blatt als von„socialdemokratischcm Gift". Unter allen Um-ständen aber kann diese Mäßigung nicht durch die günstigeKonjunktur veranlaßt sein; denn w i r erivarten— zumUnterschied von den hoffenden Kanalliberalen— gar nichtsund halten die Junkerschaft für nicht im mindesten zer-schmettert.Die„Kreuz- Zeitung" wird natürlich nur zu dem Zweckekonfus und dumm, um ihre Feigheit unehrlich zu verhüllen.Die Tapfere empfindet Unbehagen in ihrer jetzigen Kampf-stcllung und bietet deshalb das rote Gespenst auf, um den Grollder Regierung von sich abzulenken. Die Beschwörungsformel,mit der sie das Gespenst citiert, ist natürlich so sinnlos wiealle derartigen Sprüchlein.—Nach dem Blutbad in Graslitz.—st— Wien, 23. August.Die Ermordung von fünf wehrlosen Menschen— so und nichtanders muß man das in Graslitz angerichtete Blutbad bezeichnen—hat in ganz Oestreich die tiefste Bewegung hervorgerufen. Wenn esauch anderswo noch nicht zu so schrecklichen Vorfällen gekommen istwie es die in Graslitz waren: wo es keine lokale Emeute war,sondern nur eine Episode— wenn auch die erbitterndste— in einerallgemeinen Volksbewegung, das wagt selbstdie Regierung nicht zu leugnen. Thatsächlich zeigen dieVorgänge in Oestreich die vollständige AuflösungdesStaates.Die Minister sitzen apathisch in ihren Bureaus! dnh eS in Oestreichnoch so etwas giebt, was man sonst als eine Regierung bezeichnet,entnimmt man nur dem Amtsblatt, das von Zeit zu Zeit eine neueVerfassungsverletzung dieser unseligen Regierung meldet. Die Schüssevon Graslitz sagen an, ivie es heute in Oe st reich aus-schaut. In ganz Deutschvstreich ist die Erbitterung über den dreistenVersuch, ein mündiges Volk absolutistisch regieren zu wollen, ebensotief wie allgemein. Daß angesichts der verzweifelten Stimmung aneine Belebung des Parlaments nicht zu denken ist, liegt auf der �and.Die Stimmung ist derart, daß den Wählern, und zwar socialdemo-kratischen genau so wie den deutsch-nationalen, z e d e s Mittelvon Opposition, Obstruktion, ja selb st physischeGewalt recht ist, wenn es nur geeignet erscheint,den unerträglichen Zuständen ein Ende zu machen.Deshalb ist es so ziemlich sicher, daß der anfangs belächelte Gc-danke, die Delegiertenwahlen zu verhindern, bis zum Zusammeistrittdes Reichsrates immer festere Formen annehmen wird, und wenndie Regierung Thun bis dahin nicht abgetreten ist, auch verwirklichtwerden wird.Graf Thun war vorige Woche in Ischl beim Kaiser, und wennauch mit einer gewissen Absichtlichkeit versichert wird, es habe sichbei dieser Audienz nur um die Berichterstattung über laufende An-gelegenheiten gehandelt, so deutet schon die lange Dauer der Be-sprechung— sie währte fast vier Stunden— darauf, daß sichziemlich ernste Dinge vorbereiten. Zweierlei kann geschehen:entweder die Regierung Thun fällt, bevor der Reichsrateinberufen wird, was bedeuten würde, daß man oben nochimmer an die Lebensfähigkeit dieses Parlaments denktund nach Mitteln suchen will, um den Reichsrat aktiousfähigzu gestalten; oder aber die Todesstunde dieses Parlaments hat«ntgültig geschlagen. Denn gelingt es, die Wahlen der Delegationzu verhindern, so bleibt der Regierung zum Leben nur der nackteVerfassungsbruch, nur