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Und während diese schon seit mehreren Stunden das Bett ver- thränenfelige Sentimentalität das Repertoire der Vorstadt Theater laffen haben und dem Kampfe ums tägliche Brot entgegeneilen, beherrschen.

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figen in dem Café, vor dem die Droschten halten, noch einige Das Bellealliance- Theater vor dem Halle'schen Thore hat unter Gruppen, die die nächtliche Ruhe zu hassen scheinen. Die Fenster der neuen Direktion, die mit einem literarischen Versuche begann des Lotales find das einzige Helle in den todten, dunklen Straßen- und Gustav Freytag's   Kunz von der Rosen  " aufführte, von Zeit zu zügen, in denen nur noch die Hälfte der Laternen brennt. Der Zeit den Ehrgeiz, nicht mit den übrigen Theatern vor den Thoren Himmel ift frostig klar, doch ist er mondlos, und die schwach zusammengefoppelt zu werden. Am Mittwoch wurde dort ein glitzernden Sterntupfen auf dem dunklen Grunde durchdringen die russischer Dramatiker eingeführt. Es ist Fürst Sumbatoff, Schatten der Großstadt nicht. Schauspieler in Moskau  . Er foll als Schriftsteller in

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Ab und zu schreckt einer der Droschkentutscher auf aus seinem Rußland   etwas gelten. Nach der Probe, die wir in Drufeln und blickt hinüber nach dem Zokal. Die Gäste sißen immer seinem Drama Im Dienst" zu tosten bekamen, wohl noch um die Tische. Einige lehnen hintenüber, andere haben die nicht viel. Nach dieser Probe ist er ein Bühnen Schrift­Arme um die Schultern der neben ihnen sigenden Damen gelegt. fteller, wie wir ihrer übergenug haben. Sein Wert tann kaum Hier und dort scheint die Unterhaltung an stocken, einzelne nicken als Ausdruck spezifisch russischen Geistes gelten. Man fragt sich, auf ihren Stühlen ein. Die eleganten Frisuren der Damen find warum es Eugen Babel für die deutsche Bühne bearbeitete. Das zerzauft und unordentlich geworden. Die weißen Ballhandschuhe Stück spielt zur Zeit des Krimkrieges. Wenn es einzelne besondere find schmutzig und schweißig. Zwischen den halb gefüllten Bier- Charakterzüge aufweist, so treffen sie das Leben des russisch- junker­bechern und geleerten Kaffeetassen liegen Fächer und zerdrückte lichen Offiziers von damals. Da ist ein Garde Offizier Graf Blumensträußchen. Ueber die Stühle sind Kopftücher geworfen. Beloborsky. Der hat einmal ein kleines Fest für Kameraden gegeben Einzelne Paare flüstern zart- heimlich miteinander, andere starren und allerhand bürgerliche Frauen dazu geladen. Unter anderen das ftumm, mit übermüden Augen vor sich hin. Weib eines Brantweinpächters. Der schmutzige Branntweinpächter erfuhr von der Ehre, die seinem Haus widerfahren. Vielleicht ein Jüdlein. Der Mann wurde eifersüchtig war's gar mur und wild; da nahm ihn der gnädige Herr Graf   an eine Pferde­leine und ließ ihn im Kreise herumbopsen. Wurde er müde, dann tlatfchte sein junges, hübsches Weibchen in die Hände und rief in ihrer Ausgelassenheit: Schneller spring', Pferdchen, schneller! Man amüsirt sich eben in Rußland  , wie man kann.

Die Kellner haben in den Ecken des Lokales schon die Stühle hochgestellt. Der Bahlkellner steht abseits an einem Tische und berechnet die Tageseinnahme. Mit den Händen fährt er in die Tasche und holt das Geld heraus, schüttet es in einen Haufen auf und zählt es ab. Das Buffetmädchen zählt die Gebäcke nach, mit matten Geberden. Die Kellner stehen mit schlaffen Gliedern an den Wänden. Ihre blaffen, übernächtigen Gefichter erhalten durch die bleichenden Wand­spiegel einen todtähnlichen Schein. Mehrere Herren kommen die schmale Treppe von den Billardsälen herab. Sie gehen, mit bier­heiferen Stimmen lant sprechend, an den anderen Gästen vorüber. Die Droschkentutscher richten sich empor. Ihr Lachen und Sprechen durchdringt laut die todten Straßen.

