Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 134.
Um die Freiheit.
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Dienstag, den 12. Juli.
1898
das in der Noth gegeben, ist eben so wenig zu bauen, wie auf Sand. Die Hauptsache ist, daß die Bundesgenossenschaft
Geschichtlicher Noman aus dem deutschen Bauernkriege 1525. mit dem Herzoge die Bauern mit Mißtrauen erfüllt haben
抽選
würde. Seine eigenen Bauern haben sich lässig erwiesen, für ihn zu den Waffen zu greifen, und es ist mir Kunde worden, daß die Schwarzwälder, nachdem sie sich durch einen Vorstoß gegen Württemberg hiervon überzeugt hatten, nur aus diesem Grunde wieder sich zurückgezogen haben."
Herzog Ulrich beging die Fastnacht nicht auf dem Schlosse zu Stuttgart . Er war kein Feldherr und anstatt unverzüglich „ Ein Wunder ist's just nicht," bemerkte Wendel Hipler , auf die Hauptstadt zu ziehen, deren Bürgerschaft ihm wohl hat sich der Herzog doch laut genug vernehmen lassen, gesinnt war, vertrödelte er eine kostbare Zeit, um die Huldi- daß es ihm gleichgiltig sei, ob Ritterstiefel oder Bauernschuh gungen der württembergischen Bauern, die in der Mehrzahl ihm wieder zu seinem Herzogthum verhelfe." mißtrauisch gegen ihn blieben, entgegenzunehmen. Es gelang" Jedennoch möcht' ich zu bedenken geben, ob die Herren daher dem Truchfeß von Waldburg , ihm zuvorzukommen jegund nicht, wo sie der Furcht vor dem Herzog erledigt sind, und den Grafen Ludwig von Helfenstein mit einer be- mit aller Gewalt gegen die Bauern handeln werden?" Es deutenden Macht in die Hauptstadt zu werfen. Die Bürger- war Georg Megler, der das Bedenken äußerte.
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schaft wagte keinen Aufstand, und in dem Lager des Herzogs„ Wenn sie es können, gewiß," gab Florian Geher zu. schlich der Verrath um. Die Schweizer hielten die Einnahme Aber das hat alleweile noch gute Wege. Wo die Herren von Stuttgart , worauf sie mit ihrer rückständigen Soldforderung auf die Beschwerden ihrer Unterthanen in Unterhandlungen von dem Herzog verwiesen, für ein wenig sicheres Unterpfand. mit ihnen sich eingelassen haben, da ist's ohne Zweifel nur Zu dem hatte Georg von Frundsberg am 24. Februar König geschehen, um die günstige Gelegenheit abzupassen, ihnen über Franz bei Pavia gefangen genommen, und das siegreiche die Köpfe zu hauen."
Oesterreich forderte nunmehr nachdrücklich von der Eidgenossen-" Freilich, freilich!" riefen Simon Neuffer und die beiden schaft die Abberufung der Völker, die sie dem Herzog gestellt Megler.
hatte. Die Reisläufer der Schweiz , welche damals noch" Ja," fuhr Florian Geyer fort, aber dazu reichet die zum Reiche gehörte, hielten daher bereitwillig die Macht nicht aus, über die der Truchseß Jörg gebietet, und Hand hin, als die Unterhändler des Truchseß Jörg von Wald- der Schwäbische Bund hat nichts zu Handen. Der ist mit burg ihnen für das Versprechen, den Herzog nicht nur zu seinen Rüstungen auf die Kriegsknechte angewiesen, die zur berlassen, sondern auch an den österreichischen Feldhauptmann Zeit noch in Italien stehen, und ehe der Winter die Pässe in auszuliefern, den rückständigen Sold und ein Draufgeld aus- den Alpen nicht frei giebt, können sie nicht her zu uns." zahlten. Der Herzog mußte von Stuttgart abziehen, jedoch Und nachher ist's doch noch sehr fraglich, ob sie sich gelang es ihm, der drohenden Gefangennahme bei Nacht und gegen uns schlagen werden," bemerkte Georg Mekler.„ Sind Nebel zu entrinnen. Seine eigenen Schwäger, die beiden fie doch Bauernblut wie wir." Herzöge in Bayern , gaben das Geld zu dem Verrathe her, aufgeftachelt von ihrem Kanzler Eck, der in dem verschlagenen und herzlosen Truchseß von Waldburg ein nie versagendes Werkzeug feines fanatischen Hasses gegen die Reformation fand. Die Erscheinung mit der Ursache verwechselnd, wie es den herrschenden Klassen gewöhnlich geschieht, hielt er die Reformation, die er nie anders als die„ lutherische Büberei" nannte, für die Quelle der allgemeinen Unzufriedenheit und Aufregung und drang darauf, daß man gegen sie den Schrecken
anwende.