die formelle Sistierung der Verfassung. Wiedie Dinge liegen, so spricht die größere Wahrschemlichkeit dafür, daßman es zu einem Kampf im Parlament um die Delegationswahlenkommen lassen will. Daß aber der arme schon ganz aus den Fugengebrachte ReichSrat diese neue Erschütterung nicht aushalten, sonderndaran zu Grunde gehen wird, ist nur zu sehr sicher.»Die amtliche Darstellung über die Ursachen des GraSlitzerMassakres— die auch nach Berlin telegraphiert wurde— erweist sich nach allen privaten Nachrichten als unverschämte Lüge.Daß ein Schuß gegen die Gendarmerie gefallen wäre, ist ebenso er-logen, wie daß die Gendarmen aus Notwehr gehandelt hätten.Im Gegenteil ist daS Blutbad einzig und allein auf denstreberischen Eifer eines nach Graslitz delegierten Kommissarsnamens Rott zurückzuführen, der offenbar nach oben demonstrierenwollte, wie gut er es treffen würde, die Erbitterung der Bevölkerungniederzuhalten. Am Sonntag fanden in Graslitz' überhaupt keineDemonstrattonen statt: es waren nur die Gassen so belebt, wie esin Landstädten am Sonntag abends immer der Fall zu sein pflegt.Da ließ der Kommissar provokatorisch einen Trupp von 16 Gendarmenaufmarschieren, um den Marktplatz zu„räumen". Die Gendarmen.meist Czechen, benahmen sich dabei äußerst brutal, was die Erregungnatürlich nur steigerte. Es dauerte nicht lange und es strömten vonallen Seiten eine Menge Menschen herbei. Die Erbitterung machte sichin Steinwürfen auf das Amtsgebäude Luft, worauf die Gendarmenmit Kolben und Bajonetten ans die Leute losgingen. Ilm Uhrkamen ein paar hundert Arbeiter von einem Feste aus dem benach-karten Eger zurück und die Menschen stauten sich, als die Gen-darmen wieder einmal einen Bajonettangriff unternommen hatten.Da sprengen die Gendarmen zurück, im Eilschritte ging es in dieMitte bei Ringplatzes und jetzt wurde auf 3v Schritteein Schnellfeuer auf daS Hotel, wo sich die Deutsch-nationalen befanden, und in die Gasse, wo die Ar-beiter gedrängt worden waren, abgegeben. Fünf Personenlagen schwer verwundet auf dem Straßenpflaster, eine große Zahlwaren leicht verwundet. Alle sind von rückwärts angeschossen.Der Arbeiter Diese war soeben vom Bahnhof an-aekommen: er erhielt eine Schußwunde in den linken Ober-schenkel und starb nach 1�/» Stunden. Cr ist Vater von sechs Kindern.Furchtbar war der Jammer feines WeibeS. Mehrere Kugeln fielengegen den ersten Stock des Hotels, zwei Kugeln drangen ein.Eine zerstörte die Gasleitung, wodurch das größte Unglück hättehervorgerufen werden können.Am Montag kehrte sich die Wut der Bevölkerung gegen denKommissar Rott, der die Gendarmen herbeigeholt hatte, dessenprovokatorisches Vorgehen die Menge reizte und der an dem Blut-vergießen unzweifelhaft die größere Schuld hat. In den Fabrikenwurde nicht gearbeitet; wo sich die Gendarmen zeigten, wurden siemit Steinen beworfen. Am Mittag sammelte sich fast die ganzeBevölkerung, etwa 6000 Menschen, vor dem Amtsgebäude an, furcht-bar erregt und zu allem fähig. Ihre Forderungen waren: Kommissar Rott muß fort, die Verhafteten müssen freigelassen werden.Immer drohender wurde die Situation. Der Gewerbe-Ausschnßtrat nun zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen, an der auchdie Abg. H 0 f e r und Verkauf teilnahmen. Der mittlerweileaus Karlsbad angelangte Statthaltereirat gab die Versicherung, daßRott die Stadt sofort verlassen werde, und der Bürgernieister teiltedas der Bevölkerung in einem Aufrufe mit, der von den Vertrauens-männern aller drei Parteien, der socialdemokratischen, nationalen undliberalen unterzeichnet war. Dadurch und den persönlichen Be-mühungen der beiden Abgeordneten gelang es, die Bevölkerung zuberuhigen. Das mittlerweile eingetroffene Militär erhielt die Weisung,zwei Stunden auf dem Bahnhof zu warten, die zehn Verhaf-tetsen wurden freigelassen und allmälich kehrte die Mengezur Arbeit zurück. Heute nachmittags findet da» Leichenbegängnisder Toten statt.*» �Wie inzwischen telegraphisch gemeldet wurde, hat gestern nach-mittag in Graslitz das Leichenbegängnis der bei den Straßenkämpfenam Sonntag Gefallenen stattgefunden. Die Zahl der Teilnehmeran dem riesigen Leichenzuge betrug viele Tausende. Es fand nichtdie geringste Störung statt. Auf dem Kirchhofe sprachen die Ab-geordneten Hofer und Dr. Verkauf, beide in den schärfsten Wortengegen das herrschende System sich wendend. Zahllose Kränze wurden 1am Grabe der Gefallenen niedergelegt.Erneut werden aus anderen östreichischen Gegenden Unruhenberichtet, so fanden gestern abend in Klagenfurt Kundgebungen statt,insbesondere vor dem fürstbischöflichen PalaiS. Eine KompagnieLandwehr rückte zur Unterstützung der Wache aus. Vor dem Rat-I hause sammelte sich.eine Menge an, welche die Freilassung derLeute verlangte, die im Laufe der Kundgebungen verhaftet wordenwaren. Um Mitternacht war die Ruhe wieder hergestellt.—***Deutsches Weich.Eine koilstseierte Goethe-Nummer.Es wird fortkonfisciert. Diesmal ist es eine Goethe-Nummer,die des„Süddeutschen P 0 st i l l 0 n die wegen des„dringen-den Verdachts" der N.kajcstätsbeleidignng am Donnerstag beschlag-nahmt worden ist.— Nach der Konfiskation der Goethe-Nummer, diezumeist aus Goethe-Citaten besteht, wird die Beschlagnahme derGoetheschen Werke selb st unausbleiblich folgen. Doch wirdman diese Hauptaktton, wie wir hören, als finnige Jubilar-Ehrungbis zum 23. August auffchieben.—Die Anweisung, den„Postillon" der Polizei einzuverleiben, gehtvon der Münchener Staatsanwaltschaft aus und ist anscheinend inganz Deutschland ausgeführt waren. Inkriminiert ist da» Bild aufder letzten Seite._Gegen die giinzlich unmotivierte Konfiskation de?„Vor-wärts" haben wir Beschwerde eingelegt, von der wir erwartenmüssen, daß ihr sofort stattgegeben wird. Eine einzige flüchtigeDurchsicht der Nottz, die in jedem konservativen Blatte stehenkönnte— sofern es den Abscheu aller anständigen Menschen gegendas Denunziantentum teilt— sollte die Behörde überzeugen, daßein unverständlicher Mißgriff begangen worden ist.In welcher Hast übrigens die große Aktion vorgenommenworden ist, geht aus dem einen Umstände zur Genüge hervor,daß die ünserem verantwortlichen Redacteur zugegangene Bestätigungder Beschlagnahme nicht einmal den gesetzlichen Vor-schriften genügt, insofern, als die gesetzlich verlangte Angabeder inkriminierten Stelle fehlt.