Unterhaltungsblatt des Vorwärts
Str. 171.
Mittwoch, den 1. September.
( Nachdruck verboten.)
1] Der Bauernführer. Roman von Franz Kahler.
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1897.
Das überlassen Sie nur mix. Sie wissen, meine Herren, daß ich das Geschäft verstehe und daß ich, wenn erst die nöthigen Formalitäten erfüllt sind, schon dafür sorgen werde, daß der Bau, die Einrichtung und Inbetriebsetzung flott von statten sgehen. Ich weiß, was ich will, und riskire mein schönes Stück Geld nicht für eine aussichtslose Sache. Aber wir müssen uns nun rasch entscheiden, wenn die Fabrik über's Jahr fertig sein soll; denn jedes verlorene Jahr bedeutet einige hunderttausend Mark glatt verdientes Geld weniger für die hiesigen Landwirthe, die, Gott sei es ge flagt, doch alle so schwer um die Existenz zu kämpfen haben, daß ihnen eine gute Nebeneinnahme von Herzen zu gönnen wäre." Ein allgemeines Ropfniden begleitete den Schlußfat.
Während des ganzen Tages hatte der eisige Nordostwind gewaltige Schneemassen über die Ebene getrieben. Jetzt, in der hereinbrechenden Dämmerung, strich ein linder, fast früh lingslauer Hauch über die winterlichen Felder. Aus der grau gefärbten Schneedecke stieg ein feiner Dunst empor und schwebte wie eine ungeheure Wolke über den schweigenden Weiten. Unaufhörlich tropfte die Feuchtigkeit von dem kahlen Geäft der Bäume; überall rieselte und plätscherte das Schneewaffer. e
" Ich schlage zu, Herr Teßmer!" nahm der reiche Gutsbefizer Berger aus Senten das Wort, einen ermunternden Blick um sich werfend. Die hunderttausend Mark Gewinn tanzten bereits vor seinen Augen.
Durch die feierliche Stille, die wie etwas Körperliches auf Meilen in der Runde laftete, ertönte lustiges Schellengetlingel und lautes Stimmengewirr in der Richtung des Dorfes Senten, in dessen Nähe die stattliche Villa des Amts Ich bin auch dabei!" kam es etwas zaghafter über die vorstehers Teßmer lag. Dort glänzten alle Fenster in fest- Lippen eines jungen, übermäßig dicken Bauers. lichem Licht; Schlitten auf Schlitten hielt vor dem hellstrahlenden n auf Schlit Haupteingange.
Alle staunten über diesen raschen Entschluß des Schulze; es war bekannt, daß er eigentlich nie einen selbständigen Ent Alexander Teßmer feierte das zehnjährige Bestehen der schluß fassen durfte, wenigstens nicht, wenn es sich um GeldLouisengrube", deren Miteigenthümer und Repräsentant er ausgaben handelte. Obwohl Befizer des größten Gutes in war. Alle größeren Grundbefizer des Amtsbezirkes und auch Hogwig, galt er allgemein doch als eine nichtssagende Null, eine Anzahl Kleinbauern waren zu dieser Festlichkeit geladen. die er auch wirklich war. Seine reiche, um zehn Jahre ältere Reiner hatte versäumt, der Einladung Folge zu leisten; Frau, ein Ausbund von Häßlichkeit, aber aus einer war doch bekannt, daß der Prunk des heutigen Zages nur angesehenen Gutsbesigerfamilie stammend, führte ein herrisches den Vorwand bildete zur Einleitung eines neuen, großartigen Regiment. Teßmer, der dies wohl wußte, hatte sich die ZuUnternehmens, das noch mehr wie die Gründung der Louisen- ftimmung der Frau längst durch eine geschickte Ausstachelung grube das bisherige wirthschaftliche Leben Sentens beeinflussen ihrer Habgier zu sichern gewußt. sollte. Alle versprachen sich goldene Berge von dieser neuen Unternehmung.
Eine zeitlang war dies allerdings anders gewesen. Die Mehrzahl der Bauern wollte von dem Plane, eine zweite Zuckerfabrik dicht neben der alten zu bauen, nichts wissen. Man mißtraute Teßmer, deffen ehemalige Direktorthätigkeit in der alten Fabrik vielen Widerspruch hervorgerufen hatte. Erst als Teßmer aussprengen ließ, er werde eventuell die Fabrik allein bauen, schwemmte die Furcht, von der vielleicht doch reichen Miternte ausgeschlossen zu werden, alle Bedenken hinweg.
Da laun id mir man och nich ausschließen!" ließ sich die bedächtige Stimme des Gutsbesitzers Steinig, des einfluß reichsten Bauern aus Hogwig, vernehmen.
