Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 90.

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And!

Sonntag, den 8. Mai.

( Nachdruck verboten.)

Der Schiffsjunge.

Eine Seegeschichte von Peter Egge . Einzig autorisirte Uebersetzung von E. Brause wetter. Er schritt dahin, ohne sie at zusehen, und wunderte sich entlich, daß er es wirklich gewagt hatte

,, Wir müssen hier einen Blumentopf faufen, Benn, in dieser Gärtnerei. Aber ich glaube, wir wollen uns erst ein bischen in dieser Restauration stärken."

Es währte eine Weile, bevor er etwas zu sagen ver­mochte.

,, Hier ist es hübsch, M Merry."

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1898

,, Nicht lachen, nicht so lachen." Sein Gesicht fühlte die weiche Hebung und Senkung der Brust, während sie lachte. Aber ihr Lachen war nicht so leicht zu unterdrücken, und es erschien ihm schließlich gefühllos, fast unheimlich. Da riß er sie plötzlich hinüber auf seinen Schoß, schlang die Arme um ihren Hals, beugte ihr Gesicht zu sich herab und küßte sie wild.

Sie ließ es geschehen; aber gleich darauf lachte sie wieder, und das erregte ihn wie alles, was ihm bei ihr under­ständlich vorkam.

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Sie blieben dort ein paar Stunden sigen.

Es war immer er, der die Liebkosungen nahm, und sie, die sie gab, nicht selten etwas überlegen lachend. Ihre Ruhe nach ihrem früheren Draufgehen erregte ihn nur noch mehr.

" Ja, lieber Benn, hier ist es wirklich hübsch!" Er fühlte mit Behagen die Zärtlichkeit, die darin lag, einander beim Sie hörte ihn gern reden und sie verstand es, ihn dazu Vornamen zu nennen.

Sie sollten diese Straße nur im Sommer sehen. Dann ist sie ein reines Paradies," fuhr sie fort.

mizu bringen. Er erzählte ehrlich von sich selbst, von seiner Vergangenheit und auch, warum er zur See gegangen war. Sie kam hie und da mit einer Frage oder einer Be­merkung und leitete auf diese Weise die Erzählung.

Sie gingen quer über die Straße und traten in das Restaurant. Die Kapitänin sprach mit einem Kellner und gab dann Benn einen Wink. Der Kellner ging mit Flaschen, Gläsern und Kuchen auf einem Tablett voraus. Die beiden andern folgten. In der zweiten Etage mußten sie über einen Korridor. Plaudern, Gelächter und Pianomusik tönte zu ihnen durch die Thüren der verschiedenen Zimmer heraus. Merry und Benn wurden in ein kleines Zimmer gewiesen.

,, Wie gut und warm es hier ist", hauchte sie hervor und setzte sich auf das Sopha. Dasselbe war klein und hatte nur für zwei Personen Plaz.

Es ist fast zu warm im Mantel." Er erhob sich.

Soll ich Ihnen ablegen helfen, Frau Kapitän?" Nein, Herr Frank." Er lachte ein wenig gezwungen und sah verwirrt an ihr vorbei. Es schlug ihm eine verwirrende Wärme von ihrem Hut, Muff und Mantel entgegen, als er die Gegenstände durch das Zimmer trug und niederlegte. Das Paar setzte sich auf das Sofa. Sie schenkte ein und sie tranten aus. Dann blieben sie still in Gedanken sizen.

Der Wein, die warme Luft und all das Wunderbare, das ihm an diesem abenteuerlichsten Tage seines Lebens wider­fahren war, machte ihn ganz verwirrt und schwermüthig. Er war glücklich und zugleich doch voll Angst. Allerhand Ge­danken und Bilder stürmten in seinem Hirn durcheinander. Er vermochte nicht, sie festzuhalten oder sie ordentlich von einander zu trennen. Das Gesicht der Mutter... der Brief. feine unerträgliche Stellung an Bord... die Abmusterung feine Zukunft... seine Gefühle für Merry... die Rückfahrt nach Europa in dem kalten Winter.

Er hatte keine Ahnung, wie lange er so gesessen. Er trant mechanisch, wenn sie ihm anbot. Sie hatte zu reden begonnen. Ihre Stimme flang leicht und lebhaft, als wollte sie ihn er­muntern, ihn aus den Gedanken herausreißen, die ihn ge­fangen hielten.

Er sank vor ihr auf die Kniee, zwischen dem Tisch und dem Sopha, lehnte die Brust an ihr kleid und legte den Kopf und die Hände in ihren Schooß und weinte bitterlich.

