Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 191.
Donnerstag, den 29. September.
( Nachdruck verboten.)
Um die Freiheit.
1898
„ Nein, Ihr lasset's darauf ankommen, daß sie Euch holen," warf die Wielandin ihnen entgegen.
87] Geschichtlicher Roman aus dem deutschen Bauernkriege 1525 unsere Wehren?" hieß es wieder. Von Robert Schweiche I.
„ Da müssen wir doch auch dabei sein! Haben wir nit
..Freilich habet Ihr die," fiel Käthe mit ihrer hellen Stimme ein, stellte ihnen aber vor, daß ihre Zahl zu gering Mühsam richtete er sich auf den Knieen auf und sei, um der Uebermacht der Herren mit Erfolg widerstehen sein Haar sträubte sich empor. Das Wäldchen war von Fuß zu können. Und als dem feiner zu widersprechen vermochte, knechten umstellt und er sah sie in dasselbe eindringen, fuhr sie fort: Ich wüßte wohl was! Wenn Ihr nit nach sah an ihren Armbewegungen, daß sie niederstachen, was Rothenburg kommt, werden sie nach Ohrenbach kommen. sie trafen, hörte die Schüsse, mit denen sie die Bauern von Aber sie sollen das leere Nachsehen haben. Wir ziehen mit den Bäumen, auf die sie sich geflüchtet hatten, herunter- unserem Vieh, mit allem Hab und Gut in die Wälder. schossen, als ob sie Vögel wären, hörte das entmenschte Dahin wagen sie sich nit. Der Konz Hart kennt die Lachen der Jäger, das Jammern und Schreien des er- Wälder wie seine flache Hand und wird uns an barmungslos zur Strecke gebrachten Wildes. Trotz seines einen sicheren Ort weisen. Das Dorf wird das KriegsEntsetzens behielt er noch so viel Besinnung, daß er nicht volt freilich mit Feuer anstoßen, und verderben, was aufsprang und davonlief. Aber er troch in der abgekehrten zu verderben ist. Ein Haus kann man wieder aufRichtung weiter, bis ihn die Kraft verließ. Ein fürchterlicher bauen, das Leben aber nit, wenn es einmal hin ist. Durst peinigte ihn, die Kopfwunde schmerzte, und die höher und Hab und Gut ist gerettet und das Dorf bauen wir wieder höher heraufkommende Sonne versengte ihn. Grabesstille breitete auf, so wie Ruh' im Land wird. Das fann ist nimmer lang sich über den Wald. Erst als es zu dunkeln begann, wagte mehr dauern. Gott im hohen Himmel sei's geklagt, daß wir er das Feld zu verlassen. Er kam auf eine Landstraße und armen Leut' allerwärts unterlegen sind. Das wär aber halt sah hinter sich die rauchenden Trümmer eines Dorfes. Es war zu dumm, daß wir uns todtschlagen lassen, wo es feinem Giebelstadt . Wie er sich allmälig bis Ohrenbach weiter geschleppt, mehr was nüht. Wär's anders, lieber sterben wollt' ich, als daran vermochte er sich nur ganz dunkel zu erinnern. Euch vom Kampf abmahnen. Zeit haben wir aber keine zu verlieren. Es muß halt jeder gleich Hand anlegen, wenn wir uns und das Unserige bergen und retten wollen."
Mittlerweile traf der Befehl des Raths ein, daß die männliche Einwohnerschaft Ohrenbachs ohne Ausnahme bei Strafe Leibes und Lebens am Morgen des 30. Juni auf der Es war, als ob sie allen das Leben wieder gegeben hätte, Burg zu Rothenburg sich einzufinden habe, um den Unterthaneneid zu erneuern und die Waffen abzuliefern. Wendel Haim berief die Gemeinde auf den Dorfplatz, es tamen aber auch die Weiber und Käthe mit ihnen, und als er das Rathsschreiben verlesen hatte, rief die Frau des Schmieds in die darauffolgende Stille:" Dorfmeister, die Sach geht uns Weibervolt just so nah an wie Euch Mannsleuten, und darum verlangen wir auch mitzurathschlagen."
Ja, aber die Weiber dürfen halt nit mitreden in der Gemein," wehrte Wendel Haim die Zumuthung ab, und der Stellmacher Rubin rief grob:„ Die Weiber haben das Maul zu halten."
Die Frauen gaben ihm mit scharfer Zunge die Beleidigung heim. Die Wielandin stemmte die Fäuste auf die Hüften und rief:" Nu, es könnt' schon mancher von uns Recht sein, wenn sie ihrem dummen Mann den Kopf abschnitten."
Lachen und Schelten antworteten ihr. Da näherte Käthe fich Haim und bat: Dorfmeister, vergönn' mir nur ein Wörtlein! Mitstimmen wollen wir nit."
