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ausländischen Professor erfunden und soll ganz vorzüglich sein. Jäußerst marinefreundlich find. Die Marine ist ja für diese die Leben Sie wohl!"

808Um die Mittagszeit theilten sich die Wolfen, und die Sonne tam hervor. Die zahlreichen Dampfschiff- Schaluppen, die von der Stadt Gefundbrunn die Passagiere nach dem Hafen hinaus­führten und die am Vormittag fast leer gefahren waren, begannen sich allmälig mit Menschen zu füllen. Um vier Uhr kam Ingenieur Smith mit einem Träger, dessen Belastung zeigte, daß Gesundbrunn sich nicht länger der Anwesenheit des distinguirten Gastes erfreuen sollte, zum Anlegeplatz der Schaluppen hinab. Er war so kurze Zeit am Orte gewesen und hatte sich in so achtungsvoller Entfernung von der Kur gesellschaft gehalten, daß nur wenige von den im Park Promenirenden seiner Abreise Beachtung schenkten.

Nur Fräulein Brandtson seufzte und sagte zu den Fräulein Ohlsson und Karlsson:

,, Ach, ach, ja, ja! Da reist ein feiner Mann, mit dem feine von uns ein Wort zu reden bekam. Findet Ihr nicht, daß die Herren jetzt schrecklich sonderbar sind!"

" Ja- a," sagte Fräulein Ohlsson.

"

Gräßlich!" meinte Fräulein Karlsson.

Eine halbe Stunde später kam die Oberstin Bärfeldt zum Dampfboot hinunter. Sie hatte keine Roffer mit, und merk würdiger Weise war es auch unbekannt geblieben, daß ihr Gepäck mitten während des schlimmsten Regenwetters zum Dampfboot vorausgeschickt worden.

Sie war fofort von einer großen Schaar umringt.

milchende Kuh. Je mehr Kriegsschiffe gebaut werden, desto mehr Arbeiter werden nach Kiel gezogen werden. Die Marinemannschaften, die Kulis", wie sie im Kieler Boltsmund heißen, sind ein gar flottes, lebenslustiges Völlchen, die, wenn fie an Land" tommen, gern etwas draufgehen lassen und die Geschäftsleute in Nahrung fezen. Und auch der Arbeiter wird vom Spießer als Konsument sehr geschäßt, so unbequem er ihm auch wird, sobald er von seinen politischen Rechten Gebrauch macht. So sehr der wasserstieflerische Freifinn der weiblichen Linie des Freifinn in der Provinz Schleswig­ Holstein in den letzten Jahren auch zu schaffen gemacht hat, Stiel wird stets eine Feste des Wadelstrumpfs bleiben, dessen Marine­Enthusiasmus sogar noch den des Zentrums überflügelt. Welch ganz Kieler Arbeiterschaft! Annähernd 9000 Kieler Arbeiter, darunter anderes Bild politischer Charakterfestigkeit bietet demgegenüber die auch die Tausende der Werftarbeiter, gaben im Juni dieses Jahres ihre Stimme für den Sozialdemokraten ab, trop dessen aus­gesprochener und aufs äußerste ausgeschlachteter Marinefeindschaft! Als Wahrzeichen der Marinestadt Kiel fallen dem Fremden zu nächst die grauen Koloffe auf, die im weiten, malerisch umsäumten Hafen liegen. Wer zum ersten Mal Kriegsschiffe sieht, ist enttäuscht. Diese Panzer hätte er sich doch ganz anders, viel größer vorgestellt. Der Schein trügt aber, man muß nur erst einen Blick für die Dimensionen haben. Daß ein modernes Schlachtschiff seine zwanzig Millionen Mark tostet, ist bekannt. Solch ein Linienschiff" ist aber auch ein riesiger Kasten, dessen Wasserverdrängung 10- und 11 000 Tons beträgt, während die Wasserverdrängung der alten Linien­schiffe nicht über 4-5000 Tons betrug. Biel schmucker als ein das einem enormen Bügeleisen nicht unähnlich sieht, viel romantischer modernes Schlachtschiff,-die Kreuzer ähneln mehr dem alten Typus-

und vor allen Dingen viel schiffsähnlicher sahen allerdings die alten Aber Frau Oberstin, Sie verlassen uns doch wohl noch finden und sich mit ihren schlanken, eleganten Formen und ihrem Kriegsschiffe aus, deren etliche jetzt noch als Schulschiffe Berwendung nicht?... Wohin denn?... Wollen Sie mitfahren?... blendend weißen Anstrich von den modernen schwimmenden Särgen" So tönten geschäftig die Stimmen durcheinander. gar sonderbar abheben.

,, Ach was denken Sie! Abreisen, ohne Adieu zu sagen! Ich brenne doch nicht durch! Nein, eine alte Tante von mir ist plöglich schwer erkrankt, und muß ich daher in aller Eile zu ihr hinfahren. Aber in ein paar Tagen bin ich wieder zurüd."

" Frau Oberstin," flüsterte Assessor Halldelin." Ich habe ein neues Drama vollendet: Degeneration" in 4 Aften, weit spannender und psychologisch vertiefter und erheblich feiner, als Die Missethaten der Eltern". Darf ich hoffen, daß Sie so gut sein wollen, zu sehen, ob die weibliche Hauptrolle für Sie paẞt?

" Ich nehme sie unbesehen!" erwiderte die Oberstin und Iachte. ( Fortsetzung folgt.)

In der Stadt selbst ist mindestens jede zehnte Person, der man begegnet, ein Kuli". Die Kleidung der Marinemannschaften ist praktisch und nicht unschön, da ihr das Bunte, das Unpraktische der Uniformen unserer Landtruppen völlig fehlt. Auch sind die Kulis" meist stramme Burschen, die einen ganz anderen Eindruck machen, als z. B. die in Kiel garnisonirenden Infanteristen. Auch den Offizieren muß nachgesagt werden, daß wenigstens die nicht mehr Jugendlichen unter ihnen die Schneidigkeit" und das Geschniegelte ihrer Sameraden vom Lande in sehr angenehmer Weise vermissen lassen. Kiel ist bekanntlich nicht nur Marine- sondern auch Universitäts­ stadt , aber davon merkt man sehr wenig. Die Marine dominirt. Sowohl in der sog. Gesellschaft", wo der Frack bescheiden hinter der Uniform zurücktritt, als auch in den Kreisen des Kleinbürgerthums. Die Unteroffiziere der verschiedenen Chargen, die Obermaate, Maate 2c. spielen in den Kleinbürgerlichen Zirkeln mit ebenso viel Behagen wie Selbstbewußtsein eine Hauptrolle. Nicht nur als eifrige Besucher. der Vergnügungsetablissements, als Konsumenten, Miether 2c., fondern auch als sehr geschäßte Heirathskandidaten. Sie stehen fich ja infolge ihrer Zulagen, z. B. wenn sie an Bord" sind, weit besser als die entsprechenden Chargen der Landarmee. Und dann stechen diese strammen Burschen in ihrer Kleidsamen Uniform den Weibern ganz besonders in die Augen.

Aus einer Marineffadt. Die internationale Flottenparade anläßlich der Einweihung des Nordostsee- Kanals, die Marinevorlage des vergangenen Jahres und die in Aussicht stehende neue Marinevorlage, die wahrscheinlich im nächsten Jahre noch dem Reichstag zugehen wird, kurz die ganze Und was diese Aegirsöhne mit einem besonderen Nimbus den Wasserpolitik des ,, neuen Kurjes" hat die allgemeine Auf- fleinbürgerlichen Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts gegenüber. merksamkeit auf die Marine und die mit ihr zusammenhängenden umgiebt, das ist deren nicht gerade sehr solide Lebensweise. Und Verhältnisse zu lenken begonnen. Den Militarismus, seine die Herren Maate, Obermaate u. s. tv. führen ein sehr flottes Leben. Existenzform und seine Einflüsse auf das öffentliche Leben im Die Marine hat auch in dieser Beziehung Kiel ihren besonderen engeren Sinne und im weiteren Sinne kennt jeder; der Charakter aufgedrückt und es zu einer Art Klein- Hamburg gemacht. Marinismus dagegen ist den meisten der Bewohner des Binnen- Ein wirklich anständiges Theater besitzt Kiel nicht, dafür aber landes ein noch ziemlich unbekanntes Ding. Ich erinnere mich, daß mehrere erftrangige Spezialitätenbühnen. An Nachtcafés ist natür man noch vor zehn Jahren in meiner Heimathstadt, einer Garnison - lich Mangel. Daß Sonntags in einer Ungehr stadt von 12 000 Einwohnern, einen Matrosen der Kriegsmarine wie von Lokalitäten" Ball" stattfindet, gehört auch zu diesem Bilde. ein Wunderthier anstaunte; auch jetzt wird das noch nicht viel anders Soviel von den kulturellen" Einwirkungen des Marinismus. geworden sein.

