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Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 67. de abid

Dienstag, den 5. April.

( Nachdruck verboten.)

26] Am häuslichen Herd.

Roman von Jwan Franko.

Weiß ich's?" sagte der Korporal, sich verlegen den Kop Frauend. Ich will Euren Schaden nicht, und mein Kopf ist mir auch lieb. Weißt Du was, Bruder, vielleicht gehst Du auf meinen Vorschlag ein: Nehmt unsere Tornister und Mäntel, auch alles Gelb, das wir bei uns führen, und den Vorrath an Bulver und Blei; das alles kann Euch mußen nicht wahr? Und laßt uns mit den Gewehren fort, denn wir müssen eiligst zu unserem Regiment."

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So, Jhr habt feine Beit?" fragte höhnisch der Bosuier und begann sich mit seinen Gesellen zu berathen.

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Jett troch Veit zum Korporal hin und flüsterte ihm zu: Stell Dich hinter jene Eiche und kommandire Feuer!"" Augenblicklich verbarg sich der Korporal hinter den Eich­baum und rief: Feuer!"

colo mi simb1898.

ihm und fragte ihn wiederholt: Was wollt Ihr, Alter, mit dem Angarowicz?" Aber im Fieber beachtete er meine Frage nicht. Erst früh, als er etwas zu sich tam, rief er mich herbei und bat mich um des Himmels willen, den Hauptmann Augas rowicz aufzusuchen und ihn zu bitten, ihn so eiligft als möglich besuchen zu wollen. Da ich den Herrn Hauptmann fenue, und eben in die Stadt gehen wollte, um verschiedenes zu be forgen, versprach ich seinen Auftrag auszuführen.

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Wer ist denn dieser Alte, der mich kennen will wie heißt er?"

,, Gestern war er so schwach, daß man nichts aus ihm herausbringen konnte. Er war nicht einmal im stande zu effen, man mußte ihn wie ein kleines Kind verpflegen. Heute erst sagte er, er heiße Kurter."

Ein plötzlicher, in unmittelbarer Nähe erfolgter Donners fchlag hätte den Hauptmann nicht so erschreckt, als die Nennung dieses Namens. Was war das für ein neues Räthsel? Kurter, der reiche Kauz, der Besitzer einiger Fabriken, hat zwei Tage gehungert?! Der arme Greis, der gestern vor seinen Augen auf das Straßenpflaster fiel, und dem er aus Mitleid einen Gulden gab, soll mit Kurter identisch sein? Der Sturm von Gedanken, Befürchtungen und Verdächtigungen, der sich bereits gelegt hatte, begann in seinem Kopfe von neuem sein Wirbelu und sein Heulen. Mit einer Handbewegung verabschiedete der Hauptmann den gefälligen Veit, eilte auf den Bernhardiner Play und ließ sich von einer Droschke schnell nach dem allgemeinen Krankenhaus führen.

Die Schüsse knallten, daß die Berge davon erdröhnten. Die hinter Bäumen versteckten Soldaten zielten bequem und streckten einige Bosnier nieder, darunter auch den Auführer. Das hätte ihnen jedoch nicht viel geholfen, denn die Auf­ständischen waren ihnen an Zahl bedeutend überlegen und das machte sie verwegen. Aber in demselben Augenblick, als sie ebenfalls auf die Soldaten abfeuern wollten, erschallte ein so fürchterlicher Rnall, daß die Erde erzitterte und einer von densid den Wald begrenzenden Eichbäumen mit- Kurter faß im Bette an ein Rissen gelehnt und nahm mit sammt der Wurzel in die Luft sprang mit schreck Hilfe einer barmherzigen Schwester etwas Suppe zu sich, als lichem Gepolfer in tanfend Spähne zerftob. die wie der Hauptmann in den Saal trat. Hagel auf die Erde niederfielen und im Fluge sogar die bosnischen Aufständischen streiften.

Um Gotteswillen! Den Schwaben hilft der Teufel selbst!" erscholl es lärmend jenseits des Wäldchens.

Nochmals abfeuern!" rief ermuthigt der Korporal, und sogleich erdröhnte am anderen Ende des Wäldchens die zweite Dynamitpatrone mit derselben gewaltigen, für die Bosnier räthselhaften Wirkung.

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" Gott , hilf uns!" schrieen alle. Die Schwaben haben Kanonen! Laßt uns fliehen, fliehen!"

Die Explosion einer dritten Patrone übertönte diese Rufe. Unter dem Schuhe dieses gewaltigen Feuerwerks retteten sich die Soldaten aus dieser gefährlichen Position ohne eigenen Verlust und mit Schädigung des Feindes.