—Ragont-Politik. Herr Naumann setzt seine Nagout-Kochküustefort und delektiert sich an seinem selbsterfuudenen Rezept:„Kaiser,Großindustrie, Liberalismus, Socialismus als Ueberwinder deskonservativen Regiments". Die vorliegende Situation veranlaßteauch den republikanischen Socialisten, für den Kaiser als möglichenMitkämpfer gegen die Konservativen Interesse zu haben.Herr Naumann ist gegen die vorige Woche schon vorsichtiger ge-worden. Er spricht nur noch von möglichen Mitkämpfern. Auchscheint er seinen Satz vergessen machen zu wollen, daß es ganzaleichgültig sei, in welchen verfassungsmäßigen Formen der Kaiserdas Volk groß und stark und glücklich mache. Aber die heilloseVerwirrung ist geblieben.Wir wünschen Herrn Neumann allen Erfolg mit seinem im«perialistisch-absolutistisch-mysttsch-verzllckten Gottesdienst. Er magals Minister oder gar Reichskanzler für seine Gläubigkeit belohntwerden, und dann Miguels Sammelpolitik weit übermiqueln.Aber wir Socialisten finden keinen Geschmack an diesem Kunstragout,dessen Folgen für Kopf und Magen der Erfinder bald verspüren wird.Der Junker wird niemals von oben, sondern nur von unten über-wunden.Und damit, guten Appetit, Herr Naumann! Rühren Sie imInteresse der besseren Verdaulichkeit Jhr Gemengsel nur recht tüchtigdurcheinander. Daß Sie übrigens den„Vorwärts"«Ton nicht mehrvertragen können, finden wir verständlich. Sie sind schon an denHofton gewöhnt.—O,• dies« Zwaugsinnungen! Die Schneider in Halberstadthaben als einziges Gewerbe dieser Stadt eine Zwangsinnung ge-bildet. Diese hat sich am Montag konstituiert. Bei der Wahl de»Vorstandes wurde der socialdemokratische Vertrauensmannfür Halberstadt, Genosse Schönfeld, mit 83 von 136 abgegebenenSttmmen zum Obermeister gewählt. Auch die übrigen Vor-standsmitglieder sind sämtlich Jnnungsgegner.—Ladenschluß und Politik. Das Personal deS Konsumvereinsin Stettin hatte an den Vorstand das Ersuchen gerichtet,die Geschäftsläden deS Vereins am vergangenen 1. Maizu schließen. Der Vorstand, der auS den Socialdemo-kraten Herbert, Knappe, Lösewitz und Müller besteht, solldadurch den§ 1 des Genosscnschaftsgesetzes verletzt und Politik ge-trieben haben. Die vier Genossen wurden deshalb vor Gerichtcitiert. Obwohl die Angeklagten den einfachen Sachverhalt mit ein-fachen Worten darlegten, blieb derAmtsanwalt doch bei seiner politischenAuffassung und.beantragte Geldstrafen gegen sie. Der Gerichtshoferkannte auf Freisprechung, allerdings mit einer immerhin befremd-lichen Begründung. Es sei zwar der Verdacht vorhanden, daß dieSchließung der Verkaufsstellen auS politischen Gründen erfolgt sei, essei aber nicht bewiesen. Der Vorstand hätte die Schließung am l. Mai auchaus dem Grunde eintreten lassen können, weil er sich sagte, daß andiesem Tage doch fast gar nickts gekauft werde.Wenn in einem Konsumverein, dessen Personal und Vorstandpatriotisch gesinnt ist, das Personal die Schließung der Geschäfte amSedantage wünschte und erlangte, wäre dann auch der Verdachtvorhanden, daß die Schließung aus politischen Gründen erfolgt sei?Eine bequeme Methode, sich ihrer Verantwortlichkeit für dieSicherheit des reisenden Publikums ohne Kosten zu entledigen, hatsich die sächsische Staatsbahn-Verwaltung