Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 66.

Sonntag, den 3. April.

( Nachdruck verboten.)

25] Am häuslichen Herd.

Roman von Jwan Franko.

Tour

1898.

wieder die Mütze ab, grüßte und sah mit einem breiten Lächeln zu ihm auf.

Küß die Hand, Herr Hauptmann! Herr Hauptmann erkennen mich nicht?" fragte der Unbekannte.

Der Hauptmann sah ihn flüchtig an und sagte: ,, Nein, ich erinnere mich nicht."

" Ich bin Sliwinski Veit Sliwinski, ich war Privat diener beim Herrn Hauptmann in Bosnien ."

" Ah, Veit! Du bist es!" sagte der Hauptmann, und reichte ihm die Hand.

"

Nun, wie geht's Dir, was machst Du?

" Ich habe doch ihre Rechnungen durchgeblickt und dort ganz ansehnliche Summen verzeichnet gefunden, die er ihr zu ver­schiedenen Zeiten geschickt. Ich habe seine Briefe gelesen, von Dankbarkeit und väterlicher Liebe überströmend. Das tann doch nicht Täuschung sein! Und das erklärt alles, alles! Es ist wahr, ich habe die verzeichneten Summen nicht nach­gezählt, nicht kritisirt, und die Briefe nur flüchtig durch­Es geht mir gut, Herr Hauptmann. Nachdem ich aus­gesehen. Hatte ich damals denn Sinn dafür? Die rosigen gedient hatte, tehrte ich hierher zurück; ich wurde in Wölkchen meines Glückes umhüllten mir die Augen, ich war Bosnien verwundet und erhielt eine Auszeichnung. Herr trunken vor Seligkeit. Doch diese Dokumente existiren noch Hauptmann wissen wohl, für die Patronen, mit denen und werden in meiner Hand zu einer unanfechtbaren Waffe, ich unsere Kompagnie rettete. Nun da ich hier mit der ich die Verleumder Lügen strafen werde. Ich werde keinen Lebenserwverb hatte, so gab man mir die Stelle eines einen Prozeß provoziren, den Kampf um meine Ehre beginnen, Krankenwärters im Landesspital."

"

und zwar nicht mit einzelnen armen Wichten, wie Redlich, Der Hauptmann lächelte, als Beit der Patronen er­aber einen Kampf mit der Gesammtheit! Ja, das ist der wähnte. Das war ein denkwürdiges Abenteuer.

beste Weg. Wenn Julie schuldig ist, was kümmert das mich? theilung seiner Kompagnie war eines Tages bei der Ver­Angela fonnte mit ihr umgehen, ohne von ihrem schändlichen folgung der bosnischen Aufständischen tief ins Gebirge ge­Gewerbe etwas zu wissen. Doch nun muß sie natürlich von drungen. Der Anführer war ein Korporal, ein guter Junge, ihr lassen, sie muß es oder..." aber nicht besonders intelligent. Die Intelligenz repräsentirte

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förmig auf, machten Feuer an und begannen, ein Lamm zu braten, welches sie während des Mariches auf einem Berge erwischt hatten. Als sie so mit Außerachtlassung aller Vorsichts­maßregeln ganz bei der Arbeit waren, hörten sie plötzlich dicht hinter ihren Rücken einen Schuß. Erschreckt sprangen fie auf, ergriffen die Gewehre, doch im selben Augenblick sahen sie das ganze Wäldchen von Aufständischen umringt.

" Daß feiner es wagt zu schießen!" rief der Anführer der Aufständischen. Wir haben jeden von Euch im Auge. Fällt ein Schuß von Eurer Seite, so antworten wir sogleich mit einer Salve und jeder von Euch kriegt min­destens vier Kugeln in den Leib!"

