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offenbar in falscher Angleichung an Worte wie Holland   oder England; so apodiktisch behaupten: Der unfelige Grabbe   mit seinem Genie und haben die Niederdeutschen aus dem Namen der dänischen Hauptstadt seiner Zerfahrenheit, mit seiner fühnen Phantasie und seinen wüsten " Kjöbenhavn", das eigentlich hochdeutsch Kaufhafen" bedeutet, ein Extravaganzen hätte nicht anders werden können, als er wurde und Kopenhagen   gemacht ganz als ob diese Stadt mit Peters- es hätte ihm kein Werk gelingen dürfen, in dem ursprüngliches Talent hagen  , Stavenhagen u. s. f. einem und demselben Sprachgebiete und durchgebildeter Kunstgeschmack sich harmonisch verbänden. An angehörte; so ist zu dem französischen   Wort Attentat" ein deutsches seinem Wollen lag es freilich nicht. Das war gebunden durch Substantivum Attentäter trog alles heftigen Widerstandes der Sprach sein zerrüttetes, fummervolles Dasein, dem sich als Folge der über­reiniger gang und gäbe in der heutigen Sprache geworden ein mäßige Trunk zugefellte. Beweis für die Stärke dieses sprachgeschichtlichen Prinzips, Was die Mitwelt an Grabbe   versäunite, wollte man später man offenbar mit demselben Rechte glaubte von Attentat ableiten mehrfach zum theil wettmachen. Noch vor wenigen Jahren wagte zu dürfen wie den Missethäter von der Missethat. So sucht man man in Wien   den merkwürdigen Versuch, ein Jünglings- Drama noch heute vielfach das Wort Siebenbürgen   von den angeb- Grabbe's, den Herzog von Gothland", für die Bühne zu gewinnen. lichen sieben Burgen des Landes abzuleiten, während es in Wahr- Jezt kommt das neueste Experiment mit dem Napoleon   oder den heit von der Cibinburg, der nach dem Cibinfluß genannten Veste, hundert Tagen" dazu. Das Schauspiel ist von O. G. Flüggen stammt.

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das

bearbeitet.

Der Kritiker ist hier in einer schlimmen Lage. Es handelt Und für die gleiche Erscheinung findet der Sprachforscher in allen Sprachen, todten wie lebenden, Beispiele die Fülle: das Miß sich um eines der ursprünglichsten Talente der nachklassischen verständniß ist nicht nur, wie eingangs gezeigt, im privaten und Literatur. Man empfindet, wie viel lebendig dramatische Kraft vielfach auch politisch sozialen Leben, sondern auch im Gebiete der trotz allem noch heute in den Werken Grabbe's wirkt; und doch Entwickelung von Sprache, Sage und Sitte ein Faktor von der möchte man das Andenken Grabbe's gegen manchen wohlwollenden allerhöchsten Bedeutung. Nichts wäre thörichter, als solche Bil- Freund, so diesmal gegen den Direktor des Belle- Alliance- Theaters dungen wie Vielfraß" oder" Trampelthier" mißverständlich aus schützen. Es hat sich zur Zeit eine Phrase herausgebildet, man Gewiß, wenn ich Dromedar" gebildet und die unzähligen gleichen mit gelehrter müsse nachsichtig und wohlwollend sein. Was hat aber Künstlerisches mit Moral Pedanterie als falsch" bekämpfen zu wollen: die volksthümliche Moralisches begreifen will. Ungelehrtheit wird hier, fruchtbarer als alle überfluge Schulmeisterei, zu schaffen? Soll ich als künstlerischer Beurtheiler mildherzig sein, ein fräftiger Hebel zur Vereinheitlichung und gleichmäßiger Form weil ein Schwächling oft nur aus Eitelkeit sich vermißt, gestaltung der Sprache.- Friedrich Wegmüller. schwere Lasten zu heben? Unsere ganze Kunstkritik ist verslacht und vergiftet durch die vielen Rücksichten auf das Schwächliche. Das Gleichgiltigste nimmt man wichtig, jede komödiantische Leistung wird besprochen, man will die guten Leute nicht kränken, von den elendesten Schmierendirektoren der Vorstadt erzählt man in der beliebten dummen Phrase: Sie thaten oder sie wollten ihr Bestes. Wenn aber dies Beste nichts muß, im Grund und Boden nichts muz ist?