zurecht gemacht. Amschwarzen Brett des HauptbahnhofeS in Dresden ist folgende Be-kanntmackmng zu lesen:„Wegen des gefährlichen Aussteige»« auf den Haltepunkten Overgrund und Niedergrund wird dem Fahrpersonalstreng zur Pflicht gemacht, für die Sicherheit der Reisenden be-sonderS zu sorgen. Zunächst ist darauf zu halten, daß Pasiagieredahier in möglichst zusammenstehenden Wagen derart untergebrachtwerden, daß sie auf den genannten Haltepunkten den Perron er«halten.Für die strikte Durchführung dieser Anordnung ist der Zug-fiihrer verantwortlich.DreSden-A, den 11. August 1399.Personen-Hauptbahnhof.Schmutzler, St.-Asst.Auf dem betreffenden Haltepunkte sind nämlich die Perron? zukurz und dem heutigen Verkehr nicht mehr gewachsen. Anstatt sielänger zu machen, wird daS Fahrpersonal verantwortlich gemacht,was natürlich nichts kostet.—Wegen MajestätSbclcidignng ist in S t e n d a l ein Fleischer-zeselle Kratzet zu einem Jahr Gefängnis verurteilt worden. Erhatte in einer Schöffengerichts-Sitzung, in der er wegen Bettelnsvenirteilt wurde, eine' unpassende Aeußerung über den Kaiser, wieer sich entschuldigt, in der Erregung über die scharfe Verurteilung,gethan.Ausland.Zur Pestgefahr.Die Pest breitet sich in Oporto weiter aus, jedoch ohne heftigaufzutreten. In der vorgestrigen Nacht kamen ein Todesfall undzwei Erkrankungen vor, gestern zwei Erkraukungsfälle. Demnächstkommt ein russischer Arzt nach Oporto. um bei der Bekämpfung derPest mitzuwirken. Die kaufmännische Vereinigung in Oportorichtete an Professor Dr. Robert Koch da« Ersuchen, zum Studiumder Seuche nach dort zu kommen.Einen instruktiven Bericht über die Lage in Oporto veröffentlichtdie„5löln. Ztg." Danach treffen die portugiesischen Behörden diewidersprechendsten Maßregeln. So haben sie unter anderem Ver-gnügungszüge verboten, lassen aber die betreffenden Reisenden ohneAnstand in gewöhnlichen Zügen nach Belieben wallfahrten. Eingroßes Fest, gegenüber Oporto, auf dem linken Douro-Ufer wurde,wie alle Menschenansammlungen im allgemeinen, verboten; aberschließlich ebenso abgehalten, als ob es nicht verboten gewesen wäre.Die Specialität dieses Festes ist die Wassermelone und der saureLandwein, sicher zwei vorzüglich» Unterlagen für»ine gründlicheUnVerdaulichkeit.Die in Oporto sonst verkehrenden Dampfer, heißt e» weiter,fahren zum größeren Teile vorbei und nehmen keine Fracht von undnach unserem Hafen. Die Stadt ist in acht Gesundheitsbezirke ein«geteilt und für jeden ein Arzt mit besonderen Vollmachten ernanntworden» der mir Polizei und Chlorkalk die am schlimmsten duftendenWinkel bearbeitet; andererseits wieder sterben Leute unter ver-dächtigen Umständen und werden in gewöhnlicher Weise, ohne jedeVorsichtsmaßregel begraben, weil eben die Behörden den Kopf nichtoben haben, und doch haben sie seit dem 8. Juli, wo der erste Fallzu ihrer Kenntnis kam, Zeit genug gehabt, Vorbereitungen undMaßnahmen in umfassender Weise zu treffen, falls wie eS geschehen,weitere Fälle eintreten sollten.Von einigen Blättern war gemeldet worden, daß auch inNeapel und Palermo verdächtige Krankheitsfälle vorgekommen seien.Jetzt wird die Meldung von den italienischen Behörden