Der Hauptmann erhob sich und richtete sich hoch auf. in jenem Zuge Veit, der auch in seinem Tornister die Neuer Muth war ihm geworden. Wie ein Ertrinkender sich Dynamit- Patronen trug, welche der Hauptmann beim Kommando an dem schwanken Schilfe festhält, so heftete er sich an den zu irgend einem Kriegszweck verlangt hatte. Gedanken der Briefe und Rechnungen Angela's, suchte darin Die Soldaten, die keinerlei Gefahr witterten, lagerten sich seine Stütze und Rettung und fand sie auch, für den Augen- in einem kleinen Wäldchen, stellten die Gewehre pyramiden blic. Und als er diesen kleinen Fleck festen Bodens unter seinen Füßen spürte, konnte er sich wenigstens theilweise be­ruhigen und weiter darüber nachdenken, was zu thun war. Daß Handeln, und zwar energisches Handeln hier nöthig war, unterlag teinem Zweifel. Jeder Augenblick der Ungewißheit und Verzögerung konnte fatale Konsequenzen nach sich ziehen. Vor allem also war sein sofortiges Ausscheiden aus dem Militärdienste eine Nothwendigkeit. Nicht blos aus dem Grunde, weil ein jedes Zusammentreffen mit Offizieren jetzt für ihn eine moralische Tortur war und ihn höchst wahr scheinlich einer ganzen Reihe von Konflikten aussetzen würde, ähnlich jenem, den er soeben mit Redlich gehabt, sondern auch deshalb, weil die Aktion, die er unternehmen wollte, eine vollständige Freiheit der Bewegung, die Disponirbarkeit für seine eigene Person bis zu einem Grade forderte, der sich mit der militärischen Pflicht nicht recht ver­einbaren ließ. Auch fühlte er es wohl, daß die Angelegenheit, um deren Aufklärung es sich handelte, eine derartige war, daß er in seinem Charakter als Militärperson nicht öffentlich damit auftreten konnte, und wenn er nicht jetzt selbst seine Demission einreichte, fonnte schon in den nächsten Tagen seine offizielle Penfionirung erfolgen. Das Gesuch um Dienstentlassung, das er gestern, wie er glaubte, nur 11111 einer sonderbaren Laune seiner Frau Genüge zu leisten, entworfen hatte, war jetzt wirklich nothwendig geworden. Unverzüglich begab er sich ins General Kommando und reichte sein Gesuch ein, zur großen Ver­wunderung der in der Kanzlei anwesenden Funktionäre, welche gesehen hatten, mit welcher zuvorkommenden Freundlichkeit der General vorgestern den aus Bosnien zurückkehrenden Haupt­mann begrüßte.

Die Soldaten verftummten vor Angst und standen mit den Gewehren in der Hand hilf- und rathlos da, wie für den Tod bestimmte Schlachtopfer.

Nur Veit hatte die Geistesgegenwart nicht verloren. Mit einem Blick rekognoszirte er das Terrain und überzeugte sich, daß das Wäldchen aus recht weit auseinanderstehenden großen Eichbäumen bestand und der Boden von dichtem, aber niedrigem Gestrüpp bedeckt war. Er bemerkte auch, daß die Aufständischen den Wald von allen Seiten uuringten und es nicht wagten, näher zu treten, weil sie in dem Gestrüpp Fallen vermutheten. In Beit's Kopf leuchtete eine Rettungsidee auf.

" Hör mich, Nikolaus!" flüsterte er dem Korporal ins Dhr. Thue alles, was ich Dir sagen werde, und alles wird gut enden. Rommandire: Duckt Euch!" und laß Dich mit dem Bosniaken in ein Gespräch ein. Mach', als wolltest Du Dich ergeben, nur trachte, es möglichst in die Länge zu ziehen. Und sei muthig, verrathe durchaus keine Furcht."

"

Duckt Euch!" rief der Korporal, zu den Soldaten ge­

wendet.

Von der Kanzlei wollte sich der Hauptmann nach Hause Diese duckten sich sogleich-Veits Beispiel folgend und begeben. Es war elf Uhr. Er mußte mit seiner Frau wenn sie auf diese Weise auch nicht vollends den Blicken sprechen, ganz offen und aufrichtig alles berichten und sie be- des Feindes entschwunden waren, so hatten sie doch schwören, daß sie die Wahrheit erzähle. Er mußte Ge- den Gewinn, daß er sie nun weder zählen, noch als Ziel­wißheit haben, das Schlechte wie das Gute genau tenuen, scheibe ins Auge fassen konnte. um zu wissen, wie er sich zu vertheidigen habe.

"

Was thut Ihr?" schrie der Bosnier, welcher das Kom­mandowort nicht verstand, doch sogleich einsah, daß nun seine Lage eine minder günstige ward.

Kaum war er jedoch einige Schritte vorwärts gekommen, als von der anderen Seite der Straße eine menschliche Gestalt ihn erblickte, die Müze herunternahm, sie in der Luft schwenkte, Wir schießen doch nicht," erwiderte der Korporal, ich und wiederholt grüßend verschiedene Geberden und Zeichen befahl, daß sie sich ducken, damit keinem die Lust anwandle, machte. Der Hauptmann bemerkte das sonderbare Benehmen, zu schießen. Sie wissen wohl, manchmal juckt einem die Hand doch da er den Mann nicht erkannte, glaubte er, es sei ein allzusehr." Betrunkener und eilte weiter. Der Mann, der offenbar nicht

Berfluchter Schwabe!" brummte der Bosnier und schickte die Kühnheit hatte zu schreien, hob nun den Mantel bis über noch eine drastische Bezeichnung an die Adresse des speziellen die Ruie empor und lief quer über den Straßenkoth direkt schwäbischen Heiligen, wiewohl die vermeinten Schwaben sich auf den Hauptmann zu. Als er ihn erreicht hatte, nahm erlin reiner ruthenischer Sprache unterhielten und mit den