses demKnäblein in die Wiege.—— Bei der Anwesenheit des Zaren in Paris war einFeuerwerk abgebrannt worden. Bei dieser Gelegenheit wurdeeine Köchin durch eine Rakete verletzt. Sie klagte und hatte nunein Schmerzensgeld von 3000 Franks erstritten, das die Stadtzahlen muß.—— Apfelsine nsakt als beste Wichse für schwarze Stiefelund Schuhe wird von London aus empfohlen.— Na!—— Schlaue Temperenzler. Aus N e w- A o r k meldetman: Die strengen Temperenzgcsetze haben einen Amerikaner be»wogen, wasserdichtes Papier für den Transport geistiger Getränkezu verwenden. Eine Düte Whisky oder Bier empfiehlt sich durchihr unschuldiges Aeußere den vielen Temperenzlern, die den Trunkim Geheimen betreiben.—Verantwortlicher Redakteur: Augnst Jacobcy in Berlin. Druck und Verlag von Max Babing in Berlivi