Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 172.

Freitag, den 2. September.

1898

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( Nachdruck verboten.) dem Edelmann gleich sein will," verfekte Gabriele mit blizenden Augen.

Um die Freiheit.

Florian Geyer sah lächelnd auf sie herab und sagte: Geschichtlicher Roman aus dem deutschen Bauernkriege 1525. Aber die Gerechtigkeit verstößt nicht darwider und sie macht die Ungleichheit unter den Menschen wett, wenn es nicht, wie es Gottes Sohn gebietet die Liebe thut."

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Von Robert Schweiche I. Beide begaben sich nach der Burg, welche der Stadt als Gabriele schlug die Augen nieder. Ehe sie eine Antwort Arsenal diente. Eine Zugbrücke, die dies- und jenseits eines fand, hieß es: Plazz! Blaz!" und sie mußten vor einer tiefen, wasserlosen Grabens von dicken, runden Thor kleinen Schaar von Bürgertöchtern und jungen Männern bei thürmen geschützt wurde, führte von der Herrengasse in die feite treten, die mit Gewinden von Eichenlaub und Blumen­Vorderburg. Hohe Mauern mit Schießlöchern und fränzen famen und damit die beiden Kartaunen zu Erfern und Thürmen an den Ecken umschlossen den schmücken begannen. Florian Geyer schaute ihnen mit Bau, aus dem in der Hinterburg der Pharamundsthurm ge- gefreuzten Armen zu und merkte nicht, wie die Augen waltig aufragte. In der Vorderburg wurde einst das kaiser- Gabriele's und Sabine's an ihm hingen. Er wandte liche Landgericht gehegt und auf der nördlichen Seite bezeich- sich wieder der ersteren zu der ersteren zu und fragte: Ist das nete noch das auf sechs Steinsäulen ruhende Giebeldach mit nicht hübsch? Fast scheint's, als ob die Ungeheuer unter den steinernen Sigen darunter für den Landrichter und die zwölf Blumenkränzen lächelten."

Schöffen die Stätte. Auf der Südseite, vor den legten Resten Die schöne Gabriele erröthete, als ob sie auf einem Un­des sogenannten weißen Thurms, erhob sich mit einem steiner- recht ertappt worden wäre. Es macht so heiß," sagte sie nen Streuz auf der Giebelspitze zweistöckig die Burgkapelle und versuchte dem Gedränge zu entschlüpfen, das sich während mit schönen byzantinischen Fenstern. Das obere Stock- des Bekränzens um die Kartaune gebildet hatte. Florian Geher werk behauste den Kaplan, als hier noch Gottes- war ihr dabei behilflich. Als sie sich freier bewegen konnte, dienst gehalten wurde. In den Gebäuden, deren nach der antwortete sie ihm auf seine Aeußerung: hr seid ein Krieger Stadt gekehrte Giebelseiten in die Ringmauer mit einbezogen und da begreife ich Eure Freude über den Anblick. Ich aber waren, lagerten die Waffen und Rüstungen, in den Thürmen bin ein Mädchen und mir erscheinen die Ungethüme unter das Pulver. Die schweren Belagerungsgeschüße, auf un- Blumen um so grausiger. Ach, soll denn diese gewaltthätige gefügen Stückgestellen und Rädern ruhend, standen unter Zeit nimmer ein Ende nehmen? Ich wollte, daß es endlich freiem Himmel. Von den riesigen Rohren waren einige mit Frieden würde!" Sie sah ihm tief in die Augen und ein braunem, andere mit grünem Rost überzogen. Seufzer hob ihren Busen.

Der Stadthauptmann von Adelsheim empfing die beiden Gesandten, die zu ihrer stillen Verwunderung die Vorder­burg voll Menschen fanden. Albrecht von Adelsheim erklärte ihnen den Umstand, indem er sie zu den für sie bestimmten Stüden führte. Die Leute wollten von diesen Abschied nehmen, da sie wohl schwerlich wiedertämen. Er that es in einer Weise, die deutlich verrieth, wie sehr es ihn selber verdroß, sie hergeben zu müssen. ,, Auch die Weiber?" lachte aus dem Schultheißen von Ochsenfurt der reichlich genossene Wein. Ich hab' immer vermeint, daß ihnen ein gülden Ringlein lieber wäre, als die schönste Kartaune." Denn das weibliche Geschlecht war fast zahlreicher vertreten, als das männliche. Das kriegsrauhe Gesicht des Stadthaupt manns färbte sich dunkler, wußte er doch nur zu gut, welchen Antheil die Neugierde daran hatte. Denn seine Braut hatte ihn überredet, sie und ihre Freundin gleichfalls nach der Burg mitzunehmen. Und er mußte sie den beiden Gesandten aufführen, nachdem diefelben oder vielmehr Florian Geyer sämmtliche Stücke sachkundig in. Augenschein genommen hatte und sie nun zu den für die Bauernschaft bestimmten, als den wirklich besten, zurückkehrten. Die beiden Mädchen standen neben einem der hundertpfündigen Geschütze und ihre schlanke Schönheit bildete einen reizenden Gegensatz zu dem un­geschlachten Mordwerkzeuge. Alle Wetter," konnte Hans Bezold bei ihrem Anblick ziemlich vernehmlich auszurufen sich nicht enthalten, und er fügte in seiner Weinlaune hinzu, als die Mädchen lachten: Betrüben sich die Fräulein nit zu sehr, sie sollen ihre Schooßhündelein schon wieder kriegen."

