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ganze Lärm diefes Straßenlebens vereinigte sich zu der schauerlichen Symphonie des sozialen Kampfes, der durch die Gassen der Groß­städte gellt. Während die beiden Arbeiter sich einen Weg über den Play bahnten, hatten sie den Neuen aus den Augen verloren. Jetzt be traten fie eine Seitenstraße. Gleich rechts lag ein großes Gebäude: Herberge zur Heimath. In dem Augenblick, da fie vorüberkamen, trat langsam, mit müdem Schritt und gesenktem Haupte der Neue heraus. Er stieß förmlich gegen die Beiden, und als er den Kopf wandte, duckte er sich erschreckt zusammen. Es war eine Veränderung mit ihm vorgegangen. Nicht mehr der trotzige Blick.. eine schlaffe Gleichgiltigkeit sprach aus seinen Zügen.

Die Arbeiter waren weiter gegangen. Jetzt blieb der Weltere stehen und kam langsam zu dem Neuen, der rathlos und hilflos an dem hohen Hause hinaufblickte.

Was is' denn...? Sag's nur

Der sah ihn zweifelnd an. Was soll denn sein?" murmelte er. " Ohne Geld wollen Se mich nich behalten. Ich hab' feines und zum Thürklinkenpuzen" ist's jetzt zu spät. Nu kann ich ins Asyl gehen.

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Blöglich übermannte ihn die Wuth. Den ganzen Tag hab' ich geschuftet wie' n Vieh," schrie er, nichts gefressen hab' ich als zwei trockene Brotrinden, da muß man ja wieder zu Grunde geh'n!" Der Junge war zu seinem Gefährten getreten, fie saben einander an. Und plötzlich siegte in dem verbitterten Alten und in dem wilden Jungen das herrliche menschliche Erbarmen über alle anderen Gefühle, Sie griffen in die Taschen, suchten ihre Groschen zusammen und drückten sie dem Ausgestoßenen in die Hand. " Da.

und da... und da...!"

Der blickte sie eine Weile sprachlos an, dann brach ein Thränen­strom über sein verhungertes Gesicht.

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Wie das gebt Ihr mir?... Ihr helft mir, und ich bin doch Euer Feind?" Der Aeltere wehrte ab. Das laß'' mal," sagte der Junge einfach.

Doch der Andere starrte sie noch immer mit thränenden Augen an." Ja, wißt Ihr denn, daß der Werkmeister gesagt hat, Ihr müßtet Alle' raus, wir müßten Euch' rausbringen... Und Ihr helft mir?"

Sie hatten sich schweigend zum Gehen gewandt. Da ergriff er ihre Hände und drückte sie. Vergebt mir," stammelte er, bergebt mir. Ich hab' Euch beschimpft, aber es ist doch' was Großes, was Ihr die Solidarität nennt. Jezt hab' ich's erkannt an Euch, die Ihr Eurem Gegner helft, weil er Arbeiter ist, und wenn's mir ge­lingt, mich emporzuarbeiten... ich bin der Eure, ich steh' Schulter an Schulter mit Euch für Eure Organisation und Eure Ideen!" Er sah ihnen tief in die Augen, und sie wußten, daß er sein Gelöbniß wahr machen würde.

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Kleines Feuilleton.

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Heirath mit dem ihr verlobten Manne. Nukmabai verlor aber auch jetzt noch nicht den Muth und weigerte sich standhaft. Der Er­trag einer von den englischen Damen von Calcutta  , Madras und Bombay veranstalteten Sammlung reichte aus, um die Heldin der beiden Prozesse freizukaufen" und nach England zu schicken. In London   warf sie sich mit Eifer auf das Studium der Medizin, er warb den Doktorgrad und kehrte dann wieder in die Heimath zurück, um ihre Landsleute zu pflegen. Vor Kurzem hat nun die englische  Regierung in Sutra ein Hospital für Eingeborene errichtet, als dessen Leiterin und erste Aerztin Rutmabai eingesetzt worden ist. Die Hindus verehren sie jetzt fast ebenso wie ihren Jogi", und nur sie kann die Leute dazu bewegen, irgend welche Vorsichtsmaßregeln gegen die Pest zu gebrauchen. Ein ganzer Flügel des Kranken­hauses ist nur für Pestkranke bestimmt, aber der Raum reicht kaum aus, um allen dorthin gebrachten Patienten Aufnahme zu gewähren. Die dunkelhäutige Doktorin ist 28 Jahre alt, besigt eine schlanke Hochgewachsene Figur und ein intelligentes, sympathisches Gesicht.- Die Heirathschancen der Mädchen in verschiedenen Lebensaltern hat ein französischer Statistiker festgestellt und in Ziffern zur Anschauung gebracht. Die allgemeine Annahme, daß ein Mädchen im Alter von 15-20 Jahren dem Manne am anziehendsten erscheint, wird von diesem Statistiker über den Haufen geworfen; aus seinen Ziffern ergiebt sich vielmehr, daß von 100 Bräuten nur 13 in diesem Alter an den Traualtar gelangen, kaum viel mehr, als in dem Alter von 30-35 Jahren. Die meisten Mädchen schreiten im Alter von 20-25 Jahren zur Trauung, nämlich 36 aus jedem Hundert. Bemerkenswerth ist, daß das nicht nur auf Frankreich   zutrifft, sondern auf fast jedes andere zivilisirte Land, und daß man allenthalben nur noch selten Badfische" von 15 Jahren mit bartlosen Bürschlein von 18 Jahren sich vermählen sieht, daß das Baaren vielmehr fast durchwegs in gereiftem Alter geschieht. In dem Alter von 20-25 Jahren sind, wie gesagt, die Aussichten der Weiblichkeit, unter die Haube zu kommen, am günstigsten, je weiter aber das Mädchen das 25. Jahr hinter sich läßt, desto geringer werden seine Heirathschancen. Bis zu der ominöfen Dreißig" läuten immerhin noch 22 von 100 3u­fünftigen die Hochzeitsglocken. Dann aber geht es rapid abwärts. Von 30-35 heirathen nur 12 von 100; von 35-40 sechs von 100; von 40-45 fiinf von 100. Jm Alter von 45 bis zu 50 Jahren wird von 40 späten Mädchen" mur eine Braut und Frau. Daß es auch für 60jährige Jungfrauen noch einen Liebesfrühling giebt, beweist die statistisch festgestellte Thatsache, daß in dem Alter von 60 bis 65 Jahren eine Jungfern unter die Haube kommt. Die größten Konkurrentinnen der Jungfrauen sind die Wittwen. Auf fast jeder Altersstufe ver­heirathen fie sich bei gleicher Zahl sicherer als die jungen Mädchen. on je 1000 Heirathen werden 858 zwischen Personen geschlossen, die nie vorher verheirathet waren, 66 zwischen Wittwern und Jug­fern, 35 zwischen Junggesellen und Wittwen und 41 zwischen Witt wern und Wittwen. Hieraus ergiebt sich, daß Fräulein, die schon das 20. Lebensjahr überschritten haben, noch bis zu ihrem 26. Jahre die allerbesten Heirathschancen haben, bis zum vollendeten 30. Jahre noch bