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Und was gehört nun dazu, um solch einen Schiffskoloß vor- Mädchen, das mit einem großen, schwarzen Packen an ihnen wärts zu bringen? Nahezu 200 Menschen, Maschinisten und Kohlen- vorübergeht, wird angeulft: Viel zu früh aufgestanden! Der Alte zieher, sind zur Bedienung der gewaltigen Maschinen und Kessel is noch nich da. Brauchen Sie denn so nothwendig den neuen Hut? nothwendig. Drei Stockwerk unter den Salons, in tropischer Hitze, Hat's nich mal' ne halbe Stunde Zeit?" bedeckt mit einer Schicht Nuß, arbeiten die Kohlenzicher, um Das Mädchen lacht: Ja doch! Können Sie mir nicht noch Nahrung für die Kessel, diese gefräßigen Ungeheuer, heranzuschaffen, ein recht großes Portemonnaie leihen? Meins reicht nicht!"

Ein geschniegeltes Kerlchen hinterher: Ja, ja... gewiß!" Ach lassen Sie doch das!" sagt sie rauh, als er seine Hand auf ihren Arm legt. Wenn sie nicht so erhitzt wäre vom Tragen, würde eine heftige Röthe fie überfliegen. An der Treppe bleibt sie auf­athmend stehen. Der Weg vom Zionskirchplatz bis hierher ist doch recht weit mit dem Packen. Aber das Geld für die Pferdebahn... Vater ist im Krankenhause..

in Schweiß gebadet legen sie sich nach vierstündiger Schicht zur Ruhe oder empfangen ihre färgliche Nahrung, fast immer Bökelfleisch. Von all den Genüssen der droben bekommen sie nichts zu sehen. Denn die Menge der Speisen, die von der Tafel abgetragen werden, wandert in die See, höchstens daß die Bedienung etwas davon wegschnappt. Die Schiffsleitung ist der Meinung, für alle langt es nicht, und dann ist es besser, es bekommt keiner etwas". Liegt dann das Schiff in einem Hafen oder in einer Bucht vor Anker, so sieht die See rings um das Schiff in kurzer Zeit aus wie ein Schweinestall, so viel giebt das Schiff von sich. Brot und Brötchen, gebratenes Fleisch, frisches Geflügel, Hummer, Gemüse, Kompot, Salat, Konservenbüchsen, Kisten, Kasten, Körbe, Schachteln sehen, nachrennen. und Flaschen, alles schwimmt in lieblichemi Durcheinander. Die armen Strandbewohner fahren mit Kähnen um das Schiff und gehilfe im Hausflur. fischen, was ihnen brauchbar dünkt, wieder auf, namentlich

Von der Haltestelle der Pferdebahn her kommt eine Frau. Reich und doch geschmacklos gekleidet, wie die meisten Frauen der Kleinbürger. Nervös eilt sie über den Damm. Aengstlich winkt sie den beiden Mädchen, die ihr mit langen Backen, aus denen Mäntel Wo haben Sie denn Ihren Mann?" fragt ein Handlungs­

Die jungen Leute erzählen sich, wie hochmüthig sie früher gewesen sei, als sie noch im Geschäft als Expedientin arbeitete. Nur einen Meister wollte sie haben; damals ging sie noch fesch gekleidet.

