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Bahnhöfe 7,87 Millionen M., Betriebsmittel 2,4 Millionen M., I ein. Mit gefenklem Kopf trottet der Gaul weiter. Um die Ecke Kosten der Bauleitung über 2 Millionen M. und etwa 1,9 Mill. M. tönt das Pfeifen eines Bäckerjungen; vom anderen Straßenende für außerordentliche Anlagen, Zinsen 2c. tommt ein Milchwagen angerasselt. Seine Laterne leuchtet matt.

Seit dem Jahre 1886 dient die Stadtbahn des Nachts auch für Die grauschwarze Stille ist inzwischen einer graublauen Dämmerung den Güterverkehr und durch den Anschluß der Zentral- Markthalle gewichen, die auch die Sterne ausgelöscht hat... am Bahnhof Alexanderplatz   auch zur Versorgung der Weltstadt mit Lebensmitteln.

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Von den 597 Bogenräumen der Stadtbahn sind 105 verschiedenen Interessenten anliegenden Grundstücksbesitzern, Stromfistus, Steuerfistus und Thiergarten Verwaltung unentgeltlich über laffen. Die übrigen Bogenräume sind mehr und mehr für Privat zwecke gemiethet worden. Während im Jahre 1882 nur 58 Bogen vermiethet und noch 395 unvermiethet waren, tamen im Jahre 1890 auf 318 vermiethete nur 159 unvermiethete Bogen. Von den 477 zur Vermiethung verfügbaren Stadtbahnbogen des Jahres 1895 brachten 373 vermiethete Bogen eine Einnahme von beinahe 600 000 M.; dagegen betrugen die Einnahmen im ersten Jahre für Vermiethung der Stadtbahnbogen nur 10 600 M.

Literarisches.

Jules Verne  , der Vielgelesene, wird am 8. Februar feinen 70. Geburtstag feiern. Er lebt jetzt in Amiens   mit seiner Familie, die er nur verläßt, um auf seiner Yacht Reisen zu unter­nehmen. Seine Laufbahn begann Jules Verne   als dramatischer Schriftsteller. Der Erfolg seines Werkes Fünf Wochen im Luft­ballon" führte ihn dazu, die neue Gattung der phantastischen Reise in die Literatur einzuführen. Seitdem lieferte er seinem Verleger mit vollkommener Regelmäßigkeit jährlich zweimal, im Frühling und im Herbst, einen Reiseroman. Den Hauptgedanken und den Titel fand er meist beim Lesen von Zeitungen. So gab ihm eine An­fündigung des Reise Unternehmers Cook   die Idee zu" Die Reise um die Welt in achtzig Tagen". Hatte er ein passendes Thema gefunden, so studirte er gründlich das Handbuch der Geographie von Reclus  , und dann floß ihm der Roman leicht aus der Feder. Musik.

Der Verkehr auf der Stadtbahn wurde zur Zeit des Gesetz­entwurfes über die Erbauung dieser Bahn auf etwa fünf Millionen Menschen im Jahre geschäyt; aber schon nach halbjährlichem Be triebe waren 7 315 116 Fahrtarten verkauft. Zuerst betrugen die Fahrpreise 3. Klasse vom Schlesischen Bahnhof   nach Alexanderplat 10 Pf., nach Friedrichstraße 20 Pf., nach Zoologischer Garten 30 Pf. -er- Konzerte und Theater. Die Damen Anna und nach Charlottenburg   40 Pf; bei Benutzung der 2. Klasse stellte sich der Fahrpreis je um 10 Pf. höher. Aber schon im Jahre 1886 Ia au und Chales de Beaulieu   find Mezzosopranistinnen mußte ein neuer Tarif eingeführt werden. Jetzt betrug z. B. der mit einem Mittelmaß ſtimmlicher Begabung, gesanglichen Könnens Preis für die Benutzung der Stadtbahn vom Schlesischen Bahnhof   und individualisirender Vortragskunst. Der Möglichkeit, eine vielleicht bis Bellevue 20 Pf. und bis Charlottenburg 30 Pf. Die Mehr- echte und innige Empfindung auf den Hörer zu übertragen, stehen einnahmen betrugen gleich im ersten Jahre dieser Preisermäßigung bald mangelnder Wohllaut und allzuenge Grenzen des Stimm­umfanges, bald technische Gebrechen der Vokalisation und 387 522. Am 1. Januar des Jahres 1890 wurde alsdann der Man kann die Art, wie Fräulein heute noch bestehende Fünfstationentaris" eingeführt. Wenngleich Blaauw einige volksliederartige holländische Kleinigkeiten mit reizvoller dynamischen Abstufung entgegen. dieser Tarif zur Zeit der Einführung unzweifelhaft ein Fortschritt Sinnigkeit wiedergab, liebenswürdig und sympathisch finden, aber war, so ist er heute vollkommen unhaltbar geworden. Sind bisher die berechtigten Wünsche und Beschwerden des Publikums von der will sie die Tragödie der Dolorosa" Gefänge Jensen's ausschöpfen, dann versagen eben Liebenswürdigkeit und Sympathie. Herr H. Beyer Verwaltung der Stadtbahn bezüglich des Fahrpreises und ver schiedener anderer Einrichtungen nicht beachtet worden, so dürfte die wirkte mit einigen füßen" Cellovorträgen mit; man hörte mehr die Konkurrenz der elektrischen Hochbahn und ähnlicher Unternehmungen übliche Klangfprache des Juftrumentes, als was uns Herr Beyer endlich das erzwingen, was das Publikum mit seinen vielen Beti felbft zu sagen weiß. tionen und Protesten nicht zu erreichen vermochte.-

