Beim Eintreten salutirte der Kommissar vor dem Haupt- mann. 3>ie übrige Gesellschaft trat ebenfalls ein. „Herr Hauptmann entschuldigen wohl," sprach der Kom- missar—„wir haben hier eine kleine amtliche Thätigkeit vor- zunehmen." „Bitte, womit kann ich dienen?" fragte der Hauptmann. „Wohnt hier die Frau... die Frau—" hier zog er ein Notizbuch aus der Tasche und blickte hinein—„Angela Angarowicz?" „Ja wohl; eS ist meine Frau." „Können wir sie sehen?" „Zu welchem Zweck, wenn man fragen darf?" „Um sie mit diesen Damen hier zu konfrontiren und eventuell auch zu verhören." „Was läßt sich thun?" sagte der Hauptmann.„Wenn Herr Kommissar einen solchen Befehl haben.. „O ja. natürlich, bitte sich zu überzeugen," sagte der Kommissar eilig und zeigte dem Hauptmann den Auftrag mit der Unterschrift des Polizeidirektors. „Ich bitte also!" sagte der Hauptmann und öffnete die Thür des Salons. In diesem Augenblick drang aus dem nächst dem Salon gelegenen Zimmer ein schwacher Knall, als wenn jemand mit einem scharfen Gegenstand an einen Eichentisch geschlagen hätte. Ein unwillkürlicher Schreckensrus entrang sich dem Munde des Hauptmanns. Er erkannte den Knall, und die ganze Be- deutnng des unlängst stattgehabten Gesprächs mit Angela stand ihm nun in ihrer furchtbaren Wichtigkeit klar vor den Augen. Ohne die verhaßten Gäste mehr zu beachten, eilte er schnell nach jjenem Zimmer. Der Kommissar und alle An- wesenden gingen ihm nach. Kein schrecklicher Anblick bot sich ihnen dar. Auf dem Sopha, das im Winkel des Zimmers stand, lehnte ruhig Angela. Sie erhob sich nicht bei ihrem Eintritt. Ihr Kopf war leicht zur Seite geneigt und ruhte am Polster des kleinen mit rothem Ripsstoff überzogenen Sophas. Man hätte denken können, daß sie schlafe, wären nicht die weit offenen, verglasten Augen und die halbgeöffneten Lippen gewesen, auf denen, wie es schien, soeben erst ein Ausruf der Angst oder der Verzweiflung er- storben war. Der Hauptmann stürzte auf sie zu, er hob ihren Kopf in die Höhe und bemerkte erst jetzt in der linken Schläfe eine kleine Oeffnung, aus der Blut floß, vermengt mit einem weiß- lichen Stoffe. Der Revolver lag auf dem Sopha, von den Falten ihres Kleides bedeckt. Es unterlag keinem Zweifel, daß Angela bis zum letzten Augenblick ihre Geistesgegenwart und ihre feste Hand behalten hatte, denn der Schuß war ziclgerecht und hatte in einem einzigen Moment ihrem Leben ein Ende gemacht.-- (Nachdruck verboten) Negentoekkev. Aus dem Dänischen des G u st a v Wied. Marie trug den Kaffee ins Wohnzimmer. Draußen sickerte der Regen wie fetler Firniß von den Balten der Veranda herab und troff schwer von den blätterlosen Stengeln des wilden Weines. Dick und erbost saßen die Spatzen nnter den Balken und stritten sich. Und drüben in, Branhansc prügelte die Frau des Meiereipächters ihre Kinder, weil sie vergessen halten, ihre Füße a» der Fußmatte abzuwischen. „Gott im Himmel!" sagte der Alte, der sich iniLehnstuhl reckte, „Gott im Himmel, welch' eine Nässe!" „Gott im Himmel." jammerte die Mutter, die umher trippelte und Sahne in die Kaffeetassen goß.„Gott im Himmel, meine große Wäsche!" „Du, Vater," sagte der kleine Mogens, der am Fenster stand und mit drei Korken und einem rolhbnnten Holzschub ipielte. „Du, Vater!" sagteer,„aber tenn wachsen tie Tartoffeln!" Er nickte tiefsinnig und blickte in den Garte» hinaus. „Ach ja ja ja!" gähnt« der Alle, so anhaltend, daß es in den Mundwinkeln krachte. „Komm nun!" rief die Mutter und schritt voran, eine Kaffee- taste in jeder Hand. Und dann gingen die beiden Alten ins Nebenzimmer, um die Buttermilchsiippe und die Butt mitsammt der Biltter- und Peter- siliensauce zu verdauen. „Geh hinaus und hilf Marie beim Geschirrabwaschen!" sagte «ch zu Mogens. Und Mogens verlieb seinen Holzschuh und seine Korken und ging hinaus, um Marie beim Abwaschen des Geschirres behilflich ,u sein. Und«S ivard ganz stille im Zimmer. Aber draußen sickerte und sickerte der Regen herab, und die Tropfen spielten Wassermelodien in der Dachrinne! klitsch— klatsch, klitsch, klatsch! sagten sie. „Ach Gott ja." seufzte ich und starrte zur Zimmerdecke empor. „Aber tenn wachsen ja tie Tartoffeln!" Es regte sich etwas drüben auf dem Sopha. Das war der Besitzer, mein Wirth, der sich auf die Seite legte, weil er genug davon halte,„auf dem Rücken zu stehen", wie er sich ausdrückte. Darauf sprach er mit dumpfer Stimme: „Es giebt Tage im menschlichen Leben, lieber Freund, wo man das Bedürsniß hat. sich unmanierlich zu bezechen!" „Ja. die giebt es!" sagte ich.