Bisweilen durchfuhren ihn Schatten von Reue und Angst, wenn er seine Mutter erwähnte; aber er trank sich Muth und Vergessen in dem feinen Wein und den Liebkosungen, die er begehrte und bekam.

Kurz bevor sie sich erhob, um zu gehen, sagte sie: Nun wirst Du wohl nicht mehr schwermüthig sein. Wir wollen uns hier in New- York amüsiren. Wir bleiben mindestens einen Monat hier liegen. Und dann geht es wieder zurück nach Europa ." Sie lächelte froh.

Zum ersten Mal tam ihm der Gedanke: Was dann? Sollten sie dann scheiden? Dachte sie darüber nicht nach? Wollen wir übermorgen zusammen spazieren gehen,

Benn?"

Wolltest Du das wirklich?" stammelte er, von Glück überwältigt. ,, Es ist wohl kein Vergnügen für Dich, in der Roof zu fizen Dann treffen wir uns also um 7 Uhr an jener Ecke, wo wir auf den Car warteten. " Ja."

,, Es darf natürlich niemand etwas davon wissen." Nein." Er blickte zur Seite.

Sie tranfen aus, bezahlten und gingen.

In der Gärtnerei wurde ihm eine kleine Pflanze in einem Blumentopf übergeben. Sie hatte kleine bunte Blätter. Benn konnte sich nicht erinnern, eine solche schon je gesehen zu haben, und er nahm an, sie müßte sehr selten und kostbar sein.

Sie schrieb auf ein Stück Papier , das sie bei dem Gärtner befam, die Pferdebahnlinien auf, die er benußen sollte, und begleitete ihn dann bis zu der Ecke, wo sie aus. gestiegen waren.

Sie hätte einer Kousine für heute Abend einen Besuch versprochen und könnte ihn nicht unterlassen, erzählte sie.

Während sie da standen und auf die Pferdebahn warteten, steckte sie ihm einen Dollarschein in die Hand.m " Da ist Fahrgeld, Benn."

zu

,, Aber das ist ja viel zu viel."

" Ja, aber ich habe kein Kleingeld."

sie

Er entsann sich jedoch, kleines Geld in ihrer Börse gesehen haben, als sie bei dem Gärtner bezahlte; aber er wollte nicht in Verlegenheit bringen, indem er ihr bewies, daß

Sie strich über sein Haar hin: Lieber Benn, armer Benn, bist Du so schwermüthig? Warum weinst Du, Benn?" Sie sentte die Stimme und hob seinen Kopf empor, so daß sein thränenfeuchtes Gesicht ihr zugekehrt war. sie

"

Warum weinst Du? Hast Du kein Vertrauen zu mir? Set' Dich her zu mir!"

Er that es, und mit vielen, tröstenden Worten fragte sie wieder, warum er weinte.

Eine ganze Weile antwortete er nicht. Schließlich lächelte er durch Thränen und sagte hervorstoßend: " Ich weiß... nicht.

Dich so lieb habe."

vielleicht ist es... weil ich

Sie lachte schallend laut auf. Und ungeheuer verlegen und glücklich drückte er sein Gesicht an ihre Brust, als wollte er sich verstecken.

,, Nichts weiter," und sie lachte, so daß ihr fast der Athem berging und darüber weinst Du?"

"

Sie brachte die Worte garnicht hervor. Du bist doch ein seltsamer Kauz.." Die Thränen traten ihr in die Augen, so lachte sie.

Log.

,, Du kannst ja den Rest zurückbekommen, wenn wir uns übermorgen treffen." ,, Gewiß, Benn."

Einen Augenblick später rollte der Pferdebahnwagen heran, und er stieg ein. Er setzte den Blumentopf neben sich auf die Bank und lehnte sich gegen die Wand zurück.

In den ersten Minuten fühlte er sich enttäuscht und von ihr verlegt, weil sie gelogen hatte. Es war, als konnte er nicht mehr so, wie früher, an sie denken.

Bah, sie hatte es ja so gut gemeint, sie hatte natürlich Mitleid mit ihm und wollte ihm helfen.

Er war ja so unglücklich gestellt, der Arme, und dann war er so empfindlich!

Darum hatte sie ihm auch Abmusterung versprochen. Und außerdem liebte sie ihn ja. Sie war in den beiden Jahren, da sie mitgesegelt, ein reiner Seemann geworden,