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als König Humbert von Italien   in Berlin   einzog und als Herr Hoff- Konzerte. Die vielberufene Noth der Konzertüppigkeit wächst acker, der auch die treibende Kraft für das neue Künstlerheim wurde, nun so grausig an, daß man dagegen nicht gleichgiltig bleiben kann. die Oberleitung über all' das Dekorative hatte. Zudem äußert sich Vor kurzem schlug einer unserer bekanntesten Musikkritiker vor, rück­solche Kunst dann bei Anlässen, die gewiß nicht die gesammten fichtslos alles unbedeutende daran todtzuschweigen; eine Maßregel, Voltskreise in Bewegung sezen. Für die weitaus größere Mehrheit die an sich nicht ganz unberechtigt ist und sich zum theil von selber bleibt derlei ein Spiel ohne verinnerlichte Bedeutung. So verwächst einstellt schon aus physischen Gründen. Wichtiger aber scheint denn auch das Künstlerische bei uns nicht mit dem Volkskörper, und uns der Versuch zu sein, den eigentlichen Siz des Uebels, d. h. das die besonderen Künstlerfeste finden im gegenwärtigen Berlin   keinen Zuviel und Zuschlecht, aufzusuchen. Wir meinen, der Hauptgrund anderen Widerhall, als irgend eine Feier einer abgeschlossenen, ge- liegt in jener individualistischen Selbstsucht, mit der so viele die sonderten Berufsgruppe. Tontumst, die wie jede Kunst dienende Hingebung und mehr als andere Künste ein Zusammenarbeiten verlangt, zur Dienerin ihrer persönlichen Erfolgshoffnungen machen und dadurch diese dadurch diese weit weniger verwirklichen, als wenn sie sich selbstlos in den Dienst der Kunst stellen. Warum mußte z. B. die Klaviervirtuosin Bertha Michalek aus Aachen   am 8. Oktober im Bechsteinsaal just die oft gehörte und für nochmaliges Hören einer ganz besonderen Leistung bedürfende F- moll- Phantasie von Chopin   dazu benutzen, um Lorbeeren zu holen, wenn sie trotz mancher Spielvorzüge fie nicht einmal ganz deutlich und nicht ohne Dreinhau'n vortragen konnte? Warum stellte sie sich nicht in den Dienst der Aufgabe, uns Neues oder relativ Neues zu bieten, oder warum verband sie nicht

Und was hatte man sich nicht vom Berliner   Künstlerhaus ver­sprochen! Wie schwer bangte man darum und wieviel Hoffnung Inüpfte man daran! Die mächtige deutsche Reichshauptstadt und das Aschenbrödel von Künstlerschaft! Das gab einen Kontrast. Im ,, modernen Sparta  ", wie das Schlagwort für Berlin   hieß, mußte die Künstlerschaft flüchtig von Ort zu Ort wandern. Zuletzt hatte man im Architektenhaus für die ständigen Ausstellungen des Vereins Berliner   Künstler fümmerlich Unterkunft gefunden. Projekt entstand um Projekt. Es waren Luftschlösser. Vor etlichen Jahren hieß es einmal, das Kroll'sche Etablissement im Thiergarten sollte zum Künstlerhaus umgewandelt werden. Es gab Schwarmgeister damals, die derlei glaubten!