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Steinig war der Typus des geriffenen Bauers. Auf seinen vielfachen Reisen- er betrieb neben der Bewirthschaftung feines Ackers noch einen schwunghaften Biehhandel, der ihn nach allen Gegenden des Reiches führte hatte er manche Eigen thümlichkeit ferner Stadt- und Landbewohner in sich auf. genommen, die er bei jeder Gelegenheit zur Schau stellte. Den Inbegriff aller Wichtigkeit aber glaubte er im Berliner Dialett gefunden zu haben, den er in der ergöglichsten Weise gebrauchte. Im übrigen war er ein selbstgemachter Mann, der sein bes scheidenes Gütchen im Laufe der Jahre zu einer ansehnlichen Größe ausgedehnt hatte. Wo Geld zu verdienen war, fehlte er nicht. Er war der Geldleiher der ganzen Gegend und hatte in der harmlosesten Weise bereits einem Duzend
stand fein geheimes Wuchergeschäft so vorzüglich hinter der Maske des hilfsbereiten, gutmüthigen Menschenfreundes zu verbergen, daß er in den Augen der Meisten stets der bonette, biedere Mann blieb, den er mit Vorliebe spielte.
Daß dem Teßmer eine solche That zuzutrauen war, daran zweifelte niemand, der sein Wirken in den letzten zehn Jahren beobachtet hatte. Und beobachtet hatten es schließlich ja alle, denn laut und geräuschvoll war der ehemalige Fabrikschreiber seinen Weg gegangen. Wo man hinsah, waren die Spuren feines Wirkens zu erkennen. An seinen Namen knüpften sich die hilfsbedürftiger Kleinbauern die Kehle zugeschnürt. Er vers unzähligen Umwälzungen und Wandlungen, die das wirth schaftliche und soziale Leben dieses kleinen Fleckchens Erde im Verlaufe des entschwundenen Jahrzehnts durchgemacht hatte. Mit staunenswerther Leichtigkeit und Schnelligkeit raffte er ein bedeutendes Vermögen zusammen, erwarb er sich den größten Seine Wirthschaft war mustergiltig; sein Ruf als tüch Grundbesitz im ganzen Bezirke. Anfangs erregten die gewagten tiger Landwirth rückhaltlos anerkannt. Wie jeder Empor Verbesserungen und Steuerungen, die er in seinem landwirth- tömmling trug er ein gewaltiges Selbstbewußtsein schaftlichen Betriebe durchführte, nur ein allgemeines Kopf zur Schau, führte das große Wort in der Schenke schütteln bei dem Schwarme der altmodisch wirthschaftenden und ließ am liebsten seine dummen Späße an jenen UnglückBauern, dann aber fanden sie Anerkennung und schließlich lichen aus, deren Wechsel an jedem Quartalsersten ohne Nachahmung. Gegenleistung um ein Beträchtliches größer wurden. Er hatte
Alle seine Gegner hatte Teßmer rücksichtslos zu Boden nur einen Ehrgeiz: auf dem Gebiete der Ackerbauwirthschaft geschmettert und zuletzt seinem bisherigen materiellen Erfolge, allen, auch dem neuen Rivalen Teßmer, den Rang ab als Amtsvorsteher, Mitglied des Eisenbahn - und Land zulaufen. Das Glück Teßmer's nagte überhaupt wie ein wirthschaftsraths, noch den Glanz äußerer Würden angereiht. geheimes Leiden an seinem sonst so zufriedenen Dasein. Die Begeisterung, mit der die Bauern heute der Ein- Jede neue Wirthschaftsmethode, die Teßmer einführte, ahmte ladung dieses Mannes folgten, war daher sehr verständlich. er nach, oft mit besserem Erfolge als sein Vorbild. Wie ver Auch über die Lauesten war das Fieber gekommen, mitzuernten schlagen er dabei zu Werte ging, fonnten die meisten von bei dem reichen Goldregen, der unter Teßmer's Leitung über Teßmer's Verwaltern bestätigen, die er durch Gelddarlehne Senten niederzugehen versprach. geschickt an fich zog. Auch äußerlich topirte er gern seinen
Unter den 25-30 Männern, die das in Licht gebadete Rivalen. Gesellschaftszimmer der Teßmer'schen Villa füllten, herrschte Das Nachäffen der Teßnier'schen Lebensgewohnheiten war eine fieberhafte Erregung. In Gruppen, genau nach der bei ihm zu einer Manie geworden, die freilich fomisch wirken Größe des Geldsacks gesondert, standen die alten und jungen mußte, da er immer nur der vollkommen ungebildete Bauer Bauern beisammen, bereits heftig und leidenschaftlich das blieb, der bei aller Pfiffigkeit doch nie jenes feine AnpassungsProjekt diskutirend. Der größte Kreis gruppirte sich um den vermögen besaß, dem Teßmer seine Karriere verdankte. Herrn des Hauses, der, mit dem Rücken gegen ein Fenster gelehnt, ruhig aber eindringlich in die Zuhörer einsprach.
Auch Teßmer hatte nur eine ganz dürftige Schulbildung genossen; aber sein Lebensgang hatte ihm die Bose klar