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schhauten befriedigt drein, wahrscheinlich aus Freude, daß der Banzer malt, mit all all den Blitzlichtern auf dem blanken Prozeß bald zu Ende war. Das Gesicht des Präsidenten, Eisen, das ist ganz, als ob es einer der treuen Alten gematt beleuchtet durch den Refler einer Fensterscheibe, hatte einen ruhigen und gütigen Ausdruck.
Ein junger Assessor plauderte beinahe heiter, indem er an seinem Bäffchen zupfte, mit einer hübschen Dame, die einen rothen Huth trug, und der die Vergünstigung zu theil geworden war, hinter ihm siken zu dürfen.
Nur die Geschworenen fahen blaß und ermüdet aus. Sie waren ja auch die ganze Nacht hindurch aufgeblieben. Einige gähnten. Nichts fündete in ihrer Haltung Leute an, die soeben ein Verdikt auf Schuldig abgegeben hatten. Aus den Gefichtern dieser guten Bürger las ich nur ein großes Verlangen nach Schlaf.
Mir gegenüber war ein Fenster weit geöffnet. Ich hörte auf dem Quai die Blumenmädchen lachen und sah auf dem Fenster in einer Mauerspalte eine hübsche, kleine, gelbe Blume, bom Sonnenlichte überfluthet, mit der der Wind spielte.
Wie hätte inmitten so vieler angenehmer Eindrücke ein trüber Gedanke in mir auftauchen können? Von Luft und Sonnenlicht umwebt, war es mir unmöglich, an etwas anderes als an die Freiheit zu denken, die Hoffnung strahlte in mir wie der Tag um mich, und vertrauensvoll erwartete ich mein Urtheil, wie man Befreiung und Leben erwartet. Indem fam mein Vertheidiger. Man wartete schon auf ihn. Er hatte soeben mit gutem Appetit gefrühstückt.
Auf seinem Plage angekommen, beugte er sich lächelnd zu mir. " Ich habe Hoffnung."
" Nicht wahr?" erwiderte ich aufathmend und lächelte auch. " Ja," fagte er, ich weiß noch nichts von dem Wahrspruch, aber sie werden jedenfalls die Frage über die Vorsätz lichkeit verneint haben. In diesem Falle werden Sie höchstens zu lebenslänglicher Zwangsarbeit verurtheilt werden."
"
Was fagen Sie da, mein Herr?" entgegnete ich mit Entrüftung.„ Hundertmal lieber den Tod!"
Ja, den Tod! Was macht es übrigens aus, wenn ich das sage, so rief mir eine innere Stimme zu.
malt hätte. Er steht überhaupt, da er vor ihr gekommen ist, abseits von dem Wege, auf dem die Entwickelung der impressionistischen Malerei sich vollzogen hat; in den Werken des letzten Jahrzehnts erst wird man deutlicher gewahr, daß er mit offenen Augen um sich geschaut hat; und wie überhaupt mancherlei wechselnde Einflüsse in seinem Wert festzustellen sind, so mischen sich in der letzten Zeit auch lichte, blaue Töne in die tiefe, auf einem braunen Grundton bafirende, altmeisterlich schöne Farbengebung der früheren Bilder, die wohl aus der Beobachtung der modernen Farbenanschauung ge wonnen sind. Fast erscheinen diese indeß als etwas Fremdes, gegen über der früher kräftigen Farbengebung zu Weiches. Malerei vorangeeilt zu sein, und auch dies hat er wohl von seinen
In einem aber scheint Thoma der modernsten" Phase der Alten gelernt: Von allem Anfang an geht er in seiner Malerei auf eine geschlossene Bild wirkung. Es ist ihm nicht genug, ein Stück Natur nachzubilden; er hat immer durch eine feste, in den Rahmen hineingeordnete Komposition, durch eine einheitliche, harmonisch abgetönte Farbengebung ein künstlerisches Ganze gestalten wollen. Das wird in seinen ersten Bildern, dem„ Hühner fütternden Mädchen" und den malerisch besonders feinen„ Balgenden Jungen" aus dem Anfang der siebziger Jahre