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Kleines Feuilleton.

pmg.

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Der Pariser   Pianistin Jeanne Riß Arbeau dünkt aller Kunst Anfang und Ende die Virtuosität der Handgelenke. Sie fümmert sich nicht viel, ob sie eine gemüthstiefe Sonate von Beethoven   oder eine leichthin spielende Etüde von Rubinstein aus­führt, alles, was an Geist und Empfindung in einer Arbeit ruht, geht da in einem, durch fortwährenden Bedalgebrauch gestalten­los wogenden Tonchaos unter. Wohl gab es in einigen Chopin­Vorträgen Augenblicke, wo Einem plötzlich fein cifelirte und tonlich flare Perioden geradezu eine ganz andere, fast phantafievolle Klavierspielerin hören ließen, aber nur zu bald fiel die technische eßjagd mit allem Ungestüm wieder ein und verscheuchte alle guten

Geister!

devot

der Ge Nur fällt

aus:

aus Nichts

h. d. Tas criachende Berlin  . In Berlin   W. Der fternbetupfte Himmel spannt sich mondlos über die Villen aus. Am Ende der Straße erlöschen die letzten Laternen. Eine graufchwarze Stille. Durch die Rißen eines Fensterladens zwängen sich rosige Lichtstrahlen. Ein Schatten hufcht an den Vorgartengittern entlang. In dem kleinen, dünnen Lichtkreis, den die Strahlen aus dem Fensterladen auf das Pflaster malen, bleibt er stehen. Er sieht aus wie ein Lumpenbündel, über das ein altes Tuch geworfen worden ist. Das Tuch wird auseinandergeschlagen: Eine gebückte Frau, der In einem populären Konzert des philharmonischen einige Strähnen ihres grauen, spärlichen Haares in das übernächtigte, Orchesters fam eine neue symphonische Dichtung von P. Ertel: von Sorgen zerfressene Gesicht fallen. In der einen Hand hält sie Maria Stuart  " zur Aufführung, welche von dem Können, dem eine fleine Blendlaterne, deren Glasscheiben zersprungen sind. Sie Fleiße und der Belesenheit des Herrn ein beachtenswerthes Zeugniß leuchtet hinein in den grauen Weintraubenforb, den sie am andern ablegte. Es ist sehr schwer, in einer modernen Komposition( Herr Arm trägt. Er ist vollgepackt mit zusammengelegten Zeitungen. Ertel sagt in dem programmatischen Vorwurf fogar, er huldige Die Frau stelt den Korb auf den Steinrand des Borgartengitters, durchaus naturalistischen" Prinzipien) weder vor dem Instru­nimmt eine Zeitung heraus und zieht au dem blankgeputzten Knopf mentirungsraffinement der Jungitaliener noch vor Nach einer Minute dantenwucht Wagner's eine Verbeugung zu machen. des Klingelzuges. Ein schrilles Klingeln.. Verbeugung des Herrn Ertel zieht sie nochmals an dem blaufgeputzten Knopf. Endlich öffnet sich die Verbeugung im Erdgeschoß der Villa ein Fensterflügel. Die Thür springt auf dem erlaubten Gruße wird ein förmlicher Kniefall. und die Zeitungsfrau schlürft bis an das geöffnete Fenster: Morjen!" destoweniger verdienten die Orcheftertechnik, die dramatischen Schläfrig stöhnend antwortet der Mann im Fenster:" Morjen!" Akzente und der gute Sinn für melodische Gedanken, welche in dieser Er schließt die müden Augen vor dem grellen Schein der Blend: Maria Stuart  " sich zu einem verheißungsvollen Ganzen vereinigen, laterne, greift mit unsicherer Hand nach der Zeitung und schließt die lebhajte Anerkennung des Publikums. Die Zukunft wird wohl dann wieder das Fenster, es mit einigen Fauftschlägen verriegelnd. zeigen, was in Ertel an eigenster Musik ruht. Die Frau schlürft hinaus, nimmt ihren Korb auf und wirst ihr Tuch über die Blendlaterne. Wie ein Schatten huscht sie am Vorgarten gitter weiter und verschwindet um die Ecke. Es ist wieder still. Erst nach längerer Zeit bohrt sich leise klirrend ein Schlüssel von innen in die Hausthür. Sie wird langsam aufgeschoben. Ein junges Mädchen drängt sich durch die schmale Spalte:" Na, adje!" Komm gut nach Hause!" flüstert ihr eine männliche Stimme nach. Danke adje!" antwortet sie mit vertraulichem Lächeln. Auf den Spigen ihrer Lackschuhe trippelt sie leise nach der Gitterthür, drückt die eiserne Klinke hinunter und schiebt sich hinaus. Ihr weiter, pelzverbrämter Abendmantel zieht sich auseinander. Ihre grellen, übermodischen Kleider leuchten hervor. Sie zieht den Mantel fröstelud zusammen und schlägt den Pelzfragen hoch, sodaß nur wenig von ihrem bleichen Gesicht zu sehen ist, das ein hoher, federgeschmückter Hut beschattet. Ihre kleinen Schritte flappen leichtsinnig auf dem Pflaster.