„Haben Sie übrigens etwas im Hause?" „Kognak. Portwein und schwedischen Punsch!" „Gute Waare?" „Prima Waare!" „Her damit!" „Wollen Sie wirklich?' fragte er ganz ermuntert und erhob sich halb ans dem Ellenbogen.„Sie vertragen doch sonst nichts, Sie Schwächling!" „Nur her mit der Waare! sagte ich.„Ich ziehe alles mög- liche dem jetzigen Zustand vor." Er erhob sich eilig»nd schritt aus einen kleinen Eckschrank zu. „Was wollen Sie trinken?" sragte er. „Alle drei Sachen," sagte ich. „Das ist recht." nickte er freudig.„Bei solchem Wetter weiß man wahrhaftig nicht, ivas am besten ist!... Sie sind übrigens ein netter Mensch," fuhr er daraus fort—„man muß Sie nur etwas näher kennen lernen." Ich erhob mich und legte die ans dem Tische liegenden Bücher bei seile.„Wir spiele» wohl Schach dazu?" „Jawohl!" lächelte er; den» das gefiel ihm.„Die Welt ist im Grunde gar nicht so verkehrt." meinte er»ach einer Weile. „wenn man sie nur richtig anzupacke» versteht!... Hier sind die Spirituosen!" Und er stellte drei Flaschen und sechs Gläser ans den Tisch. Zwei große Gläser für den Punsch, zwei kleinere für den Portwein und zivei»och kleinere für de» Kognak. „Den Kaffee müssen wir wahrlich auch hierher bekommen." „Und die Zigarre»!" „Und die Zigarren? Ja! Die können hier>auf dem Stuhl stehen." Juzwischen hatte ich die Figuren auf das Brett gestellt.„Ich bin's, der anfängt," sagte ich.„Ich verlor gestern."(Ich ver- lor übrigens immer) „Erst ein Gläschen!" sagte er,„das hebt den Kredit". Und wir stießen mit den Kognakgläsern an. „Was wollte denn der alle Peter Weber heute morgen von Ihnen? fragte ich. „Er wollte meinen Stier einen oder zwei Tage leihen..... Achte» Sie ans Ihren Springer!" „Kann der auch ausgeliehen werden?" sragte ich und brachte meinen Springer in Sicherheit. „Ja, zum Kukuk , hier auf dem Lande sind wir gefällige Leute. Prosit!" „Prosit! Das ist ein ausgezeichneter Portwein! Wir fahren also morgen nach Oesterskovgaard, nicht wahr?" „Sticht bei solchem Wetter. Schach!" sagte er plötzlich und nahni eine» seiner eigenen Bauern mit meinein Läufer. „Schon?" fragte ich und tupste ihm mit meinem Finger auf die Stirn. „Sich Unsinn, kommen Sie mir doch nicht damit? Es war nur ein falscher Zug. Wollen wir mal den Punsch versuchen?" Und wir versuchten den Punsch „Hätlen wir nur ein paar Mägdelein, um uns einzuschenken!" sagte ich. „Mägdelein?!" seufzte mein Wirth.„Ach. Gott steh' uns bei! Ich habe meiner See! während der letzten zwei Jahre kein Frauen- ztmmer gesehen!.... Sie sollen ziehen!" „Vortrefflicher Portivein!" sagte ich und schenkte ein. „Nein, aber damals, als ich die laudwirthschastliche Hoch- schule besuchte!" nickte mein Wirth und schnalzte mit der Zunge. „Schach!" sagte ich. „WaS Teufel, jetzt gilt es wohl!" sagte er und nahm meinen einen Thurm. „Das ist kein Spiel!" brauste ich auf. „Selbstverständlich!" „Sie schlachten ja!". „Sonst müßte ich doch ei» Idiot sein!" „Ja. aber das ist kein Spiel!" „Unsinn! Nnn, ziehen Sie nur!" „Ja, aber ich muß erst feststelle», daß dies kein Spiel ist!.,, Kann ick eine Zigarre nehmen?" „Nehmen Sie! Achte» Sie aber auf den Springer da k" „Ja. aber das ist kein Spiel!" sagte ich. „Ach, dummes Zeng! Natürlich ist es ein Spiel! Jeder erspäht seine» Vortheil. Darf ich mit Ihnen anstoßen?" „WaS wollen Sie?" fragte ich mürrisch. „Kognak!" Und dann stießen wir wieder>»it den Kognakgläsern an. „Mir scheint, der Himmel beginnt sich auszullSren," sagte der Landmann nnd blickte zum Fenster hinaus.
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15 (15.4.1898) 74
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