nicht weniger erfichtlich, als in den legten, etwa dem Meerwunder", in denen auch der Rahmen durch seine Ornamentik in die künstlerische Gesammtwirkung als ein wesentliches, abschließendes Glied hineinbezogen ist. Das start dekorative Empfinden, das in diesen Ornamenten lebendig wird, drängte zur Vereinfachung. Man kann es verfolgen, wie aus der Farbenfülle der schlichten, kräftig realistisch gemalten ersten Bilder fich allmälig ein den Eindruck des Ganzen bestimmender, auf wenigen kontrastirenden Farben beruhender Farben gebante herausarbeitet. Noch deutlicher tritt dieser Zug in seiner Zeichnung auf. Wer etwa eine größere Sammlung von Zeich der junge Künstler sich gerade an Motive gewagt hat, die ihm ein nungen aus seiner Jugend gesehen hat, der fonnte erkennen, wie Gewirr von Linien boten, mochten dies mun weit und verzwickt veräftelte Eichenbaumkronen oder recht runzelige Gesichter alter Bäuerinnen sein, wie er sich vor dieser Menge von Einzelheiten faum zu retten wußte, und wie dann mit der fortschreitenden Entwickelung die Bereinfachung fam, wie wenige große Linien flar hervortreten, die großen Züge, die den Charakter des Gegenstandes erschöpfend darstellen.
Diese ausgesprochene Neigung für lineare Stilifirung läßt es Hat man jemals ein Todesurtheil anders ausgesprochen als um Mitternacht, beim Schein der Kerzen, in einem natürlich erscheinen, daß Thoma nicht von den figürlichen Kompofitionen gelaffen hat, obwohl es scheint, daß er im Landschaftlichen düsteren und schwarzen Saal und in einer kalten und fein bestes Rönnen entfaltet. Sie erflärt es auch, daß unter den regnerischen Winternacht? Aber im August, um 8 Uhr Landschaften ihm die am besten gefielen, die charakteristische LinienMorgens, an einem so schönen Tage, bei diesen gutmüthigen züge enthalten und so der stilisirenden Linienführung am weitesten Geschworenen, das ist unmöglich! Und meine Augen hefteten entgegenkommen: die in Wellenlinien sich hinziehenden deutschen fich wieder auf jene schöne gelbe Blume im Sonnenlicht. Mittelgebirgs- Landschaften, in denen flache Kuppen weite wellige Plötzlich forderte mich der Präsident, der nur den Thäler gegen den Horizont hin begrenzen. In seinen TaunusEine von Bertheidiger erwartet hatte, auf, mich zu erheben. Die Soldaten Landschaften hat der Künstler das Beste geleistet. diesen nicht die beste ist in der Ausstellung vorhanden. faßten das Gewehr an, und wie elektrifirt stand die ganze ne große fünstlerische Kraft steckt in diesen Bildern. Versammlung im selben Augenblick auf. Eine unbedeutende Wie Thoma hier ein Stüd Natur so zu gestalten gewußt hat, daß Heine Person, die unterhalb der Richterfize an einem Tische es lebendig und fraftvoll mit der Größe der wirklichen Natur auf stand, ich glaube, es war der Gerichtsschreiber, ergriff das Wort unser Empfinden wirkt, das ist eben rein künstlerisch eine That, wie und las das Verdikt vor, das die Geschworenen in meiner Ab- sie nicht vielen heute gelingt. Und dieses Vermögen, Körperliches wesenheit gefällt hatten. Ein falter Schweiß brach aus meinen zu modelliren, den Raum zu gestalten, tritt auch sonst als bestes Gliedern hervor, und ich stükte mich an die Wand, um nicht Merkmal von Thoma's Kunst auf. Wie prachtvoll ist z. B. auf zu fallen. ( Fortsetzung folgt.) feinem Selbstporträt mit wenigen martigen Strichen der Kopf modellirt! Wie geht in fast allen seinen Landschaften der Blick durch weite Räume in die Tiefe!