dementiert.Die„Tribuna" teilt mit, daß die Sanitätsbehörden auf da» be-stimmteste in Abrede stellen, daß irgend ein auch nur entfernt ver-dächtiger Fall in Italien vorgekommen sei.Auch die„Agenzia Stefani" bringt ein Dementt. Der Ge-sundheitszustand, heißt es darin, sei im ganzen Königreich ein vor-züglicher. Der Minister des Innern habe den Präfekten aufgetragen,den Urheber der falschen Nachricht zu ermitteln, um ihn nach demGesetze zu bestrafen.Dagegen kommen aus Bukarest sehr ernste Meldungen. Infolgeamtlicher Mitteilungen vom Auftreten der Pest in Astrachan ist dieAbsperrung det rumänisch- russischen Grenze angeordnet worden.Nur in Galatz, Falcius, Lipkany und Radautz, wo strenge Ueber-wachung stattfindet, ist der Uebertritt möglich. Reisende müssen sichdurch seitens des rumänischen Konsulats visierte Pässe ausweisen,aus welchen ersichtlich ist, wo sie sich in den letzten zwanzig Tagenaufgehalten. Unmittelbar von Astrachan kommende Reisende werdenan der Grenze zurückgewiesen. Das Gepäck wird gründlicher Des-infektton unterworfen.' Längs der russischen Grenze wird ein starkerMilitärkordon aufgestellt, um widerrechtlichen Uebertritt zu verhindern.Alle Provenienzen jaus den verseuchten Gegenden werden in Eon-stautza zurückgewiesen und nach Sulina zurückgeschickt, wo sie einerdurchgreifenden zehntägigen Quarantäne unterworfen werden.—bestreich-Ungarn.Abschaffung der Socialdemokratie. Ein Parteigenoff» ausLeipzig veranstaltete auf Einladung böhmischer Genossen in Böhmeneinige wissenschaftliche Vorträge. In der Nähe von Karlsbad sollteer über Erziehungsfragcn sprechen. Nachdem er von der Bezirks-hauptmannschaft vergeblich zum Verzicht auf den Vortrag zu be-stimmen versucht worden war, erhielt er folgendes Schreiben vondieser Behörde:K. k. Bezirkshauptmannschaft.Karlsbad, am 21. August 1899.An Herrn Karl Wiesenthal, Schriftsteller aus Leipzig.Im Grunde des§ 2 des Gesetzes vom 27. Juli 1871, R.-G.-Bl.Nr. 83, werden Sie aus allen im Reichsrate vertretenen König-reichen und Ländern für immer abgeschafft, weil Ihr Lufent-halt daselbst aus Rücksichten der öffentlichen Ordnung sich als un-zulässig darstellt, und haben Sie sonach daS obengenannte Gebietzu verlassen.Könnte nicht die östreichische Polizei den Versuch machen, durchsolch einfache? Dekret die ganze Socialdemokratte.für immer ab-zuschaffen"?—Belgien.Socialistischer Kongreß. In der gestrigen Versammlung desGeneralrats der Arbeiterpartei wurde beschlossen, einen allgemeinenKongreß der Partei auf nächsten Montag nach Brüffel einzuberufen.Auf der Tagesordnung steht die Beratung der Mittel, die von derRegierung vorgeschlagene Wahlreform zu verhindern. Unser» Ge-nosien wollen rücksichtslos gegen die Annahme des vorgelegten Pro-portionalwahlrechts- Entwurfs im Parlament vorgehen, wenn nichtzugleich das gleiche Stimmrecht anerkannt wird oder vorher eineBefragung des Landes stattfindet. Wie gemeldet wird, wollen einig»Deputterte aus den Gebieten Charleroi und MonS den Genera lstretkvorschlagen, doch besteht im allgemeinen wenig Aussicht auf Annahmedieses Vorschlages.