Kleines Feuilleton.

-1- Feierabend. Draußen vor den Thoren der Stadt. Ein verräucherter grauer Himmel über einem Wald von schmuzig- rothen Schornsteinen. Die Fabritpfeifen haben das Feierabendsignal ge­geben, das Stampfen der Maschinen hat aufgehört, und aus den weitgeöffneten Pforten wälzt sich ein dichter Menschenstrom heraus. Um einen graubärtigen älteren Arbeiter drängen sich verschiedene jüngere Kollegen und suchen auf ihn einzusprechen. Der Alte giebt mur furze, abgerissene Antworten und setzt schleppend seinen Heim­weg fort. Er ist seit dreißig Jahren in der Fabrik thätig und hat jahraus jahrein bisher immer seine Schuldigkeit gethan. Jetzt ist ein neuer Meister in die Werkstatt gekommen, in welcher der Alte arbeitet. Der neue Meister möchte gerne Neuerungen einführen und sich bei seinen Vorgesetzten lieb Kind machen; er giebt viel auf fein Aeußeres, ist forsch und energisch; das ist ein Ueberbleibsel aus seiner Soldatenzeit.

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So meine ich denn auch, das Belle- Alliance- Theater hätte die Hand von Grabbe   lassen sollen. Gerne darf man bescheinigen, die Leute haben sich angestrengt und wie es bei wandernden Theatern heißt der Herr Direktor hat keine Kosten für würdige Aus­stattung gescheut. Aber aus der ersten Hälfte des Dramas machte man eine Art Art von lebenden Bildern mit unter­legtem Text; hernach wurde es etwas besser, aber was die geistige Bedeutung von Grabbe's Napoleon   ausmacht, das blieb man schuldig. Das Publikum freute sich zum theil an den Bildern, zum theil am Theaterstück, das ihm zurechtgeschneidert worden war. Vor allen Dingen aber wollte es seine moralische Genugthuung Das ausdrücken, daß es noch so leidlich ging, wie es ging. ist sehr bescheiden, sehr zartfühlend und sehr moralisch gedacht. Es macht dem braven Herzen des Publikums alle Ehre. Nur hat Der Alte ist dem neuen Meister schon vom ersten Tage an ein man leider bisher weder im Wissen, noch im Können mit dem So wird ausgerichtet. denn Dorn im Auge. Der Alte hat etwas Starres, Unbeugfantes an braven Herzen der sich, das er, gestützt auf sein Alter und seine jahrelange Fach- Versuch des Belle- Alliance Theaters wohl nur ein Kuriosum im erfahrung, offen zur Schau tragen zu dürfen glaubt. Außerdem Wandel unserer flüchtigen Bühnenereignisse bleiben. Ich könnte belauschte der neue Meister vor einigen Tagen den Alten, noch hinzufügen, daß sich schauspielerisch die Herren Kober( Na­wie er der Frühstücks- poleon), L'Allemand und Paul Pauly besonders angestrengt einen jüngeren Kollegen während pause zum Beitritt in die gewerkschaftliche Fachorganisation auf- hatten. Aber aus dem Theatralischen kamen sie nicht zur Wucht und forderte, zu deren Vorstand der Alte gehört. zur grimmigen Fronie des Poeten Grabbe  .

In den nächsten Tagen chifanirte der Meister den Alten, wo er mur irgend konnte; er gab ihm die schlechteste Arbeit und hatte ſtets bei den ausgeführten Sachen etwas zu tadeln. Schließlich arbeitete ihm der Alte zu langsam, so daß er vorgeben konnte, ihm deswegen Lohnabzüge machen zu müssen. Die Beschwerden des Alten bei der Direktion ergaben nur, daß man ihm die Wahl stellte, entweder aus dem Vorstand der Gewerkschaft auszutreten oder, trotz seiner lang jährigen treuen Dienste, die Arbeit zu verlassen.

