Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 69.

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Donnerstag, den 7. April.

Am häuslichen Herd.

1898.

( Nachdruck verboten.) ließ seiner Beredtsamkeit freie Zügel und schilderte mit seinem Berufe eigenen Bonhomie sehr weitläufig den Verlauf der erstaunlichen Geschichte. Die Mädchen standen indessen auf dem Trottoir vor dem Hausthore und begannen, bereits ungeduldig zu werden, denn sie wußten nicht, was sie thun sollten und warteten auf einen Auftrag des Revisors.

Roman von Jwan Franko.

" Ja, sehen Sie, Herr Hauptmann," sagte etwas verlegen der Spizzel. Die Sache ist die: Ich bin der Polizeirevisor Hirsch, und diese Mädchen, das sind solche Damen.. nun Herr Hauptmann verstehen mich schon..." sagte er mit einem ver­ständnißvollen Augenblinzeln.

" Nein, ich verstehe nicht, Herr Hirsch," erwiderte der Hauptmann.

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" Wissen Sie was," unterbrach der Hauptmann den un­aufhaltsamen Lauf der Spitzel- Beredsamkeit, die Geschichte interessirt mich ungemein. Ich erinnere mich, daß hier vor einigen Jahren wirklich eine Hauptmannsmittwe wohnte. Vielleicht kann ich ihnen behilflich sein, sie aufzufinden."

" Oh, wie unendlich dankbar wäre ich dem Herrn Haupt­mann dafür!" sagte mit schmeichlerischer Miene und einem tiefen Bückling der Revisor.

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" Vor allem möchte ich Ihre Erzählung zu Ende hören; ich würde Sie zu mir hinaufbitten aber bei mir sind die Kinder krank. Onein, nein!" rief eilig der Revisor, ich möchte die Herrschaften durchaus nicht stören."

" Vielleicht machen wir es so: Sie schicken die Mädchen fortwo wohnen Sie denn?"

Im Hotel Heller."

" Nun, dann schicken Sie sie ins Hotel. Wenn wir dann die Verbrecherin gefunden haben, so lassen Sie sie tommen, um sie zu fonfrontiren. Sind Sie einverstanden?"

" Ich denke, das wird das beste sein, meinte der Revisor, zufrieden, daß er einen Verbündeten in der Person des Haupt­manns gefunden, und zugleich verwundert, daß dieser ihm voll­ständig unbekannte Herr so heißen Antheil an der Sache nehme und ihm so unerwartet seine Hilfe anbiete. Den Ton seiner Stimme ändernd, wandte er sich jetzt zu den Mädchen und sagte streng und gebieterisch:

Das sind solche Damen denen das Malheur be­gegnete... daß sie in fremde Länder verschlagen wurden... woher sie jetzt direkt zurückgekommen sind. Und wissen Sie, Herr Hauptmann, woher sie kommen? Zwei aus Alexandrien -Sie wissen wohl das liegt unten in Egypten und drei aus Konstantinopel . Und wissen Sie, Herr Hauptmann, wer ihnen dorthin verholfen hat? Sie behaupten, eine Frau Hauptmann, eine junge Wittive. An den Namen fönnen fie sich nicht mehr erinnern. Diese Frau Hauptmann nun fam nach Stryj und suchte Dienstmädchen; hübsche, kluge Mädchen, womöglich Waisen, denen sie guten Lohn versprach. Nun, Sie wissen ja, Herr Hauptmann, solche Mädchen sind in Stryj und in jedem anderen galizischen Städtchen in Menge zu haben. Es meldeten sich einige. Sie wählte eine, die ihr am besten gefiel und brachte sie nach Lemberg , wo sie mit ihr in ein Hotel einkehrte. Dort fündete sie ihr an, daß sie selber vorläufig ihre Dienste nicht benöthigte, aber sie bei einer Freundin plaziren wollte. Die Freundin behielt sie einige Tage bei sich, gab ihr gute Kost, ohne ihr irgend welche Beschäftigung anzuweisen. Das Mädchen bittet um Arbeit, da erfährt es, daß diese Frau ihrer auch nicht be darf, doch habe ein Bekannter aus Stanislau fie um ein gutes Dienstmädchen ersucht. Da das Mädchen kein Geld hat, giebt ihm die Frau einige Gulden, zahlt die Reisekosten und fährt selber mit ihr nach Stanislau . Dort übergiebt sie sie dem Bekannten, der wie ein vermögender Bächter aussieht, und dem Mädchen goldene Berge verspricht, wenn sie mit ihm gehen wolle. So fährt das Mädchen mit ihm weiter nach Czernowih, nach Seret.... Das Mädchen weiß nicht, was mit ihm vorgeht, noch wohin sie fährt, sich wundert sich nur, daß die Reise so lange dauert. Der Herr händigt ihr einen Paß ein, den sie auf der rumänischen Grenze vorzuweisen hat, führt sie Der Revisor begann Verdacht zu schöpfen, doch ließ er durch Rumänien nach Galag, schifft sie dort ein, bringt sie sich das durchaus nicht merken, um so weniger, als ihm nach Konstantinopel und verkauft sie.... Denken Sie, Herr jetzt die Hoffnung winkte, ein gutes Mittagessen in Ge­Sie traten in Hauptmann! Verkauft sie wie ein Stück Vieh... in die be- sellschaft des Hauptmanns zu verzehren. wußten Anstalten.... Herr Hauptmann verstehen wohl? Und das Warschauer Hotel. Der Hauptmann verlangte ein ein Zimmer, ließ Mittagessen und eine wenn er sie hier nicht absetzen tann, so hat er noch in Galat separates viele am Lager, die er dann partienweise weiter führt, nach Flasche Wein bringen, setzte sich neben Hirsch, der ein wenig Smyrna, nach Alexandrien , ja jogar nach Bombay und, Gott verlegen nur den Rand seines Seffels einnahm, und begann weiß, wohin noch." im herzlichsten Tone:

