Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 254.

Freitag, den 30. Dezember.

( Nachdrud verboten.)

Die Badeveise der Familie Hellvik. Von Alfred af Hedenstjerna.

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( Schluß.)

" Ja, ja, dann ist es nur gut, daß nicht auch Gott mit feinem Segen zu spät kommt, aber seine Gnade zeigt sich jeden Morgen aufs Neu," sagte der Pastor, der gern bei jeder Gelegenheit seinen Pfarrkindern ein ernstes Wort sagte. Langberg war heute zu glücklich, um nicht jedermann zu Gefallen zu sein. Um also den Pastor zufrieden zu stellen, schlug er vor:

Wissen Sie, Herr Pastor, wir könnten die Arbeit vielleicht fcilen. Sie leiten die Arbeiten auf der Veranda und ich die hier bei der Eingangspforte?"

1898

weit mehr daheim, als an Plätzen, an denen er mehrere Jahre gewohnt hatte.

Er ging in dem großen und schönen, aber sehr einfachen und kunstlosen Garten mit der Freude und Neugier eines Kindes umher, wie der Entdecker in einer neuen Welt.

Da, eine alte Schaukel! Auf der hatte seine Anna wohl manches Mal gesessen und war hoch hinaufgeflogen in die Zweige der riesigen Birnenbäume. In der Rinde eines Stammes waren Namen eingeschnitten. Viele Namen. Auch unlesbare. Aber sieh, da stand ein A. H. gleich Anna Hellvit. Er füßte es und ging dann in seligem Traum, der wohl voll mächtiger Sehnsucht, aber ohne Ungeduld war, umher. Er hatte ein Gefühl, als wenn er genug zu thun hätte, nur hier umherzugehen, bis die Ge­liebte kam.

Der Pastor und der Doktor, besonders der lettere, fühlten Damit war der Pastor einverstanden, und dann wurde sich weniger behaglich; und als endlich alles fertig war, mit verzweifelter Geschwindigkeit gearbeitet. Beiden jungen empfand der Doktor das unwiderstehliche Bedürfniß, auch in Leuten war es, als schmückten sie ihr eigenes Heim; liebevoll den Garten zu gehen und ein Wort der Verständigung je nach und zärtlich ordneten sie die Blumen und grünen Guirlanden, den Umständen mit dem großen Herrn zu reden, der da im und der Pastor warf bisweilen einen warmen Blick über die schwarzen Gehrock daher gefahren kam und sich benahm, als herrlichen, ringsumliegenden Felder hin, während seine leisen wäre er ein Diplomat. Freilich hatte der Thierarzt niemals Seufzer sich hie und da fast zu halblauten Worten formten, einen Diplomaten gesehen, aber wie solche Kerle" aussahen, die seinen Lippen entschlüpften: Anna, Geliebte!... Vier- fonnte man sich ja leicht vorstellen. hundert Tonnen Land... Alles drainirt!"

Plötzlich vernahm man auf der festen, guten Chaussee Wagenrattern, und im Stimmengewirr schrie man durch einander:

" Jesses, se kommen schon!... Et is vier Uhr!.. Det is e Federivage, det hört man an's Geräusch! Schnell die Flagge' ruff!... Ach, Gott   sie Dank, det is nur e Eenspänner!"

So war es auch. Und aus demselben sprang mitten vor der Pforte ein sehr eleganter Herr heraus.

De Herrschaft is nich to Hus, aber se komme hied Awend," sagte der Oberknecht Anders, der sich veranlaßt fühlte, die Honneurs zu machen, da beide Herren nach den Flaggen fortgeeilt waren.

Zufällig fam er gerade dazu, als der Fremde dem alten Birnbaum einen Zärtlichkeitsbeweis gab, worüber vor Lang­berg's Augen rothglühende Flammen aufleuchteten.

Der gute Dottor war fein großer Philosoph; aber soviel begriff er doch trotz der großen und bekannten Gastfreiheit auf Hultuna, dieser junge Herr mußte bei Frau Hellvik in besonderer Gunst stehen, daß er so unmittelbar nach einer Sommerbekanntschaft zu ihnen eingeladen wurde. Und daß dieser neue Bekannte, der ganze zwei Meilen mit Extrapost angefahren kommt, spornstreichs in den Garten läuft und einen Obstbaum füßt, ein ungewöhnliches, freundliches Inter­esse für die jungen Mädchen verrieth, das war wohl ziem lich klar.

" Dante, ich weiß es. Ich soll Sie alle von der Herrschaft es ab. grüßen. Ich erwarte sie hier.