Ruhe," rief die Frau des Schmieds, die Käthe soll
reden!"
und als nach ihr der Dorfmeister Haim auf die Bank sticg und fragte, ob man den Rath Käthe's annehmen wolle, da antworteten Männer und Frauen, Jung wie Alt einhellig mit Ja. Käthe wurde von den Frauen geherzt und gefüßt und die Männer schüttelten ihr die Hand. Bu Kaspar äußerte sie nachher: Mir thut's Herz weh, daß ich ihnen nit anders hab' rathen können."
Die
Leicht war das Herz wohl niemand bei den in allen Häusern und Gehöften ungefäumt vorgenommenen Rüstungen zur Flucht. Im nächsten Morgengrauen begann der Auszug. Boran wurden die Rinder, Schweine und Ziegen getrieben; dann kamen in langer Reihe die mit Acker- und Hausgeräth, mit Frucht, Lebensmitteln und Wein beladenen Wagen. Auch die uneingespannten Pferde mußten als Lastthiere dienen und von den Männern und Frauen, die zu Fuß neben der Karavane hergingen, trug jedes Bündel und Packen. Es wollte niemand selbst das Werthloseste zurücklassen. Das Vieh brüllte, grunzte und mcckerte, als wüßte es, daß es seine alten Ställe nicht wiedersehen würde, die plumpen Räder ächzten und fnarrten, die Frauen weinten und flagten und nur die Kinder waren der Abwechselung wegen vergnügt, während die Männer meistens stumm und finster dahinschritten. Wendel Haim gewährte es. Und wie sie nun auf der Kranken, welche Käthe unter ihre besondere Obhut genommen Bank stand, des Mädchens kräftige, schlanke Gestalt, die sich hatte, waren so gut wie möglich auf den Wagen gebettet. seit dem Tode Lautner's höher gestreckt, während ihre Stirn Kaspar hatte sich entschieden geweigert, mit Ursel und ihren über den leicht zusammenfließenden Brauen bedeutender beiden Kindern zu fahren, wie schwach er sich auch noch fühlte. sich gewölbt hatte, da wurde es wirklich still. Wie eine Konz Hart wußte in den dichten Waldungen, die sich westjunge Tanne unter den Stürmen des Himmels sich biegt wärts bis an die Tauber erstreckten, einen gut verborgenen und fester einwurzelt, so war Käthe an Leib und Seele er- Ort. Dort wurde das Lager geschlagen. Nicht lange, so starkt unter den Leiden und all' den schweren Anforderungen, standen unter und zwischen den Bäumen eine Menge Hütten die ihr das Schicksal aufgebürdet hatte. Die Leute aber ge von Reisern, Zelte aus Saatlinnen und leeren Gedachten bei ihrem Anblick wohl, daß sie die Schwester Simon's treidesäcken, und Buden aus Haus- und Stubenthüren, war, vollends als ihre nußbraunen Augen mit einem ernſten die von vielen ausgehoben und mitgeführt worden. und tiefen Blick auf sie herabschauten, und sie hielten sich still. Leinewandpläne über manchem Wagen boten ebenfalls ein Sie war freilich ein wenig verlegen und roth, als sie jetzt alle Augen auf sich gerichtet sah; dennoch begann sie muthig:„ Mir dünkt, daß die Gnade der Herren just so ausschaut, wie ihre Ungnade. Wie aber die beschaffen ist, das wissen wir alle." Sie erinnerte an das Blutgericht des Truchseß in Würz burg , der seinen Henker Berthold Aichelin stets mit sich führte und ihn seinen lieben Gevatter nannte; sie erinnerte an die Grausamkeit des Markgrafen Kasimir, der in Kizingen 57 Bürgern die Augen hatte ausstechen lassen, weil sie geäußert haben sollten, daß sie ihn nicht mehr sehen wollten, und der jeden Bauer, den er fing, am Weg an die Bäume hing. Nu, so dumm sind wir nit, daß wir uns in Rothenburg stellen," riefen verschiedene Männer ihr zu.
Obdach.
Die
Es war in der That die höchste Zeit zur Flucht gewesen. Denn schon zwei Tage später fiel das Kriegsvolk in das verlassene Dorf und hauste um so wüthender darein, als es nicht die geringste Beute zu machen gab. Konz Hart, der auf Kundschaft ging, sah bis auf die Kirche und das Pfarrhaus nichts als Brandruinen, und selbst die alte Linde war von den Vandalen nicht verschont geblieben. Sie hatten Feuer um dieselbe gelegt und sie zu verbrennen gesucht, weil es ihnen wohl zu viel Mühe und Zeit gekostet hätte, sie umzuhauen.
Kaspar's Wunde heilte in der Waldluft vorzüglich. Das Wohlgefühl der Genesung, sowie das stete Beisammen fein mit Käthe verlieh seinen Tagen im Walde einen köstlichen