anderen, womöglich noch beſſeren suunitlerit, mit einer

Num ist das Kroll'sche Haus eine Geschäftsfiliale unserer Hof- Probe der so sehr zurückgesetzten und doch so dankenswerthen theater geworden, und demnächst tritt der vielgerühmte mimische Literatur für vierhändiges Spiel auf zwei Klavieren zu geben? Artist Fregoli darin auf. In profitablen Dingen ist man eben nicht Ihre Gesangskollegin von damals, Marie Riston aus Hamburg  , sehr peinlich. Nun ist das Künstlerhaus endlich doch zur Wirklichkeit würde uns den etwas gläsernen Klang ihrer Stimme übersehen lassen, geworden und das armseligste Nomadenthum ist vorüber. Unsere wenn sie sich wenigstens z. B. in einen Vortrag von Duetten, einer eben­Künstler haben eine feste Stätte. Sie wird mit Ruhmes- Toasten falls zurückgesetzten Gattung, oder noch besser in eine Oratoriums eingeweiht werden, und in den Zeitungen wird die hochtrabende Aufführung einfügte, woran ja auch kein Ueberfluß besteht. Solche Phrase Triumphe feiern. Und doch ist die neue Kunststätte nicht, bescheidenen Dienste erheben und vervollkommnen den, der sich ihnen was sie unter günstigeren, allgemeinen Vorbedingungen sein könnte: widmet, und bringen die Kunst und uns vorwärts. Gerade in Ein wirklicher geistiger Mittelpunkt, auf den man mit allgemeiner dieser Konzertwoche, am 11., hatten wir ein Beispiel, wie einer der Theilnahme blicken könnte, die Erfüllung eines allgemeinen Wunsches Allergrößten es so macht: wir meinen den Wiederbeginn der und nicht die einer einzelnen Interessengruppe.- Alpha." Quartett- Abende Joachim, halir. Wirth, Hausmann", deren naheliegende Bezeichnung" Joachim- Quartett  " vermieden ist. Sie sind ein Muster für den künstlerischen Erfolg eines unbedingt hingebenden Zusammenwirkens, während doch gerade der At­meister Joachim es sich am ehesten erlauben dürfte, als Solist zu glänzen oder sich von drei anderen Streichern begleiten" zu lassen.

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Kleines Feuilleton.

Musik.

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den

Diese überbesuchten Quartett- Abende sind zunächst ganz klassisch"; die ersten zwei wenigstens enthalten nicht eine Komposition von heute, und das ist allerdings eine Ungerechtigkeit. Dagegen spielen die Herren nichts weniger als Klassisch". Ihre Spielweise ist in­sofern höchst modern, als kaum irgendwo so wie hier phrafirt" wird. Wie da in jedem elementaren Theil des Ganzen, in jeder " Phrase" durch Beschleunigen und Stärkerwerden der Anlauf zum nicht immer Höhepunkt genommen wird, der meistens Accent bekommt; wie es von da in entgegengesetter Weise wieder heruntergeht; wie das Gleiche von den größeren Abschnitten gilt, die solche Elemente unter sich faffen; wie das alles nur eben merklich, ohne eine Spur von Unruhe, von der Sünde des Rubato", geschieht: das ist jedem Musifer als goldenes Beispiel vorzuhalten. Die Einrichtung der an der Kasse erhältlichen kleinen Partitur­Ausgaben ist lobens- und benutzenswerth. Auch ein Freibillet für den Herrn Bolizeipräsidenten würde sich bei jedem besuchteren Sing­akademie- Abend, und zwar zu Treppe 2, empfehlen; werden da einmal hundert Menschen todtgedrückt, so kann er doch wenigstens sagen, daß er von der Gefahr wußte.

