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werth, daß das Gericht uns näher in die Karten guckt... er von der Dachkammer im Hause der Dobouziez' so oft Warten wir's ruhig ab, bis der Mob das Schreien satt hat. beobachtet hatte. Die großstädtische Solidität war hier zu Wenn die guten Leute so weiter brüllen, wie sie heute Morgen vorstädtischer Lüderlichkeit ausgeartet, wie leichtsinnige Vaga­begonnen, werden sie, bevor der Abend kommt, heiser sein, bunden tauchten hier und da vereinzelte Häuser auf, und dann wollen wir auch mit Meister Laurent ein fräftiges als ob sie sich von der Gemeinschaft der andern gelöst Alles in allem haben wir dabei gar kein und auf eigene Füße gestellt hätten. Zweideutige Kneipen, schlechtes Geschäft gemacht.( Das Scheusal vergaß sich dabei Holzhöfe, Steinpläge, Gipsgießereien und Abdeckereien. Die so weit, mit vergnüglichem Schmunzeln die Hände zu reiben). Mauern rußgeschwärzt und Grashalme zwischen den Pflaster­Lange ging's mit dem Schiff so wie so nicht mehr. Die steinen. Als monumentale Bauwerke: ein Gasometer, dessen Ratten hatten es schon verlassen, so hoch stand das Wasser eiserne Riesenglocke in dem mit beweglichen Armen versehenen im Kielraum. Die Versicherungsgesellschaft wird uns für den Mauerfäfig auf- und niedersteigt, ein Schlachthaus, dem un­alten Kasten den doppelten Betrag seines Werthes bezahlen. geduldige Viehhändler mit lautem Halloh ihre Heerden zu­Und wenn wir auch die im voraus bezahlten Prämien für treiben, weiterhin eine sich herrschsüchtig aufrichtende Kaserne, einige der kräftigsten der Auswanderer wie diesen Vingerhout die einer nicht minder passiven Heerde zur Zwingburg wird. Bergmans treuen Schildknappen, der Dir ja als Rädels- Alle drei mit schmutzig rother Farbe übertüncht. führer der Emeute noch in guter Erinnerung sein wird einbüßen, so können wir uns dafür die Versicherungsprämien der Mannschaft in die Tasche stecken, was den Schaden reich­lich ausgleicht..."

Zu Hause setzte sich der Rheder bergnügt zu Tische und ließ sich das Essen so gut schmecken, als wäre nichts vor­gefallen. Gina fand, daß der widerliche Zug heimtückischer Freundlichkeit heute auf seinem Gesicht besonders stark zum Ausdruck fam. Erst beim Nachtische theilte er ihr, während er mit unendlicher Fürsorge eine saftige Melone schälte, int gleichgiltigsten Tone von der Welt den Untergang des Schiffes mit, das sie getauft hatte.

Von Stunde zu Stunde der Pfiff einer Lokomotive, der dem Signalhorn des Schrankenwärters und der Fabrikglocke antwortet, oder die Signale der Soldaten, die sich mit dem letzten Angstschrei der Schlachtthiere mischen. Bis zu den Festungswällen ziehen sich weite Ländereien, unterbrochen von Wiesenflächen, auf denen sich verwahrloste Hunde tummeln. Hier und da umgiebt ein winziges Gärtchen ein geschmackloses Land­Häuschen, das sich in diese verlassene Gegend verirrt zu haben scheint.

Um sich zu zerstreuen, wandte Laurent des öfteren seinen heimischen Penaten den Rücken und unternahni durch das Antwerpener Land, das ihm die Erinnerung an die bäuer­Ohne von der Leichenblässe, die das Gesicht seiner Frau lichen Auswanderer lieb machte, ausgedehnte Entdeckungs­bedeckte, die geringste Notiz zu nehmen, erging er sich in fahrten. Obwohl er im Vaterlande war, obwohl er beständig weitschweifigen Einzelheiten und schäzte die Zahl der den frischen Erdgeruch der Heimathsscholle wahrnahm, empfand bei dem Schiffbruch Umgekommenen. Sie bemühte sich Laurent für die Heimath die thränenreiche Märtyrerliebe des vergeblich, den redseligen Gatten zum Schweigen zu ver- Verbannten, und der geringste Gegenstand, den sein Auge anlassen, ihren Bitten zum Troß erzählte er umständlich bemerkte, übte auf ihn einen Eindruck, den nur die gleich stark weiter und trieb die Rohheit so weit, ihr die Feier des empfinden, die von langer Reise heimkehren oder die für Stapellaufes auf der Fulton'schen Werft ins Gedächtniß immer die Heimath verlassen. zurückzurufen. Die gefolterte Frau, die einer Ohnmacht nahe Seine heiße Verehrung übertrug sich von den Mühseligen war, litt es nicht länger am Tisch, sie sprang auf und flüchtete und Beladenen der Stadt auf den unfruchtbaren Sandboden, sich in ihr Zimmer, um dort in dumpfem Hinbrüten der auf den grauen Himmel, die wortfargen Bauern der Campine, Unglücksprophezeiung zu gedenken, die in der Ungeschicklichkeit bei deren Anblick der hochmüthige Städter so etwas wie der Pathin ein böses Omen für das Schiff erblickte. einen Gewissensbiß empfindet.

