gemacht, in der er sich zeigen nmßte, um seine Unwissenheit zu verhüllen. In Teßmer's Villa war alles bis ins kleinste ge- schmackvoll, gediegen und unaufdringlich. Steimg's im Villen- styl gebautes Wohnhaus glich im Innern einer Kaufbude, wo alles in die Augen fallend zur Schau gestellt war, um die Bewunderung des Beschauers herauszufordern. Die Zustimmungserklärungen dieser drei gewichtigen Per- sönlichkeiten waren für Teßmer ein halber Erfolg. Kaum waren sie bekannt geworden, als die kleineren Besitzer, voll Angst, womöglich beiseite geschoben zu werden, Teßmer mit ihren Beitrittserklärungen geradezu in Verlegenheit setzten. „Aber, lieber Freund," wandte sich Teßmer an den Bauer Wegner,„die Sache kostet viel Geld, und die Wirthschaft wird durch den Rübenbau sehr kostspielig". Es war bekannt, daß Wegner tief verschuldet und sicher das nächste Opfer der Steinig'schen Menschenfreundlichkeit war. Das geröthete bartlose Gesicht des Angeredeten färbte sich noch einige Töne dunkler, als er sein:„O, das Geld, Herr Teßmer, schaffe ich schon!" hervorstotterte. Anders lag die Sache bei deni Kleinbauer Mündt, dem Nachbar Wegner's in Hogwitz. Mündt hatte wenig Schulden, gönnte sich sammt seiner Familie kaum das Nothwendigste zum Leben und arbeitete wie ein Lastthier. Es hieß sogar, daß er jährlich noch einige Hundert Mark zurücklege. Au sein Anerbieten hatte Teßmer daher auch ein sehr leutseliges: „So ist's recht, lieber Freund!" Im gründe genommen frug Teßmer auch gar nichts nach dem Beitritt der kleinen Bauern. Er wußte viel zu gut, daß die paar tausend Zentner Rüben, welche diese Leute in die Fabrik liefern konnten, auf das Gedeihen des Unternehmens ganz ohne Einfluß waren. Aber er ver- folgte andere Pläne.„Kleinvieh macht auch Mist", dachte er; wobei er im Auge hatte, daß die Kleinbauern sich bei dem neuen Unternehmen gehörig hineinreiten würden, und er früher oder später ihr kleines Besitzthum nebst den Fabrikantheilen um so leichter an sich bringen könnte. Er hatte Erfahrung darin, denn er hatte bisher schon ein halbes Dutzend dieser Gütchen aufgekauft. Dann aber brauchte er die Sympathien dieser Bevölkerungs- schicht für seine in Aussicht genommene politische Laufbahn. Sein Interesse an dem Wohlergehen der kleinen Landwirthe sollte dereinst unter Beweis gestellt werden können. Wenn sie durch Betheiligung an seinem neuen Unternehmen ihr wirth- fchaftliches Ende erst recht beschleunigten, so war das nicht seine Schuld. Er hatte es gut gemeint; auf ihn sollte die Welt keinen Stein werfen. Dies waren Teßmer's Gedanken, während er im Zimmer von Gruppe zu Gruppe eilte und freundliche Worte und herzliche Händedrücke mit den freudig erregten Bauern austauschte. Seine stattliche Gestalt reckte sich höher, über sein fleischiges, aber scharf gezeichnetes Gesicht, das ein starker, leicht ergrauter Vollbarl umrahmte, flog ein triumphirendes Lächeln, als er jetzt mit seinen grauen, listig funkelnden Augen das erregte Gewimmel um sich herum betrachtete. Diese durch Gewinn- sucht, Geiz und vertrauensselige Hoffnungen aufgestachelte Heerde folgte ihm blindlings, das fühlte er. Die Frauen und Töchter der Geladenen erwarteten in-, zwischen plaudernd und ungeduldig die Aufforderung zum Diner. „Zu Tische, meine Damen und Herren? Zu Tische!" tönte endlich Teßmer's Stimme durch das allgemeine, lärmende Durcheinander. Nur langsam, unter fortwährendem Hin- und Herreden lösten sich die Gruppen und strömten nach dem Speisesaale, der für diese große Anzahl von Gästen allerdings etwas zu klein schien. Die Enge bei Tische that indessen der guten Laune keinen Abbruch, schien im Gegentheil die allseitige Erregung noch zu erhöhen. Man aß und trank mit dem Bewußtsein, etwas ganz Besonderes vor sich zu haben, ohne aber recht zu wissen, was; die erwartungsvolle Spannung, die in der Lust lag, hatte jedes körperliche. Empfinden abgestumpft. Der Lärm wuchs von Minute zu Minute. Der Wein begann den Leuten zu Kopfe zu steigen. Die Männer lachten, schwatzten und schrien wie in der Schenke. Die Frauen gaben lebhast die immer derber werdenden Späße zurück. Teßmer war überall, trank jedem zu und hatte vor allem für die meisten seiner weiblichen Gäste ein scherzendes und unterhaltendes Wort, während seine Frau, eine kleine, untersetzte Person mit hübschen, durch eine