Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 127.

Freitag, den 1. Juli.

Das wolle Gott   nicht!" rief sie betroffen.

1898

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( Nachdruck verboten.)

Um die Freiheit.

,, Mit Gewalt ward's ihm genommen, mit Gewalt nimmt er es wieder. Das ist die Ordnung der Welt."

,, Eine entsetzliche Ordnung," seufzte Frau von Menzingen  

Geschichtlicher Roman aus dem deutschen Bauernkriege 1525. Wie viel Blut unschuldiger Menschen wird darum wieder

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Von Robert Schweichel.  

vergossen werden!"

,, Was kommt es darauf an!" verfekte er schroff. Ge mäßigter fuhr er fort: Uebrigens ist der Herzog int Unglück ein besserer Mann geworden, und die Württemberger werden ches hinfüro gut unter ihm haben, besser als die Leute hier unter diesem verrotteten Patriziat. Ich, meines Theils, möchte lieber einem Haupte gehorchen, als diesen Geschlechtern; denn soviel Köpfe, soviel Blutigel am gemeinen Wohl."

Nu, ist das Ei gelegt?" fragte der wohlbeleibte Herr von Winterbach  , als die beiden Bürgermeister wieder an den Tisch kamen, und seinen Becher erhebend, fuhr er fort: bring's Euch, Herr Konrad. Ihr schauet darein, als ob Ihr der Stärkung bedürfet."

Dieser that ihm mit erzwungener Freundlichkeit Bescheid. ,, Gelegt ist's längst, und das Junge will ausschlüpfen," sagte er. Ich verwette meinen besten Durst, daß es eine Ente ist," rief ein Herr von Buchau, dem auf Wangen   und Nase die dunklen Rosen des Weins blühten.

So hoffest Du immer noch auf den Herzog?" fragte sie mit einem eindringenden Blicke, der ihn einigermaßen ver­wirrte. Der Herzog war mir stets ein gnädiger Herr, wie auch ,, Es ist kein Geheimniß, Ihr Herren," sprach Erasmus von die Markgrafen von Ansbach- Bayreuth  ," antwortete er Muslor. Vom Bundestags- Ausschuß in Ulm   ist soeben ein ausweichend. Die Ereignisse sind mächtiger als des Menschen Schreiben heruntergelangt, Herzog Ulrich ist vom Hohentwiel   Willen." ausgezogen und denket wohl, Württemberg   wieder einzunehmen." Die Frau schwieg mit der traurigen Ueberzeugung, daß

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Die Ueberraschung der Herren war groß und sie that in die Tage der Heimsuchung für sie und die Ihrigen noch nicht einem Gewirr von Ausrufungen und Fragen sich kund. vorüber wären, wie er sie hatte hoffen lassen. Die Sorge, Stephan von Menzingen war aufs höchste betroffen, allein insbesondere um Else, in deren Herzen sie besser Bescheid wußte feine Mienen verriethen nichts davon und mit fühlem Stolze als diese selbst, hielt den Schlaf von ihren Lidern fern. ließ er den Blick von sich abgleiten, den Konrad Eberhard auf ihn richtete. Das giebt ein fröhlicheres Jagen, als das auf Endsee, zu dem uns der Schultheiß zum Beschluß der Fast nacht geladen hat," meinten einige, und andere riefen: ,, Halali! Halali!" wozu Herr von Winterbach   mit dem Munde den Ton des Jagdhorns nachahmte. Die vollen Lippen des Ritters von Menzingen   verzogen sich verächtlich. Um es zu verbergen, erhob er seinen Becher und trank.