Ein Haus weiter raffelt ein Rolladen empor. Im Ladenraum, in dem nur eine Lampe brennt, gähnt und reckt sich die Bäckerfrau. Dann zählt sie die kleinen Brötchen ab, aus einem großen Korb in mehrere fleine.

Und die Droschkenkutscher warten weiter auf die Gäfte...

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In diese Perle von einem Grafen verliebt sich die Tochter eines höheren Beamten; das arme Kind lebt in jenem glänzenden Elend, das mittellofe Beamtentöchter so oft durchkosten müssen. Der junter­fiche Offizier liebt Wera auch, nach seiner Weise. Vor der Ghe entsetzt er sich. Tief verwundet reicht Wera dem alternden, grautöpfigen Oltyn ihre Hand, einem rauhen, aber wackeren Obersten, dem sie in den Kaukasus   zur Armee folgt. Zwei Jahre lebt sie so, nicht glücklich, aber ruhig, an der Seite eines Mannes, den sie hoch schäßt, aber nicht liebt. Da fommt Graf Beloborsky nach dem Kaukasus   und zerstört ihren Frieden. Den Höhepunkt erreicht das Drama in dem Konflikt zwischen der Soldatenpflicht und dem menschlichen Unglück, das den Obersten trifft. In seiner Gattenehre ist er schwer ver­wundet; allein der Dienst rust, es heißt überwinden. Schamyl, der Tscherkessenführer, rückt nach der Festung heran, Oberst Oltyn fällt im Dienst; nun will Beloborsky gutmachen, und die Wittwe Wera zum Weib nehmen. Sie erbittet sich Bedenkzeit. So endet das Drama. Fürst Sumbatoff mag den Grafen Beloborsky für einen wilden Jungen halten, der eben mehr dreift als gemein ist. Ein Nichtrusse wird den Junker für ein wüftes, verwildertes Thier Zart und nicht balten, und damit fällt alle Theilnahme fort.

Geographisches.

Barbarische Strafen auf den Antillen. Aus Kopenhagen  wird geschrieben: Die Aufführung eines Theaterstückes Der weft indische Soldat", ist von der Zenfur verboten worden, weil der Ver­faffer, Hendrik Cavling, die auf den dänisch  - westindischen Inseln noch herrschende Prügelstrafe in diesem Stücke vorkommen läßt. Cavling unternahm vor einigen Jahren eine Reise nach den dänisch­westindischen Inseln, um die dortigen Verhältnisse kennen zu lernen. Er schildert den Hergang der Prügelstrafe auf folgende Weise: Der Soldat, der sich einer groben Insubordination schuldig gemacht hat, wird mit einem spanischen   Rohr auf den bloßen Rücken bestraft. unsympathisch war Frl. Nilasson in der Rolle der Wera; ziem Das brutale Schauspiel wird vor der Front der Kompagnie lich farblos blieb Herr Dröscher als Graf Beloborsky. Das ausgeführt. Der Unglückliche wird einem Unter- Publikum war beifallsluflig.- offizier ergliffen, während ein Sergeant ihn mit einem drei Fuß langen spanischen   Rohre, dessen Ende mit starken Tauen um­wickelt ist, auf den Rücken schlägt. Zwischen jedem Hiebe wird dem Soldaten Zeit gegeben zum Athmen. Nach Ausführung der Strafe befindet der Unglückliche sich in einer schrecklichen Verfassung. Der Rücken bildet eine blutige Maffe. In bewußtlosem Zustande wird der Mann ins Hospital geführt. Auch eine andere barbarische Straße, die Knebelstrafe", wird noch gegen die Soldaten im dänisch­westindischen Heere angewandt. Ein runder Stock, au dessen Enden eine Schnur angebracht ist, wird dem Soldaten in den Mund ge fteckt. Die Schnur wird um den Nacken gelegt und dann der Stock herumgedreht, bis die Schnur so gespannt ist, daß die Zähne sich lösen und das Blut aus dem Munde herausfließt. In dieser Pein liegt der Soldat mehrere Stunden auf einer harten Bank, und wenn er endlich befreit wird, ist er so erschöpft, daß er keinen Laut von fich geben kann.

