Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 118.

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Sonntag, den 19. Juni.

( Nachdruck verboten.)

Um die Freiheit.

1898

Der Bürgermeister, der vor seinem Schreibtische siẞen ge­blieben war, strich sich über die schmale, spiß zulaufende Stirn, als ob er etwas wegwischen wollte. Die Denunziation war

Geschichtlicher Roman aus dem deutschen Bauernkriege 1525. ihm willkommen, der Angeber widerwärtig. Indessen war er

Von Robert Schweichel  .

Dem Mädchen perlten die Thränen über die braunen Wangen. Jetzt schlug sie die nassen Augen zu ihm auf und sagte: Freilich, sie gehört zu denen, die uns armen Leuten den Fuß auf den Nacken sezen. Aber es thut halt weh, die Lieb' aus dem Herzen zu reißen."

,, Aber es muß sein und es soll zu End' sein," rief er entschlossen.

Käthe blickte in ihren Schooß. Er stürmte hin und her. Ms er wieder vor ihr stehen blieb, sagte sie zögernd, indem sie zu ihm auffah und wie eine dunkle Rose erglühte: ch wüßte was, das Dich entzaubern könnte. Dein Herz hängt doch blos darum an ihr, weil sie gar so bildsauber ist. Die wahre Lieb' ist das nit." Langsam erhob sie sich; eine Sekunde lang blickte sie ihm in die Augen. Dann nahm sie rasch seinen Kopf zwischen ihre beiden Hände und füßte ihn dreimal auf den Mund.

nicht geneigt, den erhaltenen Mittheilungen großes Gewicht beizulegen. Was wollte auch das Murren einer Mandel von Bauern bedeuten? Unzufrieden waren sie ja immer; regnete es, so verlangten sie Sonnenschein, und war schön Wetter, dann wollten sie Regen; fiel die Ernte schlecht aus, dann jammerten sie und bei reichem Segen flagten sie über die niedrigen Fruchtpreise. Die Unzufriedenheit und Rottirung der Unter­thanen anderer Herren kümmerten ihn nicht; das war deren Sache und sie würden schon mit ihnen fertig werden.

Schellenklingen und Peitschenknallen auf der Gasse ent­zogen ihn seinem Sinnen. Er verschloß das Namensverzeichniß, nachdem er noch eine Bemerkung dazu geschrieben, in seinem Bulte und trat an das Fenster. Ein Schlittenzug ordnete sich vor dem Hause: die Geschlechter wollten den klaren Wintertag ausnutzen. Die ein- und zweispännigen Schlitten hatten die Gestalten von Muscheln, Seejungfern, Drachen, Schwänen, Gondeln und waren mit lebhaften Farben bemalt. Die Kufen bogen sich vorn hoch auf und trugen mythologische " Jezt bist Du frei," lachte sie darauf verwirrt und wollte oder allegorische Figuren. Bunte Federbüsche nickten von zurücktreten. Hans aber, der nicht wußte, wie ihm geschehen den Köpfen der Pferde, und die Geschirre waren mit war, hielt sie fest. Käthe!" murmelte er verwirrt, Säthe!" vielen Schellen behangen. Zwei als Türken verkleidete Da schlang sie beide Arme um seinen Hals und flüsterte: Knechte ritten, fortwährend mit ihren Hezpeitschen knallend, ,, Ach, Hans, ich hab' Dich gar so lieb!" bor   dem buntschillernden Zuge, der klingend quer über den Marktplatz nach dem Röderthore und durch dieses auf glatter, glitzernder Bahn gen Ansbach   dahinsauste. Gleich in dem ersten, eine goldene Muschel auf rothen Stufen darstellenden Schlitten, dessen Gespann der Bräutigam Sabines von Muslor lenfte, saß neben dieser die schöne Gabriele in einem firsch­rothen Atlaspelz. Sie hatte das mit Marder verbrämte Barett teck in die weiße Stirn gedrückt und ihre schwarzen Augen blikten übermüthiger als je.

Der kleine Martin machte mit einem Steckenpferde vor ihnen halt und fah verwundert zu ihnen auf. Sie bemerkten es nicht.

Die Glocken läuteten den Gottesdienst aus. Käthe feufzte. Noch einmal bot sie den kirschrothen Mund dem blondlockigen Gesellen, und er rief aus voller Brust: Ich wollte, daß sie schon Sturm läuteten!"

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Um dieselbe Zeit ungefähr stand Gabriel Langenberger in der Stube des ersten Bürgermeisters auf der Herrengasse. Der Wirth Zum Bären" war angethan mit einem Wams von grasgrüner Farbe, die fein käsiges Gesicht wie an­geschimmelt erscheinen ließ. Dazu trug er dottergelbe Hosen, die unter dem Knie gegürtet waren, und feuerrothe Strümpfe. Herr Erasmus, der einer leichten Unpäßlichkeit halber im pelzgefütterten Hausrocke sich befand, mußte ein Lachen über die groteske Erscheinung des Mannes unterdrücken, der in ehrerbietiger Entfernung vor ihm stand und seine Augen in dem reich ausgestatteten Gemach gewohnheitsmäßig hin und her zucken ließ.