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Blößlich kommt müdes Pferdegetrappel näher. Das Mädchen bleibt stehen und sieht der Droschte nach, die vor der Villa hält, aus der es eben herausgekommen ist, und in der im selben Augen­blick das rosa Licht hinter den Fensterladen erlischt. Ein Mann flettert aus der Droschke. Als er in den Schein der Droschkenlaterne tritt, erkennt das Mädchen einen alten Herrn in ihm. Er geht müde taumelnd in das Haus. Der Droschkentutscher peitscht sein Pferd, das nicht mehr anziehen will. Das Mädchen ruft ihn an und steigt

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Im Linden Theater ist mit dem 9. Abend der Darstellung der Schönen Helena  " der Offenbach  - Zyklus an sein Ende ge­langt. Fast verwunderlich wäre es gewesen, wenn in dem Parodies spiegel der Meilhac und Halevy   nicht die homerische Heroenwelt er­schienen wäre. Und dann das berühmte Dreieck der Ehe, welches ja in Menelaus   Helena Paris seinen klassischen Ausdruck gefunden! Was das Genre Offenbach   an dauerndem Werthe besitzt, die melo­dische Ueberfülle, die Grazie des orchestralen Ausdrucks, der uner­schöpfliche Wiz und die scharfe Witterung für pathetische, großopern= hafte Karrikatur, die mustergiltige Stimmbehandlung und unendliche Einfachheit des harmonischen Baues alle diese, heute fast verlorenen Eigenschaften der an die Opera comique fich an­lehnenden Operette finden sich in der Schönen Helena" zufammen. Mag die Zeit der Frische des Librettos viel an Wiz genommen haben, die Musik blieb unverwelkt in ihrer reichen Phantasie. Für die Titelrolle war diesmal Frau Petterson. Norrie, eine Dänin, zu Gaste geladen, eine feine Schauspielerin mit verblühter Stimme. Man staunte mehr, wie geschickt sie sich half, als daß man über das in der Höhe ganz verklungene Organ besonders erfreut gewesen. Im Spiel gab es manche Züge einer eigenartigen finnlichen Schelmerei. Herrn Steiner( Paris  ) schien Indisposition eine sehr diskrete Behandlung seines Kehlkopfes auf­zuerlegen; er ließ nur vielfach abgestufte piano Martirtöne hören. Schauspielerisch tehrte der Sänger stets den Schafhirten" heraus.

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