Wenn es nach mir ginge, so müßten sie alle an un­zerreißbare Ketten gelegt werden, damit sie keinen Schaden mehr thun könnten," äußerte Gabriele und sah dabei Florian Geyer an, dessen Augen mit unverkennbarem Wohlgefallen auf ihrer schönen Erscheinung ruhten. Es ist schrecklich, daß der Mensch solche Ungeheuer erfunden hat, um Seinesgleichen zu morden."

Sagen wir vielmehr, es sei schrecklich, daß der Mensch gezwungen ist, dergleichen zu erfinden, um sich vor Seines­gleichen zu beschüßen," antwortete Florian Geyer freundlich. ,, Und wenn es noch dem Türfen gälte; aber Deutsche gegen Deutsche ," rief Gabriele lebhaft.

Das sage ich auch," mischte Sabine sich ein und wurde wegen dieser Aeußerung von ihrem Bräutigam berufen.

Um so schlimmer, mein schönes Fräulein," entgegnete Florian Geyer mit großem Ernst, daß der Unterdrückte ge­zwungen ist, zu solchen Mitteln wider seine Dränger zu greifen." Aber es hat immer Herren und Knechte gegeben und es ist wider alle natürliche und göttliche Ordnung, daß der Bauer

Der Blick machte ihn ein wenig verwirrt. Ich theile Euren Wunsch von ganzem Herzen," sagte er und sie er­widerte lebhaft: Er ist erfüllt, wenn Ihr, ein Edelmann und Freund der armen Leute, die Hand dazu bietet."

,, Wollt Ihr die Gewähr dafür übernehmen, daß den armen Leuten Gerechtigkeit werde?" fragte er mit einem leisen Lächeln über ihren Eifer, der ihm gefiel. Ohne Gewähr voller Gerechtigkeit ist Frieden unmöglich."

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,, Mir wäre kein Preis zu hoch, um ihn zu erkämpfen. Aber was könnte ich als Weib dazu beitragen? Wir können wohl Wunden heilen, die das Schwert schlägt, aber nicht das Schwert aufhalten, das sie schlägt." Halb seufzte, halb lächelte sie und blickte ihn dabei mit einer träumerisch ver­schleierten Gluth an.

,, Und schlägt die Schönheit keine Wunden?" fragte er mit einem Anfluge von Scherz, fuhr aber sogleich mit einer herzlichen Aufrichtigkeit fort: Verzeihet, Fräulein! Ich habe eine höhere Anerkennung für Euch als diejenige der wunder­baren Schönheit, die Euch ziert. Ihr denket und empfindet ebenso edel, wie Ihr schön seid!"

Gabriele wurde dunkelroth, ihre Lippen öffneten sich ein wenig und sie schloß die Augen.

Eine rauhe Stimme schreckte sie jäh auf. Es war die des Stadthauptmanns, der mit Sabine und Pezold heran­trat. Sie hatte, während sie sich mit dem Schultheiß und ihrem Bräutigam unterhielt, kein Auge von ihrer Freundin und Florian Geyer verwendet, und die Freundschaft bewahrte sie nicht davor, daß sich in ihrem Herzen die Eifersucht auf Gabriele regte. Der Stadthauptmann bat um Entschuldigung, daß er störe; die Burg müßte geschlossen werden. Gabriele zeigte ihm ein gar unmuthig Gesicht. Florian Geyer und Pezold empfahlen sich. Gabriele reichte dem ersteren ihre Rechte, von der sie den gestickten Handschuh abgezogen hatte, wobei sie mit einem Lächeln, das ein tiefer Blick aus ihren dunklen Augen begleitete, sagte: Bergesset nicht der Freunde in Rothenburg ."

Der Blick und die weiße weiche Hand in der seinigen machten ihm das Herz seltsam warm. Er drückte aber ihre Hand nur stumm und ging.

Als Kaspar am nächsten Morgen mit Schwert und Büchse nach Gattenhofen kam, fand er das bäuerliche Geleit bereits versammelt. Der alte Etschlich hatte nicht versucht, ihn von feinem Vorsatz abzuwenden. Doch schien ihm der Abschied von dem Sohne schwer zu fallen; er hatte dessen Hand lange fest­gehalten und ihn stumm angeschaut und ihn zuletzt auf den Mund gefüßt. Kaspar war darüber fast erschrocken; denn als weichmüthig kannte er seinen Vater nicht und er erinnerte