Unterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 185.
81]
Mittwoch, den 21. September.
( Nachdruck verboten.)
Um die Freiheit.
1898
Geschichtlicher Roman aus dem deutschen Bauernkriege 1525 Welt zu erblicken begannen, zu widerstehen vermochten,
Thore waren von einer erstaunlichen Dicke. Ob sie aber den Ungeheuern von Mauerbrechern, wie der Scharfmege, der Nachtigall, der Singerin, die eben das Licht der mußte sich erst noch ausweisen. Die Zerstörungswuth ist erfindungsreicher als die Vertheidigung und daran Es war Kirchweih in Rothenburg . Von dem fröhlichen sind bis jetzt noch alle Völker zu grunde gegangen. Leben und Treiben, das sonst an diesem Tage in der Stadt Der Haupteingang zur Burg befand sich auf der Westseite, herrschte, war heuer nichts zu spüren. Keine Maien und wo in geringer Entfernung von ihr die elenden Hütten des Tannen schmückten die Häuser, und die Bürger, die das Recht Dorfes Rimpar am Fuße einer Höhe sich hinſtreckten. Gen besaßen, ihren eigenen Wein auszuschänken, hatten in ihren Norden, jenseits der Pleichach, bedeckte der Gramschazer Wald, geräumigen Vorhäusern die langen Tische und Bänke fast um- der westlich an den Main lehnte, unabsehbar das Hügelland. sonst ausgestellt. Furcht und Erbitterung hielten die ländliche Auf diesen und das Dorf schauten die Fenster der beiden Bevölkerung fern, die sonst an diesem Sonntage in hellen Stuben, die Frau Barbara Geyer bewohnte. Es waren dieSchaaren zur Stadt strömte. Den Hausirern und dem selben, die sie schon als Mädchen behaust hatten. Vor den fahrenden Volk der Quackfalber, Gaukler und Lustigmacher westlichen Fenstern befand sich ein plumper Balkon und darunter wehrte die geheime Furcht des Rathes den Einlaß. Während lag der kleine Burggarten. Die Stallungen, Vorrathshäuser in seinem Hause die Pferde bereit gestellt wurden, hörte und Knechtwohnungen lagen auf der Ostseite. Das Schloß Stephan von Menzingen den Dr. Deutschlin ein letztes Mal selbst bildete ein Viereck mit einem hohen Wartthurm, dem in St. Jakob predigen. Um seinen Reise- Anzug zu verbergen, Bergfrit, in der Mitte.
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hatte er einen feinen Kamelotmantel übergeworfen. Mit Frau Barbara winkte dem Gatten, als er durch das Kilian Etschlich verließ er die Kirche und blieb am Rathhause äußere Burgthor einritt, ihren Willkomm vom Balkon zu. vor der Bude eines Goldschmiedes im Gespräche mit ihm In einem Morgenrocke von weißem Linnen, umwogt von stehen." Halte die Freunde zusammen," so lautete sein ihrem rothblonden Gelock, die Wangen hochgeröthet, so stand letztes Wort. Im Süden und Westen steigen allbereits sie droben. Sie hatte sich eben das Haar ordnen wollen, als die Wetter wieder auf." Da fielen plöglich die Stadt- sie seine Einlaß begehrende Stimme vernahm, und war fnechte über ihn, überwältigten ihn und schleppten hinausgeflogen. Einige Augenblicke später schloß er ihre ihn zum Thurm, ehe er sein Schwert unter dem hohe, volle Gestalt in seine Arme. Gott sei Dank, daß Du langen Mantel hatte ziehen können.„ Helft, Ihr endlich da bist," seufzte sie auf und schaute ihm in die Bürger! Helft, Ihr Brüder!" rief er den Leuten auf dem ernſten Augen, die voll Liebe auf ihr ruhten. Es verrieth Marktplage zu. Aber es rührte sich keine Hand und eine sich in den Worten mehr als die Sehnsucht nach ihm, Stimme schrie: Lieber, die Bruderschaft hat ein End'!" die ihr fast unerträglich geworden war, seit ihr Nur Dr. Deutschlin fühlte Erbarmen mit ihm und bat Bruder ihr seinen letzten Gruß gebracht und sie auf der Kanzel, daß man Mitleid mit dem gefangenen Bruder nun jeden Tag sein Kommen erwartet hatte. Sie fühlte sich haben und ihn aus dem Gefängnisse erretten möge. Da ließ von einer drückenden Last befreit, der Last der Einsamkeit der Rath auch ihn greifen und zugleich den blinden Mönch. und der Unthätigkeit. Denn war Rimpar auch ihr Vaterhaus, Florian Geyer hatte schon am Abend des zweiten Feier- so hatte sie doch in demselben nichts mehr zu schaffen, nicht tages vor Thoresschluß Rothenburg wieder verlassen. Er mehr in die Wirthschaft einzugreifen, wie vor ihrer Ver durfte seinem eisernen Körper auch noch die neue