Da ging der Alte

Er, der dreißig lange Jahre frisch und fröhlich mit dem Jüngsten um die Wette gearbeitet, geht heute mit müden, verschleierten Augen und mit frumem Rücken. Er ballt nicht die Faust. Er fühlt heute zum ersten Male, daß er alt geworden ist, und daß er drüben im Dienst der Maschinen Kraft und Saft eines Menschenlebens ge­lassen hat.

Er weiß, daß er keine Arbeit mehr finden wird!.

etwas

Aus dem Alterthum.

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Die

bei den

- Die Ausgrabungen der amerikanischen   Schule in korinth  haben eine bemerkenswerthe Entdeckung zur Folge gehabt. Als man den in der Nähe des Apollotempels befindlichen Boden untersuchte, wurde, wie die Voff. Ztg." berichtet, die alte Quelle Peireure mit der Umfassungsmauer und der halbkreisförmigen Terrasse auf­gefunden, die im Alterthum mit zahlreichen Bildsäulen geschmückt war und von denen die Basen noch erhalten sind. Quelle war, wie es scheint, in römischer Zeit ausgebessert worden; unt sie herum aufgestellt fanden sich bei Ausgrabungen vier Statuen, denen leider die Köpfe ab­geschlagen sind. Die Quelle hat sechs in den Fels gehauene Stammern, aus deren einer auch heute noch die Stadt mit Wasser versorgt wird. Nach der Angabe des Periegeten Pausanias   lag ste in der Nähe der Agora; bis jetzt hat man den zu derselben führen­Blaz innerhalb der Umfassungsmaner der Qutelle diente als Ver­sammlungs- und Vergnügungsort für die Geronten.

" Dreißig Jahre! Dreißig Jahre!" Er schüttelt langsam den den marmorgepflasterten, treppenartigen Weg aufgefunden. Der grauen Kopf und wankt weiter.

M

Theater.

Das Belle Alliance Theater wagte am Dienstag mit der Aufführung von Grabbe'  s Napoleon  " einen literar geschichtlichen Versuch. Als Grabbe  , noch nicht 35 Jahre alt, ge­storben war, meinte Immermann   von ihm: Grabbe   gehört zu den Verschrieenen und Männlein und Weiblein sagen, wenn er nur gewollt hätte, er hätte schon anders sein können. Ich aber sage: Er konnte garnicht anders sein, als er war, und dafür, daß er so war, hat er genug gelitten. Die Pflicht der Lebenden aber ist es, die Todten über der alles nivellirenden Fluth des mittelmäßigen Redens und Meinens empor­zuhalten."

Aus der Vorzeit.

se. Ueber den Gebrauch des Mohnes in den alten Pfahlbauten berichtete Professor Hartwich aus Zürich   neulich in einem Vortrage. In verschiedenen Gegenden der Schweiz  , in denen Rejte von Pfahlbauten und deren einstigem In­halte aus der Steinzeit erhalten sind, haben sich neben anderen Samen auch die des Mohns gefunden, und zwar nicht nur die Samen, sondern auch die ganzen Fruchtkapseln. Wer einmal eines der sehenswürdigen Schweizer   Museen besucht hat, kennt die eigenthüm­lichen Reste, die von den Pfahlbauern auf uns gekommen sind: die Ein Korn von Wahrheit steckt in diesem Ausspruch, aber man schwarzen, wie verkohlt aussehenden Getreide- Aehren, Samen, Nuß­darf nicht vergessen, daß ein streng geschulter Sproß aus preußischem schalen, Gewebe 2c. Zu diesen tritt nun also noch der Mohn, wo­Beamtenthum ihn gethan hat. Heute urtheilt man über die materiellen durch diese Pflanze in ihrer Anwendung als eine der ältesten der Umstände, die auf die seelische Bildung eines Menschen Einfluß haben, medizinisch wichtigen Shußpflanzen erwiesen wird. Man muß sich deutlicher und schärfer; und so würde man heute nicht mehr daran erinnern, daß die Pfahlbauten der Schweiz   wenigstens vier