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auch fein

Täglich viermal werden die Hauptstraßen des Zentrums der Wenn wir einen Bauernjungen auffordern, uns eine deutsche Stadt überfluthet von den Arbeitermassen, die auf den Werften Marinestadt zu nennen, so wird er sofort Kiel " sagen. Und er hat arbeiten. Da auch die kaiserliche Werft als staatlicher Muster­damit auch das Richtige getroffen. Denn Wilhelmshaven ist zwar betrieb" nur eine 11/2 stündige Mittagspause eingeführt hat und als Sitz der Marinestation der Nordsee ebenfalls Marinestadt, allein viele der auf den in Gaarden gelegenen Werften beschäftigten Ar­Wilhelmshaven kann trotzdem und trotz der großen faiserlichen beiter der hohen Miethspreise wegen an der Peripherie der Stadt Werft, die an Bedeutung der kaiserlichen Werft in Kiel ziemlich zu wohnen gezwungen sind, muß der Weg von und zur Arbeit im gleichkommt, nicht mit Kiel verglichen werden, das gegenwärtig Sturmschritt zurückgelegt werden. Um dem Wohnungsmangel in annähernd 100 000 Einwohner zählt und nach einer Eingemeindung etwas zu steuern und um gleichzeitig die Arbeiter an die Scholle zu der auf der anderen Seite des Hafens gelegenen Industrie- Orte fesseln und zu pazifiziren, hat sich ein Arbeiter- Bauverein aufgethan, Gaarden, Ellerbeck u. s. w. eine Stadt von 150 000 Einwohnern der die Arbeiterkolonie Kummerfeld" gegründet hat. Krupp wird werden dürfte, während Wilhelmshaven selbst nur 20 000 Einwohl ebenfalls bemüht sein, seine" Arbeiter nach dem Essener Muster wohner zählt. anzusiedeln. Ob's viel helfen wird? Die Majorität der Kummer­felder" hat doch sozialdemokratisch gewählt!-

Nichtsdestoweniger ist Kiel Marinestadt. Es ist durch die Marine groß geworden. 1870 zählte es erst 30 000 Einwohner, in 28 Jahren hat sich seine Einwohnerzahl also verdreifacht. Ein bedeutender Bruchtheil der Bevölkerung besteht aus Marine- Offizieren und Unter­offizieren, Marinebeamten u. f. w. Die kaiserliche Werft beschäftigt 6000 Arbeiter, aber auch die 4000-5000 Arbeiter der jetzt Krupp gehörigen Germania - Werft werden zum großen Theil im Kriegs­Schiffbau beschäftigt.

Kein Wunder denn, daß das Spießbürgerthum Kiels , die Krämer Handwerker und Restaurateure angesichts ihres" Freisinns"

Kiel ist gerade teine schöne Stadt. Die Altstadt ist eng, schmutzig, ohne malerisch zu sein. Die neueren Theile sind zum theil Arbeiter­quartiere mit im Miethskasernenstil gehaltenen Häusern, zum theil erklusive Villenstraßen. Diese Villenstraßen, die prächtig gelegene Düsternbrooker Allee, der kaum weniger schön gelegene Niemanns­weg u. f. w., stechen gegen die Arbeiterquartiere ebenso sehr ab, wie das Thiergartenviertel gegen Berlin N.O. oder S.O. oder das Hamburger Bartviertel Uhlenhorst gegen das berüchtigte Hafenviertel. Ein denkender Arbeiter, der bei seinem Sonntags- Spaziergange die Villenstraßen