- 82 Geheizt war nicht, und ein etwas modriger Geruch mischte sich mit der kalten Luft. Das todtenblasse verwelkte Gesicht und die abfolute Gewaltherrschaft find so sehr die Feinde der luftigen das vertragene Hauskleid nicht mehr das neue blaue Küchen­Kleidchen von gestern paßten hier wohl her, ganz gewiß aber nicht der wundervolle englische Anzug des Bräutigams und seine tadellosen Handschuhe.

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Natürlich begriff er sofort alles, was geschehen sein mußte, das war nicht schwer. Er sah so verstört aus, daß in der armen Klara ein unendliches Mitleid jäh aufblitte. Sie hatte ganz ruhig und starr sein wollen, ihm alles auseinanders setzen und die Hand zum Abschied reichen nun lag sie in seinen Armen und zitterte und weinte.

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Er seinerseits nahm das als natürlich und selbstverständ­lich hin und machte keinen Versuch, sie zu beruhigen. Auf feiner Stirn stand der Angstschweiß, und in vielen rasch sich kreuzenden Gedanken überlegte er, was nun sei und nun kommen werde. Er war so aufgeregt und zitternd, daß er nach einem Halt suchte und sich niedersehen mußte. Da tam es über Klara wie ein großer unbeugsamer Entschluß.

" Ich habe Dir Treue geschworen, Richard, ich lasse Dich nicht. Mag da fommen was will.":

Sie hielt seine beiden Hände an ihre Bruft gepreßt und stand vor ihm groß und fest und tapfer. This 96( Fortsetzung folgt.)

Sonntagsplandevei.

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Nicht der mächtige Ernst, nicht das große Pathos, nicht einmal Person, als das ängstliche Mißbehagen bei wankenden Gesellschafts­auständen. Wie dies Mißbehagen sich trampfhaft enwickeln tann, zeichnenden Erscheinung beobachten. Der Bildhauer Profeffor Manzel, das durfte man an einer nebensächlichen, aber doch sehr be Mitglied des Senats der Akademie, durfte nicht als Sachverständiger in dem Prozeß wider den Kladderadatsch" erscheinen.( Manzel war selbst lange Zeit Karrikaturen- Zeichner.) Manzel ist Lehrer an der funstgewerblichen Schule; und nicht einmal als Sachverständiger durfte er sein Zeugniß ablegen. Die vorgesetzte Behörde verbot es. Wie leicht fonnte Manzel für die luftige Person aussagen, er, ein Mann in Amt und Würden! Und das geschieht im Bereich des Ministers für den freien Geist! Wenn er doch dies Wort nicht gesprochen hätte! Es paßt so schlecht zu dem Geiste, der selbst den Schalk verfolgt und haßt.