—Serbien.Attentatsprozeß in Serbien. AuS Belgrad wird un» ge-meldet: In den Kreisen der adikalen Partei wird versichert,«S seieneinigen Personen von russischer Seite Abschriften wichtigerDokumente zugestellt worden, welche die von Milan demaren Alexander III. gegenüber eingegangenenerpflichtungen betreffen. Diese Schriftstücke sollten zu Beginndes Attentatsprozesses veröffentlicht werden, weshalb der Beginn derVerhandlungen immer wieder hinausgeschoben worden sei. Bi» jetztaber seien alle Bemühungen MilanS und seiner Minister, die AuS-führung dieser Drohung unmöglich zu machen, vergeblich gewesen.Herr Mtliccwitsch, der bisherige Kabinettssekretär de» König»,wurde zum serbischen Gesandten in Bukarest ernannt. Sein Nach-folger als Kabinettssekretär wird der Profeffor an der HochschuleWeljkovitsch.—Ruhland.Auswanderung aus Finnland. Wie die„Nha Pressen" undandere finnische Blätter berichten, erfolgt die Auswanderung derFinnländcr in immer umfangreicherem Maße. Seit Februar habenvercits 8000 Eimvohner ihre Heimat verlassen. Die von der finn-ländischen Arbeiterschaft organisierte Vereinigung„Kalewa-Volk"wird in kürzester Frist mehrere Personen nach Austtalien entsenden,um daselbst geeignete Landstriche für die Auswanderer auszuwählen.Andere Kundichafter haben sich bereits nach Amerika begeben, umdaselbst Umschau nach geeigneten Ortschaften zu halten, wohin derStrom der Uebersiedler gelenkt werden könnte.Afrika.Zur TransvaalkrisiS. Ueber den Inhalt! der in London ein-getroffenen Antwort der Transvaalregierung verlautet bis jetzt nichtsNäberes. Nach einem Drahtbericht der„Voss. Ztg." anS Londonverlangte die Buren-Regicrung als Gegenleistung für die neuen Zu-geständnisse an die Uitlanders, daß England auf seine Souzeränetätüber Transvaal verzichte. Chamberlain habe da» Ansinnen al» unzulässig zurückgewiesen.—_Eine Kreiskonferenz für den ersten nassauischenWahlkreis tagte am Sonntag in Heddernheim Aus dem Berichtdes Vertrauensmannes ging hervor, daß in der Zeit vom 1. Sep«tember 1898 bis 31. Juli 1899 ein Ueberschuß von 938 M. erzieltwurde, so daß das Kreisvermögen auf 1027 M. angewachsen ist.Zur Frage der Gemeindewahlen wurde folgende Resolution an-genommen:„Die heutige neunte Parteikonferenz de» 1. nassauischen Wahl-kreises empfiehlt den Genoffen, überall, wo es möglich ist, sich anden in diesem Jahre stattfindenden Stadtverordnetenwahlen/ sowiean den in den nächsten Jahren stattfindenden Gemeinde-Ersatzivahlenzu beteiligen. Die Konferenz ersucht die anwesenden Delegiertendringend, auch da, wo keine Aussicht auf Erfolg vorhanden ist, einenVersuch zu machen."Der Antrag, nur solche Kandidaten aufzustellen, die das social-demokratische Programm anerkennen, fand merkwürdigerweise Wider-spruch, wurde dann jedoch angenommen.Die„Volksstimmc" in Frankfurt a. M. wird vom 1. Januaran eine wesentliche Erweiterung erfahren, die damit zusammenhängt,daß die dortigen Parteigenossen die Druckerei in eigene» Betriebübernehmen werden.Volilrilichr», Gerichtliche» usw.— Wegen Beleidigung des Sekretärs des Gewerbe-Schieds-gerichts in Crimmitschau wurde der Redacteur deS„Textilarbeiters",Genosse Wagener, am Dienstag von der Ferien- Strafkammer de«Landgericht» in Chemnitz zu einem Monat Gefängnis und denüblichen Neb»»strafen verurteilt.