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Anständig und Unanständig. Der Frantf. 8tg." wird geschrieben: Heinrich der 72. von Neuß- Lobenstein, dessen Abdankung bor   50 Jahren erfolgte, zeigte eine besondere Force in Veröffent­lichungen von Proklamationen. Ein solcher Erlaß befindet sich in der Geraischen Zeitung" und zeigt, daß der zeitweilige Beschützer einer Lola Montez   bei seinen Unterthanen sehr auf Anstand hielt. Der Erlaß lautet: A) Alle anständigen" Fremden können während meines Aufenthaltes hier zu jeder Tagesstunde das Schloß und seine Umgebung besuchen. Wollen Genannte das Innere sehen, so melden fie fich beim Thorwärter.( Es ist stets ein Thorwärter da.) Bei dem Thorwärter erfahren die Fremden das Nöthige. Da Jch hier von anständigen Fremden rede, so nehme Jch an, daß sie nichts Unan­ständiges begehen; 3. B. teine schweren Stöde, Hunde, teine schmutzigen Stiefeln, Worte, Lieder 2c., Narrenhände 2c. Wünscht jemand in den Anlagen herumgeführt zu werden, so kann er bei dem Hofgärtner darum bitten. Doch kann und soll Niemand Anständiges" in dem Besuch der Anlagen gehindert sein. B) Hiesiges anständiges Publikum wie ad A. Mit dem Unterschiede, daß es die Fähnlein, die den Durchgang verbieten, zu beachten hat; daß Sonntags vorzugsweise dem Besuche gewidmet ist. Mit der Dunkelheit hört der Besuch auf. Warum? Weil dann die Begriffe Anständig und Unanständig" sich verwirren. C) Auf Tinz oder dessen Garten findet Obiges Be- Theodor Müller- Reuter, fgl. Musikdirektor aus Kre­ziehung, mit der Bemerkung, daß dort die Fasanerie besondere Be- feld, dirigirte am 13. die Eroica  " von Beethoven gediegen, schlicht rücksichtigung verdient. Schloß Osterstein, den 25. Sept. 1844. und mit um so gewaltiger Wirkung, wo es ins Wuchtige ging. Seine H. LXXII. eigene Pastorale Suite für Orchester op. 24( Manuskript, zum ersten Male)", betitelt Auf dem Lande", kann ein dankbares Im Theater des Westens erscheinen jezt jeweils ältere Repertoirstück für die verschiedensten Konzerte werden. Aus diesem Opern in neuer Einstudirung. So neulich Die Jüdin   und Der Thema noch Neues zu gewinnen, ist eine um so vornehmere Auf­Waffenschmied", so zuletzt am 14. Oktober Die weiße Dame" gabe, wenn man so einfach instrumentirt, wie es dieser Komponist von Boieldieu   vor einem Hause, das um ein gut Stück voller thut. Er verwerthet seine einfachen Mittel mit Geschick und erfreut fein tonnte. Das Zurückgreifen auf jene ältere Zeit der französischen   uns durch viel Anmuthiges, besonders wenn wir darauf verzichten, Oper, zumal auf dieses Meisterstück einer Spieloper( 1825 zuerst auf- von seiner Musik ein Mehr zu erwarten. Die Violinvirtuosin Leonora Jadson spielte am 8. mit geführt) lohnt sich auch in unserer längst mit anderen vertrauten Philharmonischen Orchester, das überhaupt unermüd­Beit reichlich. Dieses Aufgebot an Grazie, diese Erfindungskraft, dem Reihe bewährter Stücke und erivies fich und was sonst noch alles sich da vereint, ist nicht leicht zu ermessen, lich hilft, eine Der noch gar zu überbieten. Nun noch gute, weich klingende Stimmen als eine sympathische Beherrscherin ihres Instruments. am 11. im Bechstein­und schauspielerische Persönlichkeiten dazu, und der Genuß ist leicht Baryton Arthur v. Eweyk fand vollkommen. Frau Hermine Schuster- Wirth gab in der Saal von einem ziemlich zahlreichen Publikum lebhaften Beifall und Hauptrolle etwas von einer solchen Persönlichkeit fund; ob verdiente ihn auch durch seine gut gebildete Stimme, die nur bei ihre Stimme, wie sie jetzt flingt, trotz aller Geschmeidigkeit und den weniger hellen Vokalen in der Höhe nicht recht frei klingt, durch Fülle noch dem Jdeal ihres ehemaligen Lehrers Reß entspricht, und ob nicht gerade diese Rolle mehr mystischen Bauber als herben Opernsington verlangt, möchten wir dahingestellt sein lassen. Auch Frl. Anna Quilling( die im Personalverzeichniß des Theaters fehlt) machte aus ihrer Rolle Jenny Dickson eine sehr erfreu liche Erscheinung. In der echten Operntenor Rolle des George Brown zeigte sich Herr Werner Alberti   auch als echter Opern­tenor, wenngleich für einen solchen der Ton weicher, freier und größer sein tönnte. Die gesammte Aufführung war, soweit wir ihr beiwohnen konnten, verdienstvoll und animirt, wollte die Regie für eine weniger schablonenhafte Haltung des Chores sorgen, so würde wieder eine der vielen vermeidlichen und unvermeidlichen Illusions­Störungen weniger sein.-

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seinen wohlgemessenen und um so padenderen Vortrag und durch die Wahl vieler minderbekannter Lieder, unter denen die von Tschai­towsky einen besonderen günstigen Eindruck machten. Die Klavier­Direktion von Oskar Lippold, drei bekannte Konzerte vor. Wir konnten und Violinvirtuofin Elfriede Lippold trug am 14., unter noch zwei Säße Chopin   E- moll hören und daraus vermuthen, daß die Dame mehr im stande ist, als das Stück und zumal sein für sie weitaus überheztes Finale ihr zu zeigen erlaubte. Das gleich­zeitige Streichquartett der Gebrüder Borisch entging uns leider ganz.

Kulturgeschichtliches.

SZ.

g. k. Ueber Lurusverbote, die der Rath der Stadt Hamburg   im 16. Jahrhundert erlassen hat, macht die