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Uns allen aber thäte heutzutage das befreiende Lachen so wohl! Denn bitterböse wird die Wirklichkeit und sie erschafft sich die härtesten Kontraste, die man sich denken kann. In dem herrlichen Venedig , dem Märchengebilde aus Stein, herrscht eben der fraffeste Mangel. Auf dem Markusplat erneut sich allabendlich ein Wunder der Schönheit. Eine Fluth von Licht ergießt sich über herrliche Baläfte, über die Markuskathedrale und das farbenbunte Pflaster man, wie über den Boden eines Prachtsaales schreitet. Hier strömen des plates, über den im Nachwinter und im ersten Frühjahr die Fremden zusammen; bier promenirt man und horcht auf die Klänge der Militärkapelle; ein ewiges Summen und Surren, ein ewiges Flaniren; man meint, der Himmel hänge voller Geigen. Und durch die kleinen Gäßchen an den Kanälen schreitet ein unheimlich fables Gespenst: der nackte Hunger. Er war in den letzten Jahrzehnten immer in Venedig zu Wo es stocksteif und bärbeißig zugeht, da hat die lustige Person Sause; in der Stadt der versinkenden Paläste, an der Stätte Gr wa fich fein gebührlich in eine Ecke zu verstecken. Johannes Trojan , der Redakteur des Kladderadatsch", berief sich nämlich in seinem romantischen Abglanzes vergangener großer Zeit sah man die Nothin hundertfachen Gestalten; und mancher Italien­Prozeß auf das uralte Recht der lustigen Person. Der öffentliche fahrer gerieth außer sich vor Entrüstung, wenn ihm Antläger ließ alles gelten; er rühmte die patriotische Gesinnung, ein bettelndes Mädchen oft einige Minuten lang folgte, und das schriftstellerische Ansehen des Angeklagten; Johannes Trojan sei ihn in dem einförmig- klagenden Tonfall unt ein Almosen ansprach. gewiß nicht rother Gesinnung" verdächtig. Allein die lustige Person Man dente nur, solche Zudringlichkeit! Als ob es wirklich ein mußte doch an den Paragraphen der Majestätsbeleidigung glauben. Bergnügen wäre, durch die Gassen zu jagen, ununterbrochen zu Es ist mit der luftigen Person eine eigenthümliche Sache. Thr Satyrschwant begleitet alle weltgeschichtlichen Vorgänge. Sie hat winseln, um dann und wann einen fupfernen Soldo zu erjagen! In diesem verarmten Venedig nun ist der Brotpreis ganz uns fich an die Heroen und die Mächtigen dieser Erde dreift heran: glaublich gestiegen. Das Kilogramm wurde in den letzten Tagen gewagt; und diese haben sie um so gelaffener gewähren laffen, ie um 54 Centesimi theurer; das Pfund Brot kostet also um rund weniger fie felbft in ihrer Kraft und in ihrem Besitz von ihr zu 20 Pfg. mehr. So schlimm stand es schon lange nicht. Vor fünfzig fürchten hatten. Standen die gesellschaftlichen Zustände fest, ging's auch der luftigen Person gut. Sie durfte helllaut auflachen. Wurde Jahren war Italien vom Freudenrausch befallen. Der ärgfte Beiniger war gezwungen worden, eine Verfassung zu geben. Die politische man reizbar und empfindlich, wie heutzutage jene Gesellschaft ge- Despotie hatte auch wirthschaftlich zerstört. Die kleinstaatlichen Hof­worden ist, die den Majestätsbegriff mit drakonischen Strafen am haltungen verschlangen, das allgemeine Mißtrauen, das zum verwegenſten sichersten zu schützen glaubt, da mußte auch die lustige Person ins Loch. Spitzelsystem auf der einen und zu ewigen geheimen Verschwörungen auf Wo immer menschliche Geistesthätigkeit sich offenbarte, die lustige Berson wollte mit dabei sein. In der Dichtung und Kunst aller der anderen Seite führte, lähmte die wirthschaftlichen Kräfte. Das stolze Italien durfte wieder aufathmen. Und heute nach fünfzig Nationen hat sie ihr festgewurzeltes Grundrecht. Selbst ein so Jahren brennt auf dem Gesellschaftstörper Italiens die fizilianische unpoetisches, fastloses Werk wie das Drama Der Burggraf" von Schmach. In der Provinz, die einstmals die herrlichste war von Josef Lauff , muß ihr dies Recht belaffen. Auch in diesem Drama, allen, ein sonniger Garten und ein üppiges Kornfeld, begegnet man heute das den Fürstenbegriff ins Uebermenschliche steigert, wie neben ihm der tiefsten proletarischen Verkümmerung. Ein ganzes Volf schmachtet faum ein zweites Wert, duldet die böse Gemahlin des Königs Richard im Elend. Und im übrigen Italien regen sich die Hungerfrawalle. Das von Cornwallis die bitteren Wige des luftigen Raths. Sie droht venetianische Friaul ist schon halb entwölfert. Es zerstreut seine ihrem Hofnarren zwar mit der Peitsche; sie läßt ihn aber nicht Leute über halb Europa und entfendet sie als herabdrückende Mit­züchtigen.sic that sodo Als im Mittelalter noch die Kirche sich vollkräftig und sicher bewerber von Arbeitern, die fich schon zu höherer Lebenshaltung fühlte, durfte au gewissen Feiertagen die lustige Person im Innen- emporgerungen haben. Auf die Graubündener Alpen und über die farnischen Berge wird das magere italienische Bich getrieben, um raum der Kirche selber die heiligen Patrone an den Bärten zupfen; in der Fremde die fatte Weide zu finden, die es in der verwüsteten und noch heute erträgt sie gern einen derben Schwank, wo sie das Heimath nicht finden kann. Wer jemals auf einer Berghöhe am Boltsgemüth beherrschen darf. Da las ich jüngst ein Novellenbuch Südabhang der venetianischen Alpen geftanden hat und den eines sehr begabten Sittenschilderers aus Südtirol , Richard Bredenbrücker schreibt. Ju einer dieser Novellen trunkenen Blick über die Gefilde von Bassano bis gegen Venedig diese Ebene sah, hin schweifen ließ, wer wird derzählt, warum Hochwürden dem Anderl immer noch scheint, als sei ein Segen über fie niedergebrochen; man Schwant aus dem Zebet in iet rechichte ist ein ippischer kann die hochaufragenden Glodenthürme, bin Expofitus Aloys Rubeiner hat mitunter begehrlich- schwache Stunden. aus dem Erdboden aufsteigen, nicht mehr zählen und in der Ferne, Das ärgert die Dorfburschen und den Anderl, der vom hochwürdigen wie im blauen Nebel verschwimmend, liegen die Lagunen da, rect Herrn Rubeiner in heillen Angelegenheiten öfter verwendet wird, ganz besonders; und so lauern der Andert und sein Freund den Expositus in finsterer Nacht einmal auf und üben die Kraft ihrer Fäuste an einer Körperstelle des Herrn Rubeiner, wo das Fleisch am stärksten ist. Die Sache ist fatal, und Herr Rubeiner zieht den Anderl ins Vertrauen und verspricht ihm einen Gulden, wenn er ben Thäter ermittelt. Der Anderl ist außerhalb seines Dorfes zur Beichte gegangen, denn am Ende war sein Gewissen schwer bedrückt, aber den Gulden hat er sich nie verdient. Boltsschwänke dieser Art geben von Mlund zu Mund; niemand fühlt sich ernstlich verletzt, niemand nimmt sie übel; und die Klerisei waltet darum trotzdem wie souverän auf den Dörfern im glaubens­ftarken Landel Zirol.