Und der Gedanke an Else war es, der auch Max wach erhielt. Wohl war er sich bewußt, daß er sie liebte, allein die beseligende Ahnung, in der er von ihr geschieden war, wollte in der Einsamkeit nicht Farbe halten. Er konnte sich getäuscht haben, er hatte sich gewiß getäuscht: das Glück, von ihr geliebt zu werden, dünkte ihn zu groß, als daß es wirklich sein könnte. Schmerzliche Zweifel, die dennoch voll Süßigkeit waren, be­unruhigten ihn. Wenn er sich aber nicht täuschte und ihr Im Saale   wiegten sich die Paare. Else konnte sich mit Herz ihm entgegenschlug, was sollte werden, da er kein Ver­Gabriele an Schönheit nicht messen. Allein die thaufrische mögen besaß und es noch eine gute Weile dauern dürfte, bis Jugend und Neuheit ihrer Erscheinung behaupteten ihr Recht, seine Advokatur einträglich genug war, um einen eigenen und sie wurde von den Junkern derart ausgezeichnet, daß Herd zu gründen? Das wäre unter gewöhnlichen Um­Gabriele in ihr auch eine gesellschaftliche Nebenbuhlerin erkennen ständen fein großes Hinderniß gewesen, um Else so­Denn es war mußte. Sie gab sich den Anschein, Else zu übersehen, heimlich gleich zu seinem Weibe zu machen. aber schoß sie mand) feindseligen Blick auf das junge Mädchen, Sitte, daß der Sohn die Gattin in sein elterliches Haus führte, welchem die Plagmeister wiederholt junge Herren zuführten, die und die Eltern dessen Haushalt unterstützten, bis er auf eigenen um die Ehre eines Vortanzes mit ihr warben. So verstohlen Füßen stehen konnte. Die Patrizierhäuser waren geräumig waren diese Blicke freilich nicht, daß Else nicht manchen davon genug, um zwei Familien zu beherbergen, auch das Konrad aufgefangen hätte. Jedoch war es nicht das ihr unverständliche Eberhard's. Bei dem gespannten Verhältnisse zwischen seinem böje Flammen der schwarzen Augen, weshalb sie trotz ihres Er- Vater und ihm konnte May nicht daran denken, diesen alten folges weit hinweg sich wünschte. Die Ungebundenheit und Gebrauch für sich in Anspruch zu nehmen, selbst wenn es sein mehr noch die losen und lockeren Reden ihrer Tänzer ver- männlicher Stolz zugelassen hätte. Ebenso war es auch aus­legten sie. Es war eine wüste Welt, und sie empfand ein geschlossen, daß sein Vater für ihn bei dem Ritter von Men­Grauen vor ihr. Wenn Max mit ihr tanzte, athmete sie auf. zingen um Else's Hand würbe. Er mußte sein eigener Frei­An seiner Hand, von seinem Arm umschlungen, fühlte sie sich werber sein. Wies ihn das Berwürfniß mit dem Vater auf sich geborgen, es schmolz der Ernst in dem feinen Antlig, das aus selbst und hielt er es für unvermeidlich, daß ihrer beider Wege der Lockenfülle zu ihm ausschaute, und in ihren blauen tiefen eines Tages sich vollends scheiden mußten, um so größeres Be­Augen lag ihre ganze Seele. denken trug er, Else's Herz hinter dem Rücken ihrer Eltern sich zu sichern und ihrer Liebe heimlich, wie ein Dieb eines ge­stohlenen Schayes, zu genießen. Nein, so ungünstig die äußeren Verhältnisse für ihn lagen, er wollte zuerst mit den Stephan von Menzingen verließ mit den Seinigen zeitiger Eltern sprechen. Verweigerten sie ihm die Hand der Tochter, als alle anderen das Fest. Er hoffte daheim eine Erklärung schon der Gedanke daran erfüllte seine Brust mit brennen darüber vorzufinden, was den Herzog bewogen hatte, sein dem Schmerze, so mußte er es eben tragen; Else aber Unternehmen, das für den Anfang des Frühlings geplant war und blieb frei, und auf der Ehre beider lastete kein war, schon jetzt, um die Mitte des Monats Februar, ins Vorwurf.

Neuntes Kapitel.

Werk zu richten. Ein Diener leuchtete mit einer Fackel voran. Von solchen Erwägungen, die nur schwer zu einem festen Mar führte der Sitte gemäß seine Tänzerin an der Hand. Entschlusse sich gestalten wollten, schmerzlich hin und her ge­Sie gingen in einem wortlos beredten Schweigen. Schlafet worfen, vermochte er am nächsten Morgen seinen Geschäften füß," wünschte Max dem Mädchen leise beim Scheiden. Sie faum die nöthige Aufmerksamkeit zuzuwenden. Zum Glücke bewegte ein wenig die Lippen, allein ihre Antwort wurde für seinen Seelenzustand war er fein überlaufener Advokat, nicht zu vernehmbaren Worten. Es bedurfte deren für Max nicht; denn der leise Druck, mit dem ihre schlanken Finger dabei seine Hand umspannten, ward für ihn zum Dolmetscher ihres Herzens.

Der Ritter fand keine Botschaft vor, was ihn so übler Stimmung machte, daß seine Gattin ihn besorgt um die Ur­sache fragte. Er antwortete gereizt, ob sie denn auf dem Tanzhause nicht vernommen hätte, daß Herzog Ulrich im Begriff stände, sein Fürstenthum zurückzuerobern?

und etwa eine Stunde vor dem Mittagessen konnte er seine Schreibstube verlassen, um sich höflicher Weise zu erkundigen, wie Frau von Menzingen   und seiner Tänzerin das gestrige Fest bekommen wäre. Er fand nur die Mutter und deren Gatten. Letterer, der in der Stube auf- und abging, rief ihm sogleich mit erzwungener Lustigkeit die Frage entgegen: Nun, Doktor, was saget Ihr zu des Herzogs Ulrich Fast­nachtsscherz? Habet Ihr neuere Nachrichten, etwa von Wendel Hipler  ?" Mar, dem das Unternehmen des Herzogs in diesem

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