geröthete Nase etwas entstellten Gesichtszügen, nur wenig aus den Schranken einer vornehmen Reserve heraustrat. Teßmer's derbe Art, den verlegenen Bauernfrauen den Hof zu machen, schien sogar ihr höchstes Mißfallen zu erregen. Um so lebhafter unterhielt sich ihre Schwester, Frau Pastor Kleinschmidt, mit den Männern und Frauen ihrer Umgebung. Ihr großer Kopf mit dem weichen schwarzen Haar und dem aschgrauen Gesicht neigte sich bald nach rechts, bald nach links. Ihr Mann saß schweigend und, wie es schien, unendlich gelangweilt neben ihr. Pastor Kleinschmidt war ein hagerer, blasser Mann mit vollständig ergrautem Haar, das ihm bis auf die Schultern fiel. Die zurückhaltende, fast abstoßende Art, in der er mit seinen Pfarrkindern verkehrte, hatte ihm wenig Freunde erworben. Sein Verkehr beschränkte sich meist auf die Familie seines Schwagers Teßmer. Er sah in seinem Amte nichts als ein bloßes Geschäft, erledigte seine Obliegen- heiten mit einer dementsprechenden Kürze und Kälte und hatte nur eine Leidenschaft: eine Partie Skat. Er hatte in seinem Leben keinem Menschen Böses oder Gutes gethan, war in seinem Verhalten stets streng korrekt und auf seinen Vortheil bedacht. Trat er einmal öffentlich auf, gab er sich durchaus orthodox. Alles an ihm war nüchtern, kalt und zurückhaltend. Beim Dessert klopfte der Pastor an sein Glas und begann unter lautloser Stille: „Meine lieben Freunde! Das frohe Fest, das wir heut begehen, ist so recht ein Beweis, wie reich Gottes Segen aus der Arbeit meines theueren Schwagers geruht hat. Sie alle wissen, wie schwer es ihm geworden ist, sich aus seinen recht ärmlichen Verhältnissen zu der jetzigen Höhe empor zu arbeiten. Aber was wäre Menschenarbeit ohne des Herrn Hilfe gewesen? Ihm verdankt er in erster Reihe sein Glück und dann seinem Gottvertrauen in allen Stunden der Drangsal und der Ungewißheit. Möge ihm dieses Gottvertrauen auch ferner erhalten bleiben; möge Gottes Segen auch weiter auf seiner Arbeit ruhen und auf allen seinen Unternehmungen! Das wünsche ich und gewiß auch Ihr alle, meine Freunde. In diesem Sinne bitte ich Sie, Ihre Gläser mit mir zu leeren aus das Blühen und Gedeihen des Hauses Teßmer und des Jubelkindes, der Louisengrube!" Der Aufforderung des Pastors wurde mit Begeisterung Folge geleistet. Kaum hatte sich der Beifallssturm ein wenig gelegt, als sich Teßmer erhob und feierlich an sein Glas klopfte. „Meine Damen und Herren! Tief ergriffen nehme ich das Wort, um Ihnen zu danken für die aufrichtigen Beweise Ihrer Freundschaft und Zuneigung, die Sie mir heute gegeben haben. Aber, wie mein lieber Schwager schon sagte, die Ehre des heutigen Tages gebührt in erster Linie dem Herrn, der meine schwachen Werke so segensreich unterstützt hat. Im Vertrauen auf ihn will ich auch weiter wirken zum Wohle meiner Mitbrüder. Die Zeiten sind ernst, und wir haben alle schwer zu kämpfen gegen die neuen Ver- Hältnisse, welche die Welt auf den Kopf stellen möchten. Wir Landwirthe wissen am besten, wie schwer die neuen Zeiten aus uns lasten. Die Tage des ruhigen, friedlichen Lebens sind für uns vorüber; die Roth pocht an unsere Thür, und bei Zeiten gilt es, Vorkehrungen zu treffen, daß sie nicht Emgang findet. Die Getreide- preise sinken zusehends; Fleisch, Milch und Butter werden immer billiger. Was soll da besonders der kleine Landwirth anfangen! Leider können wir die amerikanische Konkurrenz nicht aufheben, ebenso nicht die mächtigen Verkehrswege verstopfen, durch die uns diese Konkurrenz immer mehr auf den Leib rückt. Aber wir Bauern sind ein zähes Volk; so leicht wollen wir uns nicht unterkriegen lassen, und wenn wir eine Mauer nicht umreißen können, dann weichen wir ihr eben aus. Ja, meine Freunde, es giebt, Gott ei Dank, noch ein Mittel, der Schundkonkurrenz durch das ausländische Getreide aus dem Wege zu gehen. Kurz, meine Herren, bauen wir Zuckerrüben! Viele Landwirthe haben sich damit schon geholfen; in nächster Nähe haben wir ja Rübenbaucr; ich selbst gehöre zu ihnen und muß sagen, daß ich gut dabei gefahren bin. Aber auch das Wohl meiner Nachbarn liegt mir am Herzen. Auch Sie sollen Rüben bauen, meine Herren, und Sie werden Rüben >, wenn Sie wollen, wenn wir erst eine neue Zuckerfabrik !" (Fortsetzung folgt.)
Ausgabe
14 (1.9.1897) 171
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