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( Fortsetzung folgt.)

Sonntagsplandevei.

zum Samstag Mittag Zeit zum Erivägen gelassen würde. Sie|" So beweisen wir ihm das Gegentheil!" unterstützte wurde ihm gewährt. Bis dahin mußte ja die verlangte Unter- Hipler den Hauptmann der Schwarzen Schaar. Zwingen ftügung von Stuttgart   eintreffen, hatte er doch höchst dringend wir ihn, indem wir ehrlich halten, was wir versprochen, uns darum geschrieben, die Verantwortlichkeit für jeden Nach- als Feind zu achten. Morgen um Eins, oder ist's schon theil oder Schaden, der sonst daraus folgen möchte, ablehnend. Samstag? wird es sich spätestens entscheiden." Wie die Gattin, so ermuthigte er mit dem Hinweis auf den versprochenen Beistand nun auch die Väter der Stadt, die er über das zahlreiche Bauernheer schreckensbleich auf dem Rath­hause versammelt fand. Die adeligen Herren, welche mit ihm nach Weinsberg   gekommen waren, standen unter der Bürger­schaft auf der Mauer und übten ihren Wih an den Bauern, Nun werden sie wiederum schlummern dürfen, die Walküren  die unter Waffenklirren, Gesang, Gelächter, Trommelwirbeln, und Asen. Was hat die altgermanische Sage in diesen Tagen worin sich das Brüllen des erbeuteten Viehes mischte, fort und fort stümperhaft Tyrischen Geflimpers erdulden müssen! borüberzogen. Das Wikeln der Herren aber wurde zum Drohen Es ist gewiß nicht befremdlich, daß an Bismard's Sarg die und Fluchen, wenn in dem Gewühl eine Kirchenfahne auftauchte. Ueberschwänglichkeit sowohl wie die bittere Anklage Worte fanden. Die Klöster von Schönthal   und Lichtenstern hatten sie hergeben bis zu seinen lezten Lebenstagen nicht gefargt! und der Einfluß Hat er doch selbst mit Aeußerungen seines Hasses wie seiner Liebe müssen und von ihren Trägern hatte mancher eine Altardecke seiner Persönlichkeit und seines impulsiven Temperaments iſt uns oder ein Meßgewand über die Schultern geworfen. Die heute sicherlich nicht so weit entrückt, daß ruhige Objektivität ihr Herren waren daher nur zu lustig, nachdem das Hauptheer Urtheil sprechen könnte. Zum Beweis dessen die mannigfachen vor­borübergefluthet war, mit dem Grafen zu Pferde zu steigen dringlichen Parteistimmen, die sich eifrigst anschicken, das Bismarck'sche und trotz der schwebenden Unterhandlung auf die Nachzügler Vermächtniß in ihrem Sinne zu deuten. zu fallen. Da ward erstochen und erschlagen, was sie er­reiten konnten. Bis zum Abend hielt der Graf im Rücken des Heeres und färbte die Landstraße mit Bauernblut.

Berliner   Bismard- Denkmal. Auch da hatte sich unsere Künstlerschaft zu einem überhigten Pathos verleiten lassen und es gab, so zu ſagen, lauter Bismarck  - Abstraktionen, Halbgötter   und allegorisch­Heldenhaftes. Keine einzige Bismard- Gestalt kam heraus, die an den gedrungenen erdfesten Mann erinnerte oder andererseits die un­gewöhnlich starke Energie geistiger Arbeit zum Ausdruck gebracht hätte, wie es etwa Lenbach bei dem Bildniß des nachdenklich lesenden Bismarck gelang.