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bald!"

Geht ins Hotel und erwartet mich dort! Ich komme

Die Mädchen entfernten sich unter Lautem Gespräch und Gelächter und häufigem Umfichblicken.

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Und wir," sagte der Hauptmann zum Revisor, wir wollen vielleicht in eine Restauration treten. Sind schon nach dem Mittagessen?"

Onein! Wo hat man Zeit bei unserem Gewerbe, so bald aus Mittagessen zu denken?"

" Gut also, ich habe auch Hunger, wir werden zusammen speisen und dabei die Sache besprechen."

" Ich vergaß vorher, mich vorzustellen. Ich bin Haupts manu Angaro. icz, vor einigen Tagen aus Bosnien zurüd gekehrt. Ich habe Ihren verdächtigen Blick bemerkt, als ich Ihnen meine Hilfe bei der Aufsuchung jener Verbrecherin anbot."

"

Aber Herr Hauptmann!" protestirte Hirsch, vom Sessel aufspringend, wo denken Sie hin?!"

Das ist ja eine grauenerregende Geschichte!" rief der Hauptmann ganz erstaunt. Das flingt ja faum glaublich." " Ja, ja!" nickte Hirsch, faum glaublich und doch wahr! Wir wollten es anfangs auch nicht glauben. Noch vor zwei Jahren berichteten die Zeitungen, daß in Konstantinopel und in anderen Städten der Türkei heimlich Mädchenhandel ge­trieben wird, und daß die Waare" größtentheils aus unseren galizischen Mädchen besteht. Aber Sie wissen doch, Herr" Bleiben Sie sitzen!" sagte der Hauptmann, ihn beim Hauptmann was Zeitungen sind.... Es mag wohl ein Arm nehmend und auf den Sessel zwingend. Sie haben Körnchen Wahrheit dabei sein, aber wenn so ein Beitungs- feinen Grund, fich zu geniren; Ihr Handwerk bringt es ja mit schreiber es in seine Hand bekommt, so schreibt er soviel Ueber- sich, daß Sie ewig verdächtigen und einen geheimen Zusammen­treibungen, so viel Lügen zusammen, daß das bischen Wahr­heit darin vom eigenen Vater nicht wiedererkannt wird. Die Polizei lieft dergleichen Berichte und denkt dabei: Wäre das wahr, so würde doch irgend ein Geschädigter auftreten und Klage Das Gespräch wurde für einige Minuten unterbrochen. führen. Dann könnten wir eingreifen und der Sache auf den Man hörte nur das Geklapper von Tellern und Löffeln. Grund kommen. So aber wissen Sie, Herr Hauptmann- Der Polizeirevisor gab sich mit Eifer dem Essen hin, um wo fein Kläger, da ist auch kein Richter". Die Zeitungen seine Verlegenheit in dieser sonderbaren Situation zu mas schreiben, was sie wollen, und wir schweigen dazu. Später tiren. hörten auch die Zeitungen damit auf, sie hatten ein neues Thema gefunden."

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Im Vorhaus wehte ein falter Bugwind, und der Polizei Revisor Hirsch, der sich sichtlich dadurch geehrt fühlte, daß der Hauptmann mit ihm sprach und ihn so gnädig anhörte,

hang wittern müssen. Ich nehme Ihnen das durchaus nicht übel. Aber lassen Sie uns vorerst effen," fügte er hinzu, als der Kellner das Essen brachte und die Teller ordnete.

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" Ich will Ihnen alles erklären," begann der Hauptmann wieder, nachdem er seinen Teller geleert. Es ist in der That ein gewiffer Zusammenhang, etwas, was mich bewegt, nach Möglichkeit zur Entdeckung dieser Frau beizutragen. Aber be endigen sie vorher ihre Erzählung.