-

-

250

bem Thor bis zum Hauptgebäude, wo sich der Saal befand, war ein schmaler, von Menschenfüßen ausgetretener Stieg zu sehen. Der Wächter, der in einem Nebengebände wohnte, hatte früh morgens eine Geldsumme ausbezahlt erhalten, und wohl wisse nd, was das zu bedeuten habe, ging er in aller Stille in die Stadt fort, um nicht Zeuge des kommenden Ereignisses zu sein. Seine Frau machte sich in dem engen Stübchen mit Rochen zu schaffen. Es war eine ganz ruhige und verläßliche Frau, die durchaus nicht neugierig auf das war, was nicht vor ihren Augen geschah, und auch nicht hören konnte, was im großen Saal vorging sogar wenn Kanonen­schüsse abgefeuert würden denu sie war stocktaub. Langsam, vorsichtig ging der Hauptmann den Weg ent­lang, langsam stieg er die Treppe hinauf, die zum Haupt­eingang führte. Er suchte sich die Gefühle eines Verurtheilten zu vergegenwärtigen, der das Schaffot besteigt. Er zählt die Stufen, betrachtet die Bretter des Schaffots, bemerkt das durchwitterte Loch, den schlecht eingeschlagenen Nagel, der Zimmermann hat's wohl mit der Arbeit eilig gehabt, die Kahltöpfe der Richter, die daneben stehen, die Gesichter, die Schnurrbärte und die Kleidung des gaffenden Publikums; er ver­fucht zu rathen, ob jener Jüngling Kälte empfindet, der mit bloßen Händen das eiserne Geländer festhält, und was jene Dame wohl denken mag, die hinter ihm stehend mit ihrer vollen Büste sich bequem auf seinem Rücken stüßt. All das sieht der Unglück­liche, bemerkt es und sirirt es in seinem Geiste nur das eine bestrebt er sich mit aller Gewalt, nicht zu sehen, nicht zu bemerken und nicht zu fixiren, das eine, das ganz dicht vor ihm steht, so fürchterlich, drohend und unabwendbar, das eine, das ihn erwartet und in einigen Minuten, in einer Minute schon, in ein paar Sekunden, ihn mit dem blutdürftigen Rachen auffangen, ihn mit den Raubthier- Zähnen gernagen, zerstückeln, zermalmen wird. Indem der Hauptmann sich die Lage des Unglücklichen vergegenwärtigte, fühlte er, daß seine eigene in diesem Augenblicke eine ähnliche war. Jetzt stand er der Thüre, all den Saal führte. Noch einmal wandte er sich, um so viel Licht, so viel Luft als möglich in fich aufzunehmen, doch der dürftige Winter Horizont gönnte ihm auch das nicht. Ruhig, mit zusammengepreßten Lippen, öffnete er die Thür und betrat den Saal.

die

-

in

Noch hinter der Thür hörte er lautes Gespräch und luftiges Lachen der im Saal versammelten Offiziere. Sie amüfirten sich prächtig, als hätten sie sich zu einem Balle, zum Tanz hier versammelt. Als er erschien, verstummten alle und blickten nach ihm. Die meisten versuchten es, gleichgiltig zu scheinen und sich abzuwenden, doch es gelang nicht. Es lag etwas in seinem Wesen, in seinen Gesichtszügen, was die Aufmerksamkeit fesselte. Alle Anwesenden erstarrten bei seinem Anblick; ihre Augen, die anfangs gleichgiltig drein schauten, traten aus den Höhlen, erweiterten jich und nahmen den Ausdruck des Schreckens an, als wäre nicht ein lebendiger Mensch, sondern ein fürchterliches überirdisches Wesen in den Saal getreten.

" Guten Tag!" bot der Hauptmann salutirend und mit Erstaunen die Anwesenden betrachtend. Niemand beantwortete den Gruß und einige Sekunden noch herrschte bange Stille. Die Aerzte erst, die bei dieser Ehrensache" assistiren sollten und die den Hauptmann nicht kannten, unterbrachen die stumme Szene, indem sie sich bei ihren Werkzeugen und bei dem Ver­bandskasten zu schaffen machten.

"

Guten Tag, Redlich!" sagte der Hauptmann, auf seinen Gegner zukommend und ihm die Hand reichend. Du wirst mir doch Deine Hand nicht entziehen?!"

Redlich drückte schweigend die ihm dargereichte Hand, gleichzeitig wandte er sein Gesicht weg und trocknete mit der linten Hand die Thräne, die ihm ins Auge trat.

Bis gestern waren wir doch Freunde," fuhr der Haupt­mann mit melancholischem Lächeln fort, so können wir uns auch jetzt noch als Freunde begrüßen, bevor wir den Pistolen das Wort überlassen."

" Wie hast Du geschlafen?" fragte Redlich, seine Rührung bekämpfend. So

-

fo!" antwortete der Hauptmann. Ich über­nachtete im Hotel."

"

Du warst gar nicht zu Hause?" " Wozu? Es ist besser, daß die Frauen von solchen Dingen nichts wissen. Später werden sie noch zeitlich genug alles er­fahren." Nun, Du magst wohl recht haben," sagte Redlich, das Gespräch abbrechend.

I

-

Die Sekundanten des Hauptmanns tamen auf ihn zu, reichten ihm ganz zeremoniell die Hand, dann nahm ihn einer von ihnen beim Arm und führte ihn in einen leeren Winkel des Saals, ganz abseits von der Gruppe, die die Aerzte und Redlich's Sekundanten bildeten. Redlich stand am Fenfter und trommelte mit den Fingern einen Marsch auf den Scheiben. " Deinem Wunsche gemäß haben wir mit der Partei des Gegners die Bedingungen des Duells bestimmt." Und?" fragte der Hauptmann.