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Laurent, der sich den Demonstrationen der Menge rasch entzogen hatte, lief baarhäuptig seine Müze hatte er bei dem Kampfe verloren ohne etwas zu sehen und zu hören nach Hause. Und als er in seiner armseligen Dachstube an­gekommen war, warf er sich in fassungslosem Schmerze auf das Bett, vergrub den Kopf in die Kissen, und all das Weh, das seine Brust bedrückte, löste sich in einem krampfhaften Schluchzen, während die zitternden Lippen einmal über das anderemal die vier Namen Jan, Vincent, Siska und Henriette

stammelten.

Seither war nicht ein Tag vergangen, an dem er nicht das ,, Wo kann es schöner sein?" der Willeghemer Dorfmusit vor sich hingesummt hätte, eine Melodie, die wie ein süßes, aber gefährliches Gift auf ihn wirkte. Von der Umwandlung, die sich mit seiner hochmüthigen Kousine vollzogen, hatte Laurent keine Ahnung, für ihn waren die beiden Gina's, das Weib und das Schiff, von nun an ein Begriff. Frau Béjard hatte als eifersüchtiger, böswilliger Störenfried das Schiff, ihr Pathenkind, dem Verderben preis­gegeben, um ihm seine gute Henriette zu entreißen. Und zu denken, daß am Tage von Béjard's Wahl die Liebe zu dieser Regina wieder zum Leben erwacht war! Nein, jetzt wußte er, daß er für das Teufelsweib in Zeit und Ewigkeit nur ein Gefühl grenzenloser Verachtung übrig haben würde. Seine pietätvolle Verehrung für die theueren Todten ging bald in Haß gegen die herrschende Gesellschaftsklasse über, und diesem Hasse paarte sich nicht allein die werkthätige Liebe mit dem arbeitenden Proletariat, sondern auch eine un bezwingliche Zuneigung für die Elendesten unter den Armen, die die Gesellschaft ausgestoßen und geächtet hatte. Er war von Stund an gewillt, seinen Neigungen, die ihn von frühester Jugend an beherrscht und in seinem Innern gearbeitet hatten, frei nachzu geben. Die Lebensstraße, die ihn sein unstillbares Liebes­bedürfniß und sein allerbarmendes Mitleid wählen ließen, führte tief hinein in die öden Gefilde der Unseligen und Un­regelmäßigen.

XXIII.

( Fortsetzung folgt.)

Ein Humorist.

Kulturbild aus einem schwedischen Dorfe.

Es giebt Menschen, die die Gabe besigen, troß der widrigsten Umstände stets ihre gute Laune bewahren und das Leben ausschließ­lich von der heiteren Seite zu betrachten. lich von der heiteren Seite zu betrachten.

Ein solcher Mann ist Johann Olaf, den ich Ihnen hiermit vor­stellen möchte.

Es ist ein langer Kerl, der prachtvoll zum Leibgardisten gepast hätte, wenn nicht sein vorgeneigter Körper der Figur ein weniger martialisches Aussehen verliehen hätte. Unter einem Schlapphut, der offenbar weder gestern noch in diesem Jahre gekauft worden, sieht man ein so findliches und gutmüthiges Geficht, wie man es nur bei den luftigen Dänen anzutreffen pflegt. Johan Olaf ist jedoch dem Alter nach fein Kind mehr; davon legt ein üppiger Schnurrbart, sowie der Umstand Zeugniß ab, daß er fürzlich in den heiligen Stand der Ehe" getreten ist, was ein Mann seines Standes kaum wagt, bevor er ein gutes Stück in die Vierzig hineingekommen.

Uebrigens lohnt es sich nicht der Mühe, ihn nach seinem Alter zu fragen, denn, gleich gefallsüchtigen älteren Damen, giebt er doch feine bestimmte Auskunft. in dem Jahr, als die Kartoffelfrankheit so heftig auftrat.. " Ich wurde geboren Na, sehen wir einmal... Ja, gerade Oder: Ich wurde einmal in der Jektzeit zur Unzeit geboren!" Das ist alles, was er sagt.

Seine soziale Stellung ist noch schwerer genau zu bestimmen, denn feste Arbeit hat er selten. Ich bin alles und nichts, pflegt er zu fageit. Er ist ein Freibeuter auf dem Felde der Arbeit, der einzige Spaßmacher des Ortes, die Reserve der Bauern, wie des anderer ausführen will, übernimmt Johann Olaf für ein Dankwort Gutsherrn . Alle möglichen auffälligen Verrichtungen, die kein und ein bischen Effen bei einem armen Bauer, für Bezahlung bei dem Großbauer und Gutsherrn, aber für eine Bezahlung, die oft unter einem Hungerlohn" steht.

Ein armer Kerl, der Johann Olaf!" sagt der selbstbewußte Fabritarbeiter, der seinen bestimmten Lohn hat und sich niemals herabläßt, nur für einen Mund voll Effen zu arbeiten.

Nun hat er es übernommen, die ganze Roggenernte Per Nilssons

Laurent hat sich im hintersten Winkel von Bergerhout für 25 Dere pro Tag und das Essen zu dreschen. Solch ein Schafs topf! Das soll nun Nahrung für Frau und Kind geben! einquartirt, in der Nähe einer Eisenbahnüberführung und Ich habe ihm das auch gesagt. Du bist ein Dummkopf, Johann, eines Verbindungsgeleises, auf dem nur Güterzüge verkehren. sagt ich! Aber da grinste er nur über das ganze Gesicht und er­Es war eine Ecke des eindrucksvollen Landschaftsbildes, das widerte: