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Kleines Feuilleton.
feinem ganzen Empfinden fest auf der Erde; er liebt die Natur so wie sie seinen flaren Augen erscheint, und selbst wo er in seinen Motiven ins Märchenland hinüberschweift und etwas giebt, was nicht C. Die Schulverhältnisse in den neuen amerikanischen auf dieser Erde zu finden wäre, schaut es nicht anders aus als sonst Kolonien werden den Amerikanern noch viel zu schaffen machen. die Dinge in seinen Bildern. Seine Bilder erschienen ihm zuerst im Sie sind außerordentlich schlecht bestellt. Die Deutsche Zeitschrift Traume, hat er einmal erzählt. Sie sehen aber garnicht traumhaft, für ausländisches Unterrichtswesen" giebt nach der letzten spanischen visionär aus; Thoma ist mehr„ Sinnierer" als Phantast; er hat Statistik, die aus den Jahren 1888-1889 stammt, einige Zahlen: „ Einfälle", recht wunderliche zuweilen, an denen das so merkwürdig Auf Kuba betrug damals die Zahl der Kinder, die öffentliche Schulen wirkt, daß sie mit solcher Selbstverständlichkeit gegeben sind, als ob befuchen, nur 21/2 pCt. der Bevölkerung, der gesammte Schulbesuch es die natürlichsten Dinge von der Welt wären. Diese treuherzige der in Privatschulen hinzugerechnet, 33/4 pt. 19 647 weiße und naive Art, die Thoma seine Werte schaffen läßt, wie sie ihm gerade 8027 farbige Kinder besuchten die öffentlichen Schulen, die einen kommen, die ihm Bollendetes neben manchem Schwachen eingiebt, ist Gesammtaufwand von 119 500 Dollars erfordern, das sind für eine so seltene und werthvolle Erscheinung in einer Zeit, in der das jedes Kind 4,39 Dollars pro Jahr. Diese Schulen stehen unter der Kunstschaffen fast ganz auf lleberlegung und Berechnung gestellt ist.- Aufsicht und Kontrolle des Klerus. Lehrgegenstände sind Erläute rungen des katholischen Katechismus, Rechnen, Lesen, Schreiben und ein wenig Geschichte. Auch das Lehrerpersonal läßt viel zu wünschen Der letzte Tag eines Verurtheilten. übrig; es sind in der Regel Personen, die in der Noth schließlich Lehrer geworden sind, weil sie in anderen Berufen kein Glück geVon Victor Hugo , dem Gründer der romantischen Dichter- habt haben. Ihr Gehalt beläuft sich auf 30-40 Dollars im schule in Frankreich schon 1829 geschrieben. 1829, und heute zählen Monat. Die Universität in Havana zählte 779 reguläre wir 1899. Damals in der Jugend des 19. Jahrhunderts heute Studenten. Den schlechten Schulverhältnissen entsprechend ist an dessen Ende fin de siècle , nach Fäulniß riechend. Siebzig auch die Zahl der Analphabeten sehr groß. In der Provinz Jahre dazwischen, mehr als zwei Menschenalter. Ist das Havana find 53 pCt. der weißen und 85 der farbigen Bevölkerung damals Junge und Jugendschöne inzwischen nicht veraltet?" Wie des Lefens und Schreibens inkundig, in Puerto Principe 66 resp. fann man unserem vorgeschrittenen, flugen, überflugen Ge- 72 pet., in Pinar del Rio fogar 88 und 97 pet. Trotzdem von schlecht Solches bieten? Wie? Aber die Jugend kann doch Portorico genauere Angaben fehlen, kann man annehmen, daß es unmöglich veraltet" sein, und ach! unser junges Geschlecht dort nicht besser ist wie auf Kuba . Auf den Philippinen kam gar mit seiner Klugheit und leberklugheit ist so alt, so greifenhaft alt, von Schulbildung mur in Manila und einigen anderen Häfen die daß ihm nur von Nugen sein kann, die Jugend zu sehen, die es Rede sein; die Zahl der Analphabeten ist dort noch größer als in selber nicht gekannt hat. Kuba . Zudem werden den Amerikanern auch aus den konfessionellen Verhältnissen Schwierigkeiten erwachsen. In den früher spanischen Provinzen bafirt die Bolksschule auf katholischer Grundlage, und nach den amerikanischen Anschauungen muß die öffentliche Schule fonfessionslos fein; es wird aber sehr schwer halten, dieses Prinzip in den neuen Kolonien durchzuführen.