Für seinen Einfall erhielt Beit das filberne Berdienst­frenz und die Stelle eines Krankenwärters im allgemeinen Krankenhaus.

" Ich suche den Herrn Hauptmann bereits seit einer Stunde", fagte Beit.

Mich suchst Du?"

Es war eine starkgebante, knochige, aber äußerst ab gemagerte Gestalt, die da in dem groben Spitalhemde und der wollenen Jacke saß. Sein rungliges, pergamentfarbiges Gesicht war von einem großen, zerzansten grauen Bart um­rahmt; er hatte das Aussehen eines Kirchendieners, und der Hauptmann glaubte sogar einen Weihrauchgeruch an ihm zu spüren.

Als Kurter den Hauptmann erblickte, begann er heftig zu zittern und ließ den Löffel aus der Hand sinken, den er soeben zum Munde führen wollte.

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" Aeh! mein Söhnchen!... mein Hauptmann endlich bist Du da!" sprach er mit zitternder, flangloser Stimme.

" Ich flehte zu Gott ... Dich noch einmal vor dem Tode... denn mit mir geht's zu Ende, mein Söhnchen... bald zu Ende!"

Aber setz Dich! Seh Dich hierher, dicht zu mir, auf den Stuhl. So, so! Und gieb mir Deine Hand!"

Der Hauptmann nahm schweigend und mit schwerem Herzen einen Sessel und setzte sich an Häupten Kurter's. Daun reichte er ihm die Hand, die der Alte an seine Lippen preẞte und mit Thränen benette. Der Hauptmann suchte es zu vers hindern; die Thränen des Alten fielen wie glühende Bleis tropfen auf seine Hand.

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" Ja wohl. Ich war in der Wohnung des Herrn Haupt­mann, die gnädige Frau fagte mir, Herr Hauptmann wären gewiß im Offizierskajino zu finden, ich ging also hin und erfuhr, Sie wären gestern dort gewesen und könnten jetzt Was thut Ihr, Bater, so hört doch auf!" rief er, seine möglicherweise in der Regimentskanzlei in der Zotkiewer Hand zurückziehend. Straße sein. Dort jagte man mir, Herr Hauptmann habe" Nein, nein, laß mich! Gieb mir die Hand wieder!" jetzt Urlaub und komme nicht hin, aber er föune viel- flüsterte Kurter. Sch alter Dummkopf... alter Tropf... Leicht..." ich bin Dir diese Satis... fattion schuldig? Ach! Gott ist gerecht! Gott straft mich für meinen Stolz... für den vers dammten Stolz... für meine Verblendung!..

Hier unterbrach der Hauptmann den interessanten Bericht und fragte verwundert:

Wozu brauchst Du mich denn so dringend, daß Du so angelegentlich nach mir suchft?"

" Ich selber branche ja nichts," sagte Beit gutmüthig, aber ins Krankenhaus wurde gestern ein alter Manu gebracht, Herr Hauptmann kennen ihn wohl, nicht wahr?"

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Ein alter Mann?"

Er behauptet, daß der Herr Hauptmann ihn kennt. Er glitt gestern aus und zerschlug sich am Straßenpflaster. Das wäre noch nichts, denn er hatte fein Glied gebrochen, aber es stellte sich heraus, daß er seit zwei Tagen nichts gegessen hatte und ganz erschöpft ist. Er versiel im Spital in ein bißiges Fieber und rief die ganze Nacht hindurch nach dem Herrn Hauptmann."

Nach mir?" " Nun ja. Das weckte meine Aufmerksamkeit, diese fort­währenden Rufe Angarowicz! Angarowicz! Ich wachte bei

Der Hauptmann hörte theilnahmsvoll zu, wiewohl der logische Zusammenhang dieser Worte ganz unverständlich für ihn war. Doch unterbrach er mit keinem Worte die Rede des Alten, der, nachdem er mit Hilfe der Schwester sein Frühstück beendet, mitten unter heftigen Hustenanfällen weiter sprach.

Wie einfältig war ich mein Söhnchen!.. Mich hat der Stolz verblendet! Ach! Du weißt doch, wen Gott straft... Rahu! Rahu! Rahu! Ach ich kann nicht weiter! mit mir ist's bald aus und ich hätte Dir so viel zu sagen! Ich fühle, daß mein Herz bereits abgestorben ist, nein, nicht abgestorben, es lebt, aber es ist eingefroren; es will wieder aufthauen, es schüttelt sich, aber es geht nicht. Dh ich Dummtopf, ich selber habe es einfrieren lassen, und nun muß ich daran zugrunde gehen!"

Er verstummte. Die Nonne bewog ihn, den Rest der schon falten Suppe zu verzehren.