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Theater.

t. Ein verschwindender See. Der große Rikwa- oder Leopoldsee in Innerafrika, östlich vom Südende des Tanganjikafee's auf deutschem Gebiet gelegen, welcher schon auf den letzten Karten eine ziemlich willkürliche Begrenzung zeigt, wird in furzer Zeit wahrscheinlich von dem Erdboden verschwunden sein. Langheld, der Leiter der deutschen Station in Tabora   unter dem fünften Breiten­grad südlich des Aequators  , brachte von seiner Durchquerung der Gebiete von Unjamwesi, Ukonongo und Ufipa die Nachricht mit, daß der Leopoldsee schon jetzt fast vollkommen verschwunden ist. An der Stelle des früheren See's dehnt sich jetzt eine sehr waldreiche Steppe aus, die sich nur während der Regenzeit noch mit Wasser bedeckt und dann unüberschreitbar wird. Die umwohnenden Eingeborenen gaben an, daß die Austrocknung des See's in dem einen Jahre 1891 fast vollständig erfolgt wäre, es blieben nur eine Lagune von etwa 259 Quadratkilometer Oberfläche an dem Nordende bei Utia und

einige ziemlich ausgedehnte Sümpfe im Südosten übrig.

Aus dem Thierreiche.

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- Bellealliance Theater. Wenn über die Theater vor den Thoren jemals ein abschließendes Urtheil gefällt werden sollte, es müßte ein Verdammungsspruch werden. Es verhält sich damit genau, wie mit dem bösen Kolportageroman; und das Empörende Das Glühwürmchen. Seit der Entdeckung der ist, daß die Presse gegen die Erbärmlichkeit nur milde vorgeht oder Röntgen'schen Strahlen hat dieser merkwürdige fleine Laternenträger sie nicht beachtet. Es handelt sich ja nur um Arme- Leute- Kunst" die Aufmerksamkeit der Naturforscher wieder mehr auf sich gezogen, und da mag's denn drunter und drüber gehen. Grausame Sensation denn es wurde entdeckt, daß das Licht des Glühwürmchens ebenso mit billigsten Mitteln, dann und wann dicke Loyalität oder senti. wie die Röntgen'schen Strahlen durch undurchfichtige Körper auf mentaler Lokalpatriotismus, feltener schon ein bischen soziale die photographische Platte zu wirken im stande ist. Einige glauben Verbrämung, aber recht spießbürgerlich vorgetragen, das ist deshalb, daß die Strahlen des Glühwürmchens thatsächlich das Um und Auf vorstädtischen Theaterwesens. Die ridesten Röntgen'sche Strahlen sind oder wenigstens solche enthalten, obgleich Schnelldichter kommen dort zum Wort; und mich wundert es, daß diese bekanntlich für das menschliche Auge unter gewöhnlichen Um das Drama der Luftdirne Rosa Bento, die sich ihrer Beziehungen ständen unsichtbar sind. Der französische   Forscher de Fonvielle ist zum jungen Serbenfürsten rühmte, und an die sich eine Verbrecher- fogar der Meinung, daß auch das Glühen der Infusorien bande von Revolverjournalisten fettete, noch keinen der Herren Schnell- und Mollusken, dem das Meeresleuchten zuzuschreiben ist, Das Glühwürmchen dichter begeistert hat. Der Roman des bestialischen Mädchenmörders ebenfalls Röntgen'sche Strahlen enthält. und Rittmeisters Boitscheff aus Sofia   wurde ja seinerzeit für eines muß schon aus dem Grunde Aufmerksamkeit erregen, weil der Theater, in dem vormals der Scharfrichter Krauts in eigener feine Leuchtkraft ganz bedeutend sein muß, man bei Person auftreten durfte, fofort fofort ausgeschlachtet. Wir dürfen dem Scheine eines einzigen dieser Thierchen selbst kleine Schrift uns trösten: Es sieht anderswo nicht viel beffer aus. Ueber gut lefen kann. Früher glaubte man, daß die Glühwürmchen ledig­die Verwilderung des Londoner Vorstadt Theaters ist fein lich phosphoreszirende Thiere wären, die Nachts den Lichtvorrath, Wort zu verlieren; und in Paris   soll zur Zeit die zähflüffige, den sie tagsüber aufgenommen haben, wieder ausstrahlen. Dies ist

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