Och der!" sagt sie schrill, wegwerfend, indem sie weitergeht, die Lebensmittel. Für die schwere, die Kräfte verder verdirbt einem blos die Kundschaft. Der kann nischt weiter zehrende Arbeit erhalten die Kohlenzieher monatlich sechzig wie flug reden und saufen. Unser eener kann nich genug Geld ran Mark, eine Summe, die droben in den Salons ein einzelner schaffen. Nu man fix, rasch, rajch!" ermahnt sie die jungen in einer Stunde für Champagner verbraucht. So wenig die Arbeiter Mädchen. Sie hat es immer sehr eilig. Als gälte es das Leben. im Feuerraum von all den Herrlichkeiten über ihnen sehen und wissen, so wenig kümmern sich die Herrschaften um das, was da unten vor­geht. Kommt ja mal einem die Anwandlung, sich die Maschinenräume zu betrachten, so mag ihm wohl, wenn er das Unten mit dem Oben vergleicht, blizzschnell der Gedanke kommen, daß sie da oben Eine Droschte kommt heran. Hochbepackt mit eingewickelten doch eigentlich auf einem Vulkan tanzen. Mänteln. Von der Ecke au laufen junge Männer auf beiden Seiten Zur Unterhaltung der Passagiere befindet sich auch eine Musik- mit. Köm'n wir tragen helfen? Könn'n wir tragen helfen?" tapelle an Bord, abwechselnd werden Konzerte und Bälle veranstaltet. Arbeitslose Hausdiener, die hier eine Gelegenheit zu einem kleinen Einer dieser Bälle fand während der Ueberfahrt nach Spitzbergen   Verdienst entdeckt haben. An der Ecke halten sie Auslug und laufen statt. Infolge des dichten Nebels war das Schiff vom Kurs abgefkommen, den Droschken entgegen. Der Meister trägt die Hälfte seiner das gesammte Schiffspersonal befand sich in fieberhafter Unruhe. Lieferung selber. Er hat jene harten Züge in seinem bartlosen Das Schiff fuhr langsam und mit der Lotleine, das Nebelhorn   Gesicht, die man so häufig bei Zwischenmeistern findet. Seine heulte, und drinnen in Salon tanzte und jubelte die glückliche Ge- grauen Augen blicken halb gewigt, halb starrköpfig. Ein scharfer sellschaft, Musik und das Knallen der Champagnerpfropfen ließen Bug geht von den Mundwinkeln himinter, Egoismus, der durch die Gefahr nicht erkennen; sie tanzten buchstäblich auf dem Vulkan. Unterbieten alles an sich bringen will und sich dadurch ruinirt. Aber auch sonst wird allerhand Kurzweil getrieben, so z. B. Die Zeiten sind nicht so glänzend, daß wir unser Geld ver­läßt man die Matrosen Sackhüpfen", oder es wird eine Leine schenken können," sagt er zu dem zweiten Hausdiener. aufgespannt, Acpfel daran gehängt, und mun müssen die Matrosen danach springen und die Früchte zu fassen suchen. Oder ein Trupp Matrosen stellt sich in eine Reihe, jeder erhält ein Stück trockenes Brot in die Hand, wer nach dem Kommando" Los!" das Brot zuerst hinter schlingt und dann Hurrah" ruft, ist Sieger und erhält den gestifteten Preis; jedoch sieht ihm erst ein Schiffsoffizier in den Mund, ob er das Brot auch wirklich verschlungen hat. Den Umstehenden kommt dabei gar nicht in den Sinn, daß das Spiele sind, wohl für Jungen passend, aber nicht für Männer, auf deren auf­opfernde Hilfe die Dämchen und Herren in der Stunde der Gefahr angewiesen sind; denn kommt es zu einer Katastrophe, dann klammert sich alles an dieselben Leute, die sie kurz vorher für ein paar Silber­linge zu Narren gemacht haben. Hält sich aber wirklich mal einer über das Unwürdige solcher Spielereien auf, so kann er sicher sein, daß man ihn verächtlich von der Seite ausicht: Er scheint nicht zur " besseren Gesellschaft" zu gehören.

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Nun sollte man meinen, daß es in einer solch' vornehmen Ge­sellschaft, jederzeit und alles, in bester Harmonie verläuft, umso mehr, als ja von dieser Seite immer weidlich über die Arbeiter geschimpft wird, wenn bei ihren Festen- was übrigens selten vor­tommit Streitigkeiten entstehen. Aber weit gefehlt. Der Seft­teufel hat sich da schon manchen Scherz erlaubt. Ist es doch vor­gekommen, daß ein bekannter Berliner   Kommerzienrath im Streit, der im Rauchzimmer ausgebrochen, seinem Widerpart einen Teller ant den Kopf warf, und sich infolge dessen eine ganz solenne Keilerei entwickelte. Der Tellerwerfer hat ja allerdings nach­her viel zu leiden gehabt, denn nicht selten geschah es, sobald er fich in einem Raum blicken ließ, daß der erste, der seiner ansichtig wurde ausrief: Silentium, meine Herren! Teller weg!"

Aber das schadet nichts, kann man doch damit renommiren, eine Nordlandsreise gemacht zu haben, und fühlt man sich doch erhaben über die Millionen armer Sterblichen, denen das nöthige Kleingeld zu einer solchen Reise fehlt.