Hans Thoma gehört unter den Künstlern der Gegenwart zu den vielfach Verkannten. Nicht etwa, daß er überhaupt nicht geschäßt würde. Im Gegentheil, man erweist ihm die Ehre, ihn mit Arnold Bödlin in einem Athem zu nennen, und legt dadurch einen Maßstab an seine Werke, der nicht an sie gelegt werden darf, mit dem gemessen sie allerdings in teiner Hinsicht. bestehen können. Aber wenn man zusammenfaßt, was heute über ihn gesagt wird, so ergiebt sich etwa, daß Thoma ein herzlich guter Mensch, auch ein Mann voll schöner Phantasieen, aber ein schlechter Mufitant" sei. Malen könne er eigentlich nicht, zeichnen auch nicht, aber man liebt" ihn um feiner Persönlichkeit willen. Mich dünft, man erweist Thoma mit dieser Art Schätzung einen schlechten Dienst. Thoma's Kunst will als solche ernst genommen und gewürdigt werden.
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Es mag zugegeben werden, daß Thoma in der Vereinfachung feiner Linien bisweilen zu weit geht, fodaf er hart und sogar plump erscheint; aber das ist eben nur vereinzelt der Fall. Er ist wieder ein Linienfünstler im Sinne der Alten, eines Dürer etwa; er hat in seinen Federspielen", in seinen rein ornamentalen Arbeiten eine lebhafte Formenphantasie bethätigt, wie sie heute in der vorzugsweise malerisch empfindenden Kunstwelt nur selten ist. Dieser zeichnerische Sinn hat ihn auch folgerichtig zu den vervielfältigenden Künsten geführt. Thoma arbeitet vorzugs weise für den Steindrud, die meisten seiner Blätter find in der Ausstellung zu sehen. Es darf an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, wie es ihm mit diesen Blättern gegangen ist. Thoma hatte geglaubt, seine Steindruce so billig herstellen zu können, daß sie Jedermann zugänglich sein sollten; er wollte damit der Eine ausgezeichnet zusammengestellte Kollettivausstellung im Schundwaare, dem Buntdruck u. f. w., die in den Stuben der wenig Kunstsalon von Bruno und Paul Cassirer , die vor Allem auch Bemittelten die Wände schmücken", entgegenarbeiten. Die Verleger Frühwerte enthält, giebt ein gutes Bild von Thoma's künstlerischer hatten es anders beschlossen. Er fand keinen einzigen, der auf Bersönlichkeit und ihrer Entwickelung. Und hier gerade, wenn seinen Plan eingegangen wäre. Die Auflage mußte fünstlich so man die Werke in ihrer zeitlichen Aufeinanderfolge sieht, ent- flein gemacht werden, daß für die Blätter ein hoher Liebhaberpreis hüllt es sich, ein wie großes Stüd ehrlicher, rein erzielt werden konnte. fünstlerischer Arbeit in ihnen stedt. Es ist richtig, im„ Malen- Es schien mir vor allem nöthig, gegenüber der Art, wie Thoma tönnen" im modernen Sinne thut er es Manchem der Heutigen nicht gewöhnlich aufgefaßt wird, mit Einigem auf das hinzuweisen, was gleich. Er hat nicht die Freiheit, den großen Schwung der Binsel- er rein künstlerisch bedeutet, Thoma vor seinen Bewunderern" in führung, in dem diese brilliren. Seine Art erinnert mehr an die Schuß zu nehmen. Damit ist natürlich nicht entfernt alles gesagt, liebevolle der alten deutschen Meister, die mit Sorgfalt auf ihrer was über Hans Thoma zu sagen wäre. Es ist wahr, daß seine Malfläche herumbosfelten, bis Alles, was sie geben wollten, hübsch Werke uns so start anziehen, weil sie über ihre technischen Vorzüge fein und glatt und bestimmt herausgekommen war, so hinaus die Aeußerungen einer gewinnenden Künstlerpersönlichkeit sind. daß man mit der Lupe daraufschauen und doch noch die Zwar finde ich nicht, daß Thoma's Vorzug, wie man wohl Einzelheiten erkennen tönnte. Wie Thoma etwa einen öfter hört, der hohe Schwung der Phantaste ist; er wurzelt mit