Sechstes Kapitel.

Auf den Dächern, den Mauervorsprüngen und Zinnen des Burghauses zu Giebelstadt   flimmerte der Schnee in der Mittagssonne. Das Haus lag in unmittelbarer Nähe des Dorfes gleichen Namens auf der mittelfränkischen Hochebene, die etwa drei Stunden weiter nördlich zu dem hochummauerten Städtlein Heidingsfeld an dem linken Ufer des Mains, schräg Würzburg   gegenüber, sich herabsenkte. Die Burg war nur von geringem Umfange und von einem sumpfigen, mit Weiden­gesträuch umsäumten Wassergraben, den jetzt eine dünne Eis­Die Mienen des Herrn Erasmus wurden aber bald sehr fruste bedeckte, eingeschlossen. Hinter diesem erhob sich eine ernst. Denn Gabriel Langenberger fühlte sich von seiner hohe Ringmauer mit dicken Rundthürmen an den vier Ecken. Bürgerpflicht gedrungen, dem Oberhaupte der Stadt mitzu- Eine Zugbrücke führte füdwestlich vom Dorfe zu dem Spitz­theilen, daß am gestrigen Markttage etliche Bauern in einer bogenthor, über dem ein Geier mit gespannten Flügeln einge bejonderen Stube seiner Wirthschaft beisammengesessen und meißelt war. Auf dem engen Hofraume lag rechts das allerlei bedenkliche Reden geführt hätten. Sie hätten sich Herrenhaus, zu dessen beiden oberen Stockwerken man in den bitter beklagt, daß sie von Schoß und Steuern und Zehnten beiden Ecthürmen hinanstieg, die es flantirten. Gegenüber, gar arg beschwert wären, insonderheit durch die neue Klauen- zwischen den beiden anderen Eckthürmen, lehnten die Ställe und Tranffteuer, auch daß keiner in der Landwehr eine eigene und Schuppen mit den Futter- und Getreideböden darüber an Stuh halten dürfte; daß sie sich der Last wohl erledigen und der Ringmauer, unter deren Zinnen ein Wehrgang die weit die evangelische Freiheit aufrichten möchten, wenn sie zu- nach außen gebauchten Thürme verband. sammenständen, wie die Bauern im Rechrain, in Ober- Auf dem Burghause saßen seit unvordenklichen Zeiten die schwaben und im Schwarzwalde. Es wären ihrer fünfzehn bis sechzehn aus verschiedenen Dörfern gewesen; gekannt hätte er nur den Dorfmeister Simon Neuffer aus Ohrenbach  , den Leonhard Brenneken, den sie den langen Lienhart nannten, aus Schwarzenbronn, den Schwager des Wirthes zum rothen Hahnen, und Leonhard Mezler aus Brettheim. Von städtischen Bürgern wäre keiner dabei gewesen.

Geyer von Geyersberg. Das noch in zwei Linien blühende Geschlecht hatte bereits zu der Adelspartei gehört, die durch einen Staatsstreich die Wahl Konrad's III. zum deutschen   Kaiser er­zwungen und damit die Hohenstaufen an das Reichsregiment gebracht hatte. Die Geher von Geyersberg hatten dann in den Feldzügen und am Hofe des schwäbischen Kaiserhauses geglänzt, und als der jüngere Sohn des dritten Konrad mit Erasmus von Muslor schrieb sich die Namen auf ein feiner jungen Gemahlin auf der Burg zu Rothenburg   seinen Blatt. Er belobte den Bürgersinn des Bärenwirthes, aber fröhlichen Hof hielt, während sein Ohm Friedrich Rothbart es geschah ein wenig fühl und ebenso fühl verabschiedete er die Kaiserkrone trug, hatte man sie dort als willkommene Langenberger, nachdem dieser sein Gewissen erleichtert hatte. Gäste häufig einreiten sehen. Dieses gute Verhältniß zu der Er hätte halt nicht alles hören können, denn er hätte das malerischen Tauberstadt, die dem Rothbart seine Reichsfreiheit Haus voll Marktgäste gehabt, fügte dieser nach kurzem Besinnen dankte, ging dann freilich in Trümmer, als um die Mitte des noch hinzu und zog sich mit krummem Rücken aus der Stube. fünfzehnten Jahrhunderts die Städte zum Schwerte   greifen Mit unzufriedener Miene stülpte er vor der Thür seinen rauh- mußten, um ihr Aufblühen gegen die Habgier des wirth­haarigen Filzhut auf. Er hatte das Gefühl, als ob seine schaftlich rückständigen Feudaladels zu schützen. Damals wichtigen Mittheilungen eine andere Aufnahme verdient hätten. wurde auch Burg Giebelstadt von den Rothenburgern Als er auf die Straße tam, spuckte er giftig aus. gebrochen. Das gleiche Schicksal hatte das feste Haus der