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nd Selbst im starr- autokratischen Rußland durfte Gogol die Posse vom Revisor schreiben; man lacht über die Horde beſtochener Be­amten, man lacht bis zu Thränen in den russischen Komödien­häusern. In den Schulen wird der Revisor gelesen. So feft ge= gründet in ihrer Macht hat sich die herrschende Gesellschaft in Rußland gefühlt, daß sie selbst, die tief getroffen war, ins Gelächter der lustigen Person aufs herzlichste einstimmte. Ob sie's heute noch thäte, wenn heute ein neuer Gogol aufstünde?

vont der es

vers

fich Venedig empor! Man möchte meinen, hier müßte eine ewige Feierlichkeit sein; hier müßte ein Festtag den anderen ablösen; und all dieser berauschende Glanz birgt eine erbärmliche Lüge. Die entsegliche soziale Mißwirthschaft hat grausamn wüstet, und durch die engen Fleete von Venedig schleicht das Hungergespenst; eben da man sich zur neu erwachenden Fremdensaison rüftet, und da die Stadtbehörden von Benedig feine schwereren Sorgen fennen, Sorgen fennen, als die Frage, welches neue Spektakel soll man bieten, als Lockspeise für die Begüterten, " stranieri", für die Reifenden mit gefüllter Börse. Die Mehrheit von ihnen ist doch zu stumpf und zu unwissend, um die Schönheit, wie sie geworden ist, auf sich wirken zu lassen; man muß ihnen ein bengalisches Feuer anzünden, damit sie ihre Augen aufreißen und durch das Mittel der Sensation einen Schimmer des traumhaften Alpha. Baubers erfaffen, der sie umgiebt.

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Kleines Feuilleton.

Wie wachsen die Kinder? Zur Beantwortung dieser Frage wird dem Frk. Generalanz." von einem ärztlichen Mits arbeiter geschrieben: Auf den ersten Blick erscheint es höchst einfach,