Befremdlich ist nur, wie in solcher Fluth von Trauerbeflamationen, bei so vielem sentimentalem Singfang so wenig Anklänge an die wirkliche, rein menschliche Persönlichkeit Bismard's fich finden. Unter so reichen, reichen, wohlstilifirten Seufzern kaum ein ein­Die Bürger von Neckarsulm   empfingen die Bauern mit giger wehmüthiger Naturlaut! Alles heroische Bose, heroisch offenen Armen und das Ordenshaus war bald erobert. Die getragenes Bathos. Wir erleben da eine ähnliche Erscheinung, wenigen Ritter darin ließ man ungefährdet entrinnen. Reich wie vor ein paar Jahren bei dem Wettbewerb um das waren die erbeuteten Vorräthe und es ging fröhlich her in dem Städtchen und draußen auf der Wiese. Da brachten verwundete und flüchtige Nachzügler die Kunde von dem Ueberfall des Grafen von Helfenstein  , und durch das Lager auf der Wiese und durch die Gassen des Städtchens erscholl der Ruf: Verrath! Verrath!" Dazu verbreitete sich die Nachricht, daß der Truchseß Georg von Waldburg   an der Donau   senge und brenne, daß er ein furchtbares Blutbad Und nun bemüht man sich vollends um Odin   und den ganzen unter den Bauern angerichtet, den edlen Pfarrer Wehe Götterhimmel und ist knabenhaft beflissen, für Bismard einen ersten und viele andere, die zu ihnen gehalten, dem Scharfrichter Play in Walhall   zu erwerben. Aber es lebte nichts steif- statuarisches in Bismard's Gestalt, und am allerwenigsten schwärmte Bismarc überantwortet habe. Ihre Köpfe wären zu Leipheim   gefallen, mit den Helden altgermanischer Sage. Diese Art von Romantik und bei Wurzach   sollten 7000 Bauern hingeschlachtet worden wurde erst in nach- bismärdischer Zeit gepflegt. Neuerdings wiederum sein. Diese Zahl war von den Herren selbst absichtlich überholt man pomphaft dekorative Schaustücke aus dunkler Sagenzeit trieben, um die Bauern einzuschüchtern. Es geschah aber und dunkler Heldengeschichte hervor. Für dieses pomphaft Dekorative gerade das Gegentheil. Die Bauern wurden zur Wuth ent- besaß Bismarck   als flammt und schrien nach Vergeltung und Rache.

Abseits dem Lager, an dem Ufer der Sulm, saß einsam brütend die schwarze Hofmännin. Niemand störte sie, denn jeder wußte, daß sie Zwiesprach hielt mit den geheimen Mächten, mit denen sie zum Wohl der Bauern im Bunde   war. Ein Anruf störte sie aus ihrem Sinnen auf. Vor ihr stand ein Mann, barhäuptig und in zerrissenen Kleidern, der sich ihr als ein Salzführer aus Neuenstein  , namens Semmelhans, zu erkennen gab. Er hätte, wie er ihr erzählte, in der Schänke des Hans Schocher zu Weinsberg   auf das österreichische Regiment ge­schimpft und wäre deshalb eingethürmt worden. fasten hätte er gefangen gesessen; in dieser Nacht wäre er ausgebrochen. Er war gelaufen, was er konnte und kurz athmig erfundigte er sich, wo er Wolf Gerber, den Hohen lohe'schen Hauptmann fände, er brächte eine wichtige Nach­richt. Ich weiß eine Stelle, wo die Weibertreu' leicht zu stürmen ist," vertraute er der Hofmännin, und es liegen blos acht reisige Knechte droben."

Seit Mit

Mann, der aufs ganze zu gehen" gewöhnt war, wohl nur geringe Empfindung. Er wollte stets gern baar ausbezahlt sein. Er war felten nur ein Mann der Feierlichkeit. Er wollte die Macht, die volle Macht, und auf den schönen Schein verzichtete er gern.