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Musik.
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Die Jugend! Die Zeit der Jdeale. Die Zeit, wo das Bürgerthum noch Ideale hatte. Und 1829- das Jahr vor der Julirevolution, die schon in der Luft war. Victor Hugo , damals noch ein Schwärmer fürs Königthum, suchte sein Jdeal auf anderem Gebiete als dem der Politik. Er liest eines Morgens, daß ein Verbrecher zum Tod verurtheilt ist. Und vor der Seele des Dichters steigt das Bild des Verbrechers auf und hinter dem Bild des Verbrechers das Bild des Verbrechens, das die Gesellschaft, das der Staat an den Verbrecher zu begehen Aus der Woche. Kammermusiker aus Nord und aus Süd! im Begriff ist. Dort ein Mensch, der in der Leidenschaft, im Born, Am 31. v. M. Teitete im Beethoven- Saal der Violinvirtuose Tor der ein kurzer Wahnsinn ist, oder vielleicht auch aus gemeiner Hab- Aulin aus Stockholm einen Standinavischen Kammersucht einen Menschen getödtet hat. Und hier die menschliche Ge- musik- Abend." Was wir hörten, brachte nicht eben eine Besellschaft, der Kollektiv- Ausbund aller menschlichen Weisheit, Tugend reicherung des bisherigen Bestandes der Musik, zumal wenn wir an und Gerechtigkeit, der sich dem Zwerg von Verbrecher gegenüberstellt, das denken, was von dort her Grieg geleistet hat ausgenommen, der Riese, der den Zwerg mit seiner Riesenfaust packt, und ihn daß einiges von Lange Müller und von Sjögren eine sonst im Namen des Gesetzes, das heißt der destillirten und krystallisirten seltene Verbindung von Originalität und Einfachheit zeigte. Anjeits Weisheits- Effenz aller Jahrtausende der Kultur zuruft: Du hast gerühmt wurde ein noch handschriftliches Klavierquintett von Franz einen Menschen getödtet das höchste aller Verbrechen, die der Mohaupt, einem Deutschböhmen, das am 30. v. M. der Verein Mensch begehen kann wohlgemerkt, wenn er es dabei bewenden zur Förderung der Kunst aufführen ließ. Das war jener läßt, blos einen zu tödten und nicht dem einen Opfer noch Tag, der mindestens sechs Konzerte, die übrigens alle dicht besucht Hunderttausende hinzuzufügen, denn dann ist es höchster Ruhmwaren, brachte.- Eine besonders tüchtige reproduktive Leistung auf Du hast einen Menschen getödtet, und um Dir und den übrigen diesem Gebiete bot am 1. d. Mts. das Konzert der Münchener Menschen zu beweisen, daß dies das höchste aller Verbrechen Kammermusik- Vereinigung", deren zweites Konzert, am ist, fühle ich, die menschliche Gesellschaft, der Staat, als 9. d. Mts., Hoffentlich noch besuchter sein wird. Die Konzertdirektion oberster Vertreter aller menschlichen Sitte, Moral und Kultur, mich wollte den Mangel an Gelegenheit, Kammermusik für Blasverpflichtet, das gleiche höchste Verbrechen an Dir zu be- instrumente zu hören, durch eine Berufung der Pariser„ Société de gehen- ich tödte Dich! Ich tödte Dich nicht in der Leidenschaft, musique de chambre pour instruments à vent" überwinden; es nicht aus Zorn, nicht aus Habsucht nein, im Vollbewußtsein gelang nicht, und so holte man die betreffenden Herren aus München . meiner Kultur und meiner Kulturpflicht, ich, der Ausbund aller Dort besteht am Konservatorium und im Opernorchester feit Weisheit, Tugend und Gerechtigkeit, in der heiteren falten Ruhe Menschenaltern eine ausgezeichnete Tradition im Bläserspiel. Die der unfehlbaren Tugend. Ich tödte Dich, nicht sofort, nicht ehe Herren griffen mit ihrer ersten Nummer auf eine jetzt leider unterDu Zeit hast, das Furchtbare Deiner Lage zu begreifen und die Tiefe schätzte Partie aus der Geschichte der Kammermusik zurück. Wie Deiner Schuld zu ermessen- nein