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Kleines Feuilleton.

-nn.

-0.- Lieferungstag. Zwischen zehn und zwölf am Haus­bogteiplazz. Vor den hohen Spiegelscheiben der Staufpaläste Gruppen von Damen, vornehm einfach und prahlerisch bunt. So scharf wie die ausgestellten Modepuppen werden auch die lebenden betrachtet. Eine Frau schätzt genau die andere ab, ob wohl die Einfachheit oder die Buntheit besser den Zweck erreiche, womit sich besser tokettiren lasse. Hausdiener, Kaffenboten, Geschäftsleute gehen ihren eiligen Gang. An einer Straßenecke feilschen Geschäftsvermittler. In der Thürnische eines Hauses, über dessen Fassade sich viermal über einander goldene Firmenschilder ziehen, stehen junge Reisende und Handlungsgehilfen. Sie warten auf den Chef". Ein junges

Der dreht sich enttäuscht um. Da kommt eine zweite Droschke an, auch von zwei Abträgern begleitet. Der Meister steigt aus. Elegant wie ein Kaufmann. Spigbart, neuer Anzug, in dem noch die Kniffe sind, reine Wäsche, neue Kravatte, goldene Schlipsnadel und Uhrkette. Er rührt kein Stück an, sondern läßt die Hausdiener zugreifen. Ein Reisender meint:" Donnerwetter! Was Sie wieder liefern! Kriegen Sie hier auch sechshundert Märker, wie neulich bei Wilhelm's, wo Sie für sechs Wochen stchen ließen?" Na, selbstverständlich!"

Das können Sie sich auch blos leisten, sechs Wochen nicht ab­rechnen. Jedes Jahr drei neue Anzüge und eine Badereise. Natür­lich, Sie kriegen ja auch überall zehn Prozent mehr."

" Ja, wer sich eben weniger bieten läßt! Was wollen Sie? Soll der Kaufmann die Wurscht essen und ich das Brot? Mir schmeckt die Wurscht ooch!" Lachend geht er den Hausdienern Die Frauen fehen ihnen nach. Sie möchten wohl gern wissen, was in den Packeten ist... das Neueste... das müßte doch Er­folg haben.

voran.

Theater.

Deutsches Theater  . Vor acht Tagen etwa wurde Björn Björnson's   Schauspiel, Johanna" am Münchener  Residenztheater, am Mittwoch am Deutschen Theater zum ersten Male aufgeführt. Viel Ehre für einen jungen Bühnenschrift steller! Man hätte eine ganz besondere Ueberraschung erwarten können.

Der Eifer un des jungen Björnson's Schauspiel erklärt sich weniger aus den inneren Werth des Stückes, als daraus, daß Björn der Träger eines berühmten Namens ist. Der Verfasser der Johanna ist der Sohn des Dichters Björnstjerne Björnson  ; er selber wird sich mit dem Prädikat eines Bühnen Schriftstellers begnügen müssen. Der junge Björnson ist Theaterfachmann. Früher einmal hat er auch als Mitglied der Meininger" der deutschen Bühne angehört.

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Sein Schauspiel Johanna gehört nicht gerade zu den unzarten Dramen, wie sie bühnengewandte Fachleute und Schauspieler aus Erinnerungen aus der Beherrschung von Kraft- und Effektmitteln heraus zusammenstellen. Es ist gewiß nicht original, aber es ist in ihm boch literarischer Respekt bewahrt; und gerade Stücke von der Art dieser, Johanna" können in bloße Theaterspielerei ausarten. Eine Heldin eine Künstlerin Björnson's Drama hat noch eine Heldin natürlich soll in kleinlich- philiströsem Wesen verkümmern. Aber sie ringt sich los, sie darf sich ausleben". Ein Lieblingsmotiv der norwegischen Dichtung, die alte Sehnsucht, vom Druck Heimathlicher Enge frei zu sein. Auch durch die deutsche Bühnenliteratur schreitet diese Künstlerin gerne, mit dem Drang nach Emanzipation. Meist trägt sie ein theatralisches Prunkgewand und wird dann zur Parade­rolle aller Virtuojinnen, wie Magda in der Heimath", das

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