Ideen

worden,

Berwirrend viel ist in Nachrufen und in besonderen Aufsätzen und Abhandlungen über Bismarck's öffentliche Thätigkeit geschrieben worden. Zu einem mythologischen Abgößen wurde er nirgends so sehr gestempelt, wie in den phrasenhaft- dichterischen Versuchen seiner Bismarck war gewiß kein Vortämpfer modernster Verehrer. das ist ja bereits eine triviale Erkenntniß ge= aber feine reich bewegliche geistige Eigenart baichte, wie instinktiv, nach modernsten Mitteln im Kampfe. Früh zeitig wurde das journalistische Blut in ihm rege, frühzeitig erfaßte er die Bedeutung und das Wesen dieses modernsten geistigen Motors und, ob er im Freundeskreise oder vor fremden Besuchern gesprochene Feuilletons prägte, ob er seine Zeitungsgetreuen inspirirte, der journalistische Beruf ließ ihn nicht los bis zu seinem Lebensende. Er war garnicht die granitene oder eherne Bildsäule, wie ihn eine möchte. Dazu besaß besaß er, 10 falsche Legende darstellen fcheint es, doch zu viel von der sensiblen, leicht bewegten, rasch empfänglichen Natur des modernen Zeitungsschreibers im guten Sime. Wie seine Worte wirften, wohin sie zielten und trafen, wie fie verbittern und verwunden konnten, viele von uns haben es am eigenen Leib erfahren. Kleinlich nur wäre es von der Gilde der Beitungsschreiber, die besondere geistige Form Bismärd'scher Ausdrudsweise verkleinern zu wollen. Sein Stil ist, fünstlerisch ges Er hatte auch sehen, äußerst finnfällig und ungewöhnlich markant. hierin viel vom Temperament des künstlerisch empfindenden Beitungsmannes, fich von der abgegriffenen Phraje fernzuhalten. o er sie nicht verschmähte, wie in dem bekannten Wir Deutsche 2c.", arbeitete er bewußt nach einem volksthümlich politischen Ziel hin. Sonst ging seine Arbeitsmethode im modern- journalistischen Florian Geyer  , Wendel Hipler  , Jörg Megler, der lange Sinn dahin, Wort und Gedanken nicht etwa im blühenden, schön­Lienhart und einige andere Hauptleute saßen noch auf den rednerischen Sinn zu entwideln, sondern sie in möglichst sinnlicher Stadthause beisammen. Als Semmelhans, von der schwarzen Klarheit darzustellen. Mochte er in seinen Anschauungen, in seinen Hofmännin zu ihnen geführt, seine Mittheilung wiederholte, öffentlichen Handlungen vielfach in alten Schulen wurzeln, hierin da schlugen sie freudig an ihre Wehren und wollten sogleich hatte er mit veralteten Manieren wenig gemein. Er war ein Realist zum Aufbruch die Trommeln rühren lassen. Florian Geyer   der Darstellung, von lebhaft finnlicher Anschauung. Er war Feind aber hielt sie zurück und rief: Der Verrath des Grafen ent- der Deflamation. Für ihn war ein Begriff dann am schärfften um­schrieben, wenn die erläuternden Worte, wie Eingebungen bindet uns nicht von unserem Wort. Wir haben ihm bisbes Augenblids, hervorsprudelten. Er scheute weder vor einem morgen Mittag Stillstand zugesagt und das müssen wir halten." bäuerlich- technischen, noch vor einem weniger gefamiten Fremdwort Gotts Tod, und er verfährt gegen uns als ob wir Räuber zurüd, wollte er für einen Begriff den finnfälligsten Ausdruck finden. wären, schnob der lange Lienhart.10 ja 36 Fand seine literarische Empfindung nicht das scharf zutreffende Wort

Sie lachte unheimlich vor sich hin. Komm," ſagte fie, indem sie sich erhob, und schritt ihm voraus nach dem Städt­chen. Der Vollmond war heraufgekommen und fein filberner Schleier breitete sich über die Berge, die Wiese, das Städtchen, das wie aus Marmor erbaut schien. Jedoch der Frieden in der Landschaft war nicht in die Brust der Menschen ein gezogen. Nur wenige hatten sich auf der Wiese zum Schlafen hingelegt; Groll und Erbitterung gönnten den meisten feine Ruhe, und unheimlich blinkten im Monde die Eisen der Waffen.

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