"

-

Wir bestanden auf den schwersten Bedingungen: Pistolen, das Recht, fünf Schritte vor­zwanzig Schritt Distanz, zufchreiten und dreimaligen Rugelwechsel." ( Fortsetzung folgt.)

( Nachdruck verboten.)

Atmos

Die Fabel vom Sonnenstich. Großes Auffehen erregt ein im letzten Hefte des British Medical Journal " veröffentlichter Auffaz des Londoner Arztes W. Sambon, in dem der Nachweis erbracht wird, das der so­genannte Sonnenstich garnicht von dem Einfluß der Hiße auf den menschlichen Körper berrührt, sondern eine ansteckende Krankheit ist. Unzweifelhaft gehören die zahlreichen Fälle, die als Sonnenstich bezeichnet werden, sehr verschiedenen Krankheiten an. In neuerer Zeit werden unter dem Namen des Sonnen ftichs meist zwei Krankheitserscheinungen verstanden, von denen die eine nach Anficht von Sambon nichts anderes ist, als Ohnmacht ( Synkope) und die andere das Wärmefieber, eine besondere ansteckende Krankheit. Die Ohnmachtsanfälle in einer überhitten sphäre sind nicht ursprünglich durch die Hiße verursacht, sondern find nur ein Anzeichen für innerliche Krankheitserscheinungen, besonders bei herzleidenden Personen, deren Krankheit viels leicht auf anderem Wege noch gar nicht erkennbar ist; das plötzliche Umfinken, zum Ausbruch gebracht durch Ermüdung, Erregung, Alkohol oder Hize, kann die erste Offenbarung des inneren Leidens sein. Dies gilt auch von den sehr häufigen Ohnmachte anfällen alter Heizer, bei denen fie aber auch in erster Linie durch die ans gestrengte Beschäftigung und ihre Hinneigung zum starken Trinken veranlaßt werden. Ebenso spielt die Hige nur eine Nebenrolle bei der Erzeugung von Ohnmachtsfällen in den Reihen marschierender Soldaten, während die eigentliche Veranlassung die Ueber­anstrengung, enge Kleidung und schwere Ausrüstung sind, die unter Mitwirkung der Hitze und der schlechten Luft zum Eintritt der Ohnmacht führen.

Die Unterschiede zwischen derartigen Ohnmachten und dem eigentlichen Hißschlag oder Sonnenstich, sind so bedeutend, daß beide Das Higefieber, das Anfälle kaum verwechselt werden können. Sambon zur Vermeidung der Bezeichnung Sonnenstich mit dem alten Namen Siriasis( von Sirius, dem Hundstern) benennen will, äußert sich in sehr hohem Fieber, tiefer Bewußtlosigkeit und ftarfem Blutandrang nach den Lungen. Die Sterblichkeit ist eine sehr hohe, die Krankheit hat eine besondere geographische Ver­breitung, herrscht freilich während der heißen Jahreszeit vor und nimmt gelegentlich die Form einer Epidemie an.

Sambon will nun beweisen, daß die bisherige vorgefaßte Mei­nung von der Wirkung großer Hize als Erreger dieser Krankheit eine irrige ist, da Menschen in allen Zonen der Erde sehr hohe Temperaturen ohne Schaden ertragen tönnen. Die Chinesen sezen ihre nahezu fahlen Köpfe ohne Nachtheil der heißesten Sonne aus. Daffelbe gilt von den ganz dunkelfarbigen Bewohnern der Andamaneninseln, die in der Mittagshize in einer Breite von nur 12 Grad über dem Aequator ihre schwarzen, gewöhnlich ganz tablen Röpfe ohne Bedeckung den Sonnenstrahlen darbieten, ohne darunter zu leiden. Derartige Beispiele können noch aus den ver schiedensten Gegenden in Afrifa, Amerika und Australien genannt werden. Es ist überhaupt erstaunlich, welche große Widerstands­fähigkeit der menschliche Körper gegen hohe Wärme besitzt. Viele Arbeiter, wie Eisengießer, Glasbläser, Heizer sind stunden­lang einer größeren Hitze ausgesetzt, als die Tropen­sonne sie ausstrahlt, und verfallen doch nicht dem Hiz schlage. In einem Bergwerke der englischen Landschaft Cornwall beträgt die Temperatur etwa 46 Grad Celsius, Hizschlag fommt aber nie unter den Bergleuten vor, die vielmehr am häufigsten an 4 Stunden lang ununterbrochen in schlechtgelüfteten und dunklen Tuberkulose sterben. Die Heizer auf großen Dampfern arbeiten Heizräumen bei einer Temperatur von 60 bis 70 Grad Celsius, werden wohl gelegentlich ohnmächtig, aber niemals vom sogenannten Sonnenstich befallen. Von Chabert, dem sogenannten Feuerfönige", wird sogar erzählt, daß er einen Ofen von etwa 200 Grad zu bes treten pflegte. In manchen Krankheiten wie Scharlach, Typhus , Wechselfieber 2c. steigt die Körperwärme bis über 50 Grad Celsius, ohne daß selbst bei tage- und wochenlanger Dauer die eigenthüm lichen Erscheinungen des Hitzschlages eintreten. Auch zahlreiche Ver fuche an Thieren haben erwiesen, daß dieselben zwar durch die Wirkung großer Hize gelegentlich getödtet werden können, aber ohne daß sich die Erscheinungen des sogenannten Sonnenstichs zeigen.

Nun trägt Sambon alle Thatsachen zusammen, die darauf hin weifen, daß der Sonnenstich vielmehr eine ansteckende Krankheit ift.