Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 38.

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Mittwoch, den 23. Februar.

( Machdruck verboten.)

Alltagsleute.

1898.

jungen Paare bleiben. So ist es denn im Trauermagazin einsam geworden und wenn möglich noch düsterer als früher. Jetzt kommt Aennchen angehüpft und giebt der Mama" Roman von Wilhelm Meyer Förster. einen Kuß, während sie der Tante" nur die Hand Mittlerweile hatten sich in der Beletage am Kurfürsten- reicht. Ueber vierzehn Tage soll Hochzeit sein und dann geht's damm die Gäste versammelt. Die Diener reichten Erweit fort. frischungen, und im Speisezimmer richteten die berühmten Vierundzwanzig Stunden in der Eisenbahn!" Traiteurs Müller und Binder eigenhändig die Tafel her. Richard Sie sagt das mit einem Ausdruck, als ob die Eisenbahn­ging bisweilen hinein, um das Arrangement mit sachverständigem fahrt von vierundzwanzig Stunden der Glanzpunkt ihrer Blicke zu mustern, und Müller und Binder waren über seine Zukunft sei, aber die Tante vergiftet diese Freude durch einen beifälligen Aeußerungen entzückt. furzen Bericht über die Nizzaer Reisequaley. Der Justizrath

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Richard trug Dinertoilette, das heißt genau denselben und Abraham waren ebenfalls zu dem Feste eingeladen, aber Anzug, wie zur Zeit seiner Dienstbarkeit im Genua  ". Und die Anwesenheit der Geheimräthin und ihres ehrenwerthen doch welcher Unterschied in der Erscheinung! Das waren nicht Sohnes machten ihr Erscheinen trotz Aennchens Bitten un­die fehlende Serviette oder die gentlemanlife Frisur oder das möglich. Keinem Menschen in der Welt würde ihr Bapa hente Monokle am Bande oder die Diamanten am Finger, welche so dankbar die Hand gereicht haben, als dem Retter und diesen Unterschied bedingten, auch nicht der keimende Schnurr- Beschüßer seines Aennchens, und sie war gänzlich unglücklich, bart, der zur Zeit der Knechtschaft dem Rasiermesser verfiel. daß der Justizrath ihre Bitte abschlagen mußte. Ueber dem ganzen Menschen lag etwas

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wie soll

Die Erholungsfahrt nach dem sonnigen Süden hatte nicht man sagen: nichts Vornehmeres, aber doch Freieres, Würdigeres, ihm und nicht Abraham geholfen. Als in Lugano   der Brief Erhabeneres. Er nahm jetzt eine falsch gelegte Serviette, Aennchens kam mit der Anzeige ihrer Verlobung, traf ihn die glättete fie und schob sie zurecht. Aber diese einfachen Be- etwas allzurasche Nachricht doch ein wenig hart, aufs höchste wegungen waren nicht mehr die des Oberkellners, sondern des aber war er erstaunt gewesen, als die Mittheilung von der Gentleman. Dergleichen läßt sich nicht wohl beschreiben, man Millionenerbschaft eintraf. An der wäre nun auch er als muß das gesehen haben, um den Unterschied zu begreifen. Gatte Aennchens betheiligt gewesen.

Klara lehnte mitten im Salon in einem Fauteuil und plauderte mit mehreren Herren. Wo ist ihr gedrücktes scheues Wesen geblieben? Sie lächelt, wahrhaftig fie lacht! Sie hat einen Fächer in der Hand und bewegt ihn niedlich hin und her. Ihre Wangen sind förmlich rund und gesund geworden, alles an ihr strahlt, und das weiße prachtvolle Kleid muß jedermanns Neid erwecken. Wenn nicht die guten sanften Augen wären, würden wir unsere Klara vom Planufer oder aus der Borsigstraße nicht wieder erkennen.