,, Darauf möchte ich nicht rathen, sich allzu fest zu verlassen, wenn sie auch nicht sonderlich lustig sein werden, ihre Wehren gegen ihre Brüder und Väter zu wenden," schüttelte, Wendel Hipler den feinen Kopf.
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Darum ist meine Meinung, daß wir dem Schwäbischen Bunde zuvorkommen müssen, indem daß wir die Heimkehrenden anwerben," sagte Herr Florian mit Nachdruck." Für ihre Väter und Brüder werden sie sich begeistert schlagen, wie wir für unsere Freiheit, und die Bauernheere gewinnen an ihnen einen friegsgeübten festen Kern, den keine Sorge um Haus und Hof von den Fahnen weglockt."
Das Scheitern Ulrich's an den Mauern seiner Hauptstadt hatte die Männer zusammengeführt, die in der Wohnstube des Es war mittlerweile dunkel geworden, und Georg Mezler Georg Megler zu Ballenberg beisammen saßen. Das Städt- zündete einige Stienspäne an. Er trug Räse und Brot auf lein, zwei Stunden westlich von Strautheim an der Jart, und lud seine Gäste ein, seinen Wein nicht zu verachten, wo hohenlohesches und furmainzisches Gebiet zusammenstießen, wenn er auch nur ein geringes Gewächs sei. Einen besseren war durch seine Lage hoch droben am Rande des Odenwaldes habe er im Keller nicht. Er war kein wohlhabender Mann; zu unauffälligen Zusammenfünften trefflich geeignet. In dem die Armuth der Odenwälder und seine rastlose Thätigkeit, sie Wirthshause daselbst hielten die armen, geplagten Bauern des für die evanglische Freiheit zu gewinnen, ließen ihn auf Odenwaldes, die auf Georg Mezler ein felsenfestes Vertrauen feinen grünen Zweig kommen. Um seine eigene Lage sorgte fetten, ihre geheimen Versammlungen ab. Hierher hatte er sich aber wenig und seine Mienen wie sein Wesen zeigten Wendel Hipler den Burgherrn von Giebelstadt eingeladen, nichts von der Verbissenheit seines Vetters aus Brettheim. Er und der Wirth seinen Vetter Leonhard Mehler von Brettheim war vielmehr keinem Scherze abgeneigt und im Verkehr mit den darum beschickt, der Simon Neuffer mitgebracht. Menschen umgänglicher als jener. ,, Beiß nit die Zähne zusammen,
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Florian Geyer war in der Tracht eines gewöhnlichen Better," nedte er diesen. ,, Kommen wir erst über die Reisigen erschienen; männlich schlicht und und ohne den Klöster, giebt's einen feinen Tropfen. Schenk' Dir ein und leisesten Anflug von Herablassung, die nur auf Bedienten- gieb die Kanne weiter." feelen Eindruck macht, reichte er dem Bauer seine träftige Herr Florian ergriff seinen Becher und sprach:„ Die Rechte. Simon Neuffer ward nicht müde, ihn zu betrachten, Freiheit, für die wir gemeinsam kämpfen, kennt kein Vorrecht hatte doch der lange Lienhart ihm oft von ihm erzählt. Das der Geburt und keinen Standesunterschied; sie machet uns war der Mann, den er als Bauernführer im Sinne gehabt, alle zu Brüdern." als er bei Betrachtung des Holzschnittes zu den zwölf Artikeln gegen Hans Lautner geäußert, daß es unter den Edelleuten wohl noch den einen oder anderen gäbe, der es mit den armen Leuten ehrlich meine.
Florian Geyer war innerlich froh, daß der übereilte Feldzug Herzog Ulrich's mißglückt war, und er äußerte es mit den Borten: Jett ist unsere Sache frei von aller Rücksicht auf die Fürsten , und wir können gerade auf unser Ziel losgehen. Es war ein Kuckucksei im Nest der ebangelischen Freiheit. Wir laufen keine Gefahr mehr, von ihm im Stiche gelassen zu werden, wann es etwan sein Vortheil erheischt haben würde. Denn auf ein Fürstenwort,
,, Und ihr Manifest, unsere Fahne, sind die zwölf Artikel," fügte Wendel Hipler hinzu.
Sie stießen die Zinnbecher zusammen. Darauf sagte Simon Neuffer:" Der Saft ist längst in den Bäumen; aber er treibt erst jest Knospen, wo der Frühling kommt. Es ist halt mit dem Menschen nit anders, als daß auch er im Frühling seine Straft erst recht zu spüren beginnt. Allerwärts zuckt die Hand ungeduldig nach der Wehr. Es ist Zeit!"
Florian Geyer nickte ihm zu. Sie kamen überein, daß die allgemeine Erhebung am Sonntag Judika( dem 4. April) stattfinden sollte und bestimmten als Sammelplatz das Cisterzienserkloster Schönthal an der Jart. Mit den Bauern in Schwaben , am