Du sollst geit haben- drei Wochen felten ist noch ein Spohr oder gar ein Onslow zu hören! vier Wochen fünf Wochen und mehr und an dem Dir be- Diesmal tam von Spohr ein höchst melodiöses Klavierquintett; stimmten Tag, zu der Dir bestimmten Stunde, an die Du Wochen möchte doch auch fein Nonett wieder einmal aufgeführt und Wochen lang, so lange Dein Leben und Deine Angst dauert, werden! Eine weiterhin gespielte Caprice über dänische und jede Minute, jede Sekunde entsetzensvoll denken sollst auf daß es russische Weisen" von Saint- Saëns war doch wohl mehr ein ParadeDir flar werde, was für ein Verbrecher Du bist und was für ein Aus- stüd. Gespielt haben die Herren vornehmlich mit einer wunderbund von Weisheit, Tugend und Gerechtigkeit ich der Staat - ich, baren Bartheit: wer bei dem zuletzt vorgetragenen Klavierquintett die Gesellschaft. von Beethoven die mehrmals gerühmte Sleine Partitur- Ausgabe" zum Mitlesen benußte, fonnte seine besondere Freude daran haben.
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Das Bild des Verbrechers und des Verbrechens nahm Fleisch nnd Blut an im Geiste des jungen Dichters, und der letzte Tag eines Verurtheilten" entstand.
Die Wirkung war unbeschreiblich. All der Abschen, den fast 70 Jahre früher der Italiener Beccaria durch sein berühmtes ( 1764 erschienenes) Buch, gegen die Todesstrafe erweckt hatte, wachte wieder auf, zehnfach verstärkt, und auf Louis Philipp, den Bürgerfönig und König der Pflastersteine", der ein Jahr später von der Revolution in die Tuilerien gespült wurde, war der Eindruck so mächtig, daß er feinen Verurtheilten mehr hinrichten ließ bis der Attentatsschrecken über ihn kam.
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Der Attentatsschrecken ist seitdem nicht von der Welt wegs gekommen. Und heute 70 Jahre nach dem flammenden Protest Victor Hugo's , fast zweimal 70 Jahre nach dem erlösenden Buche Beccaria's feiert das Henkerbeil, die Guillotine und der Galgen Orgien wie im rohesten Mittelalter, beschattet von der Zivilisation des Militarismus, des bewaffneten Friedens, des Massenmordes. Wer sagt noch, die Dichtung Victor Hugo's sei veraltet? Die Welt ist alt geworden nicht diese Dichtung. Die alte Welt aber wird wieder jung. Sie bewegt sich doch!
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23. 2.
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Ant Orchesterleistungen ist diesmal über etwas Russisches zu berichten. Der Dirigent Alexander Winogradsky aus Riew führte am 30. mit dem Philharmonischen Orchester russische Kompositionen auf, die für Berlin neu waren; unter ihnen soll eine Symphonie des jungen Kallinilow das Originellste gewesen sein. Ein Tongemälde„ Sadko " von Rimsky- Korsakow war das Einzige, was wir hören konnten. Herrn Winogradsky's Dirigirbewegungen sehen zunächst recht forcirt aus; bald aber lernt man diefe mimischen Beschreibungen der Mufit als ungefünfteltes Ergebniß eines Mitlebens der Kompositionen verstehen und achten. Das Klavier war diesmal vor allem durch Johanna Heymann vertreten, von der wir am 2. das Beethoven 'sche G- durKonzert hörten. Daß doch dieses soviel Größe fordernde Stück so häufig von Spielern und namentlich Spielerinnen vorgetragen wird, die nicht daran heranreichen und ihre Vorzüge anderswo besser zeigen fönnten! Gerade bei der genannten Virtuosin ist es sonst eine Freude zu hören und zu sehen, wie ihre kleinen Händchen so zierlich, zart, rein und forreft laufen( Einzelheiten abgerechnet) und ein liebliches Klaviergezwitscher ergeben.- Unter den übrigen Tastentünstlern dieser Woche scheinen nach dem, was mir berichtet