Aber welches von den jungen Mädchen? Davon hing Nilsson ging in holdem Schwärmen einen der schmalsten Langberg und Fridolin hatten sogleich Herrn Nilsson Gartensteige hinauf, als plöglich ein dunkler Schatten über wiedererkannt, dem sie in Gesundbrunn flüchtig vorgestellt den Weg fiel, und Doktor Langberg gerade vor ihm stand waren. Der giftige Pfeil der Eifersucht durchbohrte plöglich und sagte: Beider Herzen. Der Pastor erbleichte und ein Allmächtiger Gott!" entrang sich seinen zusammengebissenen Lippen. Dem Doktor dagegen wurde glühend heiß, und er murmelte in vollständiger Wuth:

Der scheint sich ja hier verteufelt zu Hause zu fühlen!" Herr Nilsson grüßte artig und freundlich und erzählte, daß die Familie Hellvik die außerordentliche Freundlichkeit gehabt hätte, ihn auf ein paar Tage nach Hultuna einzuladen. Er sagte, er freute sich, daß er so zeitig gekommen, und daß es ihm sehr angenehm wäre, die Bekanntschaft der beiden Herren zu erneuern.

Das alles wurde mit großer weltmännischer Gewandtheit borgebracht.

Der Pastor fragte, ob es sehr staubig wäre.

Der Doktor bat um Entschuldigung, daß er in Hemds­ärmeln blieb.

Herr Nielsson sagte, es wäre weniger staubig, als man vermuthen sollte, und bat den Doktor, sich gar nicht geniren zu wollen.

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" Hm... hm... entschuldigen Sie entschuldigen Sie aber ich bin cin offener Kerl, und ich glaubte... hm... ich hätte möglicher­weise... das heißt.. ja, ich hätte hier nichts mehr im Hause zu suchen. Aber vielleicht ist es ein Irrthum? Herr Nilsson, Sie sind gewiß ihrer Sache sehr viel sicherer, denn... hm... wer so hierher kommt, wie Sie... hm... hat doch wohl alles klipp und klar... das begreife ich... so­daß nichts daran zu ändern ist. Ja... wissen Sic, ich bin kein Mann des Worts; aber ich hoffe, wir verstehen uns? Um welches Fräulein Hellvik handelt es sich?"

Nilsson lachte gutmüthig und findlich, streckte den erregten Riesen seine beiden Hände hin und sagte:

Bei Ihnen handelt es sich doch wohl um Fräulein Gerda, was ich daraus entnehme, daß sie mich besonders bat, Sie recht sehr" zu grüßen, tvenn ich Sie allein träfe... ei, pottausend!"

Langberg hatte im Uebermaß seiner Freude Nilsson's Hände fast zerdrückt und rief nun:

" Heiliges Kreuz, das ist zu herrlich! Verzeihen Sie! Ja. Sie sehen ja, wie es mit mir bestellt ist... Hören Sie nun, könnten wir nicht, wir, die wir doch ja, die

"

Und dann drückte er sich allmälig abseits in den Garten. Zum ersten Mal seit zwanzig Jahren fühlte er sich da­heim. In früher Jugend hatte er aus seinem zerstörten wir doch... hm, eigentlich kommt es nicht mir zu, es vor­Baterhause hinaus müssen in die weite Welt. Er hatte zuschlagen; aber da wir doch... uns in Gesundbrunn ge­bald in fensterlosen Kammern unter den Hotel  - troffen haben... obgleich wir hier kein Glas oder treppen, bald in ganz netten Hofmeisterzimmern gewohnt. O sehr gern!" sagte Nilsson und legte seinen Arm um Er hatte die Möblirung vieler prächtiger Wohnräume und den Nacken des jekt so sanftmüthigen Riesen. Ich hoffe, wir zahlreicher Hotelzimmer mit Verständniß und Geschmack ge- werden gute Freunde werden." leitet; aber er selbst hatte sich immer ebenso wenig zu Hause" gefühlt, wie der Gast, der kam und ein solches Zimmer für die Nacht nahm. Nun, inmitten all dieser Dinge, die während des ganzen Lebens den Rahmen um sie, die er mit dem reifen, klaren, starken, bewußten Gefühl des erprobten Mannes liebte, gebildet hatte, fühlte er sich sofort

,, Darum bitte ich!" fiel Langberg eifrig ein.

In demselben Augenblick vernahm man wieder das Herans rollen eines Federwagens und Hufschlag auf der Straße. Diesmal war es wirklich Pluto   und Proserpina  .

Die Pferde scheuten wild vor der Ehrenpforte zurück und hätten in all der Freude beinahe ein Unglück angerichtet.