heirathung und wie sie es auf Giebelstadt gewohnt war. Anstrengung zumuthen. Stephan von Menzingen hatte Den Gedanken an die Gefahren, von denen ihr Gatte ihn mit seinem kräftigsten Pferde beritten gemacht. fortwährend umringt war, hatte sie mit großer Fassung erUm dem Heere des Truchseß, von dem er Würzberg bereits tragen, Trost, Muth und Kraft in ihrem Kinde suchend eingeschlossen wähnen mußte, auszuweichen, ging er bei Klein- und findend, wann ihr das Herz schwer war. Sie liebte Ochsenfurt auf das rechte Mainufer über. Der abnehmende ihren Gatten, gewiß, und sie verehrte und bewunderte Mond kam herauf und schwamm auf der Himmelsblaue wie seinen reinen, großen Charakter. Aber die höchste Liebe der ein Boot auf dem Wasser eines stillen Bergsees langsam Frau ist nicht diejenige zu ihrem Gatten, sondern die zu dem dahin. Sein mildes Licht löste allmälig die hohe geistige An- Kinde, das sie ihm geschenkt hat, und sie ist auch die reinste. spannung, in der sich der einsame Reiter nun schon seit zwei- Zu diesem ihrem größten Schaze mußte er Frau Barbara mal vierundzwanzig Stunden befand. Freundlichere Bilder zuerst folgen, nachdem sie ihm mit froher Geschäftigkeit Knappenund Gedanken tauchten in ihm auf und drängten die politischen dienste geleistet und ihm geholfen hatte, die Rüstung ablegen. und kriegerischen Erwägungen zurück. Er hatte Else und ihre Den schlanken Zeigefinger an die Lippen legend, damit er kein Mutter noch gesprochen, bevor er zu Pferde gestiegen war. Nun Geräusch mache, führte sie ihn in die Schlafkammer, wo die bergegenwärtigte er sich wieder das klare, tiefe und bei Wärterin, die sie aus Giebelstadt mit sich genommen, an dem allem Ernste doch so weibliche milde Wesen des Bettchen des Kindes saß. Die Frau wollte ihm den Rockzipfel edel schönen Mädchens, er hatte sie lieb gewonnen wie eine füssen; er litt es aber nicht, sondern gab ihr die Hand und sie junge Schwester, und er dachte daran, daß, so heftig gährend blieb neben dem Paar stehen und suchte in den Mienen des Vaters auch die Gegenwart, die Zukunft Deutschlands geborgen sei, die Rückstrahlung ihres Stolzes auf das Kind. Der Kleine so lange es noch solche Frauen wie Else besaß. Sie leitete hatte den Tag früher als die Hähne angekräht und holte jetzt ihn zu seinem eigenen Weibe hinüber und das bevorstehende das Versäumte nach. Das Köpflein mit den rothblonden Wiedersehen von Frau und Kind, wenn es auch nur kurz sein Löckchen, die so fein wie Spinnenfäden waren, in die linke konnte, veranlaßte ihn, seinen Gaul, den er in einen gemäch- Hand geschmiegt, während die rosigfleischige Rechte geballt lichen Schritt hatte fallen lassen, wieder anzutreiben. Auf auf der Federdecke ruhte, die runden Wängelein vom Schlafe vielfach sich kreuzenden Landwegen erreichte er über Rotten- roth wie Aepfel , so lag er gleichmäßig athmend da. Hand in dorf und Lengfeld das Stammhaus der Grumbach's, als die Hand blickte das Paar auf ihn, die Mutter mit zärtlich Sonne zu seiner Rechten schon seit einigen Stunden herauf- stolzen Augen. Der Vater fürchtete, ihn durch seinen Kuß gekommen war und den alten Trugbau mit ihrem Lichte zu wecken; er küßte dafür die feinen Lippen der Mutter. verjüngte. " st er nicht groß und stark geworden?" fragte diese, und er pflichtete ihr scherzend bei:" D, ein Herkules in der Wiege!" Die Wärterin nickte befriedigt, und Frau Barbara ver
sicherte:
Rimpar lag innerhalb der scharfen Biegung, mit welcher die von Osten kommende Pleichach gen Süden sich wendet, um bei Würzburg in den Main zu münden, nachdem sie ein liebliches Thal zwischen mäßigen Höhen in vielfachen Windungen durchflossen hat. Der Boden, auf dem die sehr geräumige ,, Er fängt auch schon an zu sprechen." Burg stand, erhob sich nur wenige Fuß über den Spiegel des ,, Natürlich in der Muttersprache," neckte Herr Florian. rasch hingleitenden Flüßchens, das ihre Mauern und Thürme Ich meine, in derjenigen, die nur das Mutterohr versteht." im Norden und Westen bespülte. Jester als durch die Natur Die Wärterin schüttelte protestirend den Kopf. Frau war Rimpar durch die Kunst; seine Ringmauern, Thürme und| Barbara drohte ihm lächelnd mit dem Finger.„ Aber komm,"