Als er aber sechs Wochen später heimkehrte, waren die Enttäuschung und der leise Merger längst verflogen. Er fam als siecher, müder Mann und hätte kein Aennchen mehr zum Altar führen wollen. Fast mehr als sein eigenes Krantjein bekümmerte ihn jetzt Abrahams   augenfälliges Verwelken, und seit Vater und Sohn auf der Reise sich zum ersten Mal eng aneinander geschlossen hatten, war seine einzige Sorge nur noch der Junge. Sie hatten auf dem Monte Generoso   ge­standen, auf den die Bahn den erschöpften Wanderer schnell Jetzt kommt eine dicke Frau in seltsamer Tracht herein hinaufführt. Vor ihnen lag die weite Lombardei  , das ge­mit furzen Röcken, schneeweißen Strümpfen, einem riesigen, fegnete, gelobte Land, die ganze Fülle des schönen, reichen bänderbesetzten Busen und allerhand Firlefanz am Anzuge. Lebens. Die Sonne ging nieder, und die Bergschatten Gie trägt ein kleines, weißgefleidetes Kind im Arme und ist dehnten sich weit und weiter. So schaute auch wohl Moses in dasselbe so wahnsinnig verliebt, daß sie nach der Ent- vom Nebo in das verheißene Land und fühlte, wie die dunklen wöhnung wahrscheinlich an Heimweh nach Richardchen sterben Schwingen des Todes ihm näher zogen. Abraham wird wird. Das tlingt übertrieben, aber es sind ihre eigenen nicht niedersteigen in die grünen Gefilde des Lebens, aber wohl Worte. Hinter ihr geht in Lila mit Valenciennesspigen ihm, daß die Hand des Vaters ihn auf den letzten Pfaden die Geheimräthin, die unter feiner Bedingung von dem stüßen will! Sein junges verwelttes Gesicht ist freundlicher Baby zu entfernen ist. Sie hat heute zum ersten Mal seit geworden. Ein scharfblickendes Auge liest darin wohl schon achtundzwanzig Jahren, das heißt seit dem Tage ihrer Ver- mehr als ein Müdesein, aber die Verwandtschaft ist lediglich heirathung, die Hilfe einer Friseuse in Anspruch genommen verwundert, daß der trockene, langweilige Peter endlich an­und glänzt mit so rubinrothen Wangen, daß in Damen, die fängt, ein wenig aufzuthauen, und Onkel Jakob klopfte ihm sie tennen, ein Verdacht aufsteigt. fürzlich gütig auf die Schulter und sagte: Recht so, mein Junge. Der Mensch kommt nur mit Liebenswürdigkeit durch die Welt, und, apropos, besuche uns doch mal, Deine Konfinen werden sich freuen.

Sämmtliche Anwesende stürzen natürlich auf das Wickel­find zu und tätscheln dasselbe.

Ein glückliches kleines Ding! Es wird nie im Leben von Noth und Armuth hören, ausgenommen vielleicht, wenn feine weichherzige Mama ihm von vergangenen Zeiten einmal erzählt.

Sie freuten sich aber nicht, denn er tam nie.

Einmal noch redete alle Welt oder wenigstens die ganze Bekanntschaft von den Simons, als nämlich der große und bes rühmte Anwalt seine Praxis niederlegte und sich ins Privats leben zurückzog. Er war ein famoser Anwalt gewesen, fattisch, aber der arme Kerl hatte mit seinen Kindern allzuviel Kummer gehabt, das hatte ihm die Nerven ruinirt. Schade!

Die Tante, die als Anverwandte des Kreiser'schen Schwiegersohnes bei diesem bedeutungsvollen Feste nicht fehlen durfte und des Trauermagazins wegen nur in grauer Seide erscheinen konnte, tritt ebenfalls herau und erschreckt Vater und Sohn haben dann noch einige Jahre zusammen. das Kind durch einige Gesten, die dazu dienen sollten, das junge Geschöpf fröhlich zu stimmen. Da sie nie mit kleinen verlebt, die reich gewesen sind an Sorge und Kummer, aber Kindern zu thun hatte und nicht zu den albernen Frauen ge- auch reich an schönen Stunden. Als Abragam starb, hat ihn hört, die in diesen unentwickelten Geschöpfen das Schönste der sein Vater still begraben, und kaum irgend jemand hat das Welt sehen, so stellte sie jetzt einige unrichtige Fragen: ob von gehört. Der Anwalt selbst findet die Ruhe auch wohl das Kind schon Zähne habe, was es esse 2c. Selbst Klara's bald. Im Rauchzimmer neben dem Eßsaal hat der alles vor­Sanftmuth wird dadurch gereizt, denn in Dingen, die das Kind betreffen, ift fie leicht verletzlich. Die sorgende Albert acht vortreffliche Musiker aufgestellt, deren Geheimräthin belehrt von oben herab die graue Dame Anwesenheit niemand ahut. Einer derselben, der Mann mit eines befferen, und alle umstehenden Fräuleins und der Flöte, schaut bereits seit einer halben Stunde aus dem Fenster und späht aus nach den Schimmelu. Jetzt leuchtet Frauen fichern.

Die Tante fieht sich auf einmal ganz allein, und wenn deren weiße Farbe weither die Straße herauf und kommt nicht die gutmüthige Schwägerin sich ihrer erbarmen würde, eilends näher. Der Flötenmann schließt das Fenster, öffnet fäße sie isolirt und verlassen. Natürlich hat die Sklaverei die bisher zugeriegelten Thüren, sieht in der Menge der Gäste des Lammes total aufgehört. Albert's Mutter wohnt nicht eine lebhafte Bewegung, und würdevoll und prächtig ranjcht mehr bei der Tante, sondern führt interimistisch des Sohnes der Hochzeitsmarsch aus dem Sommernachtstraum durch die Haushalt und soll als die friedlichste und schüchternste Säle. Alle Anwesenden sind einen Augenblick erschreckt, dann Schwiegermutter der Welt auch nach der Hochzeit bei dem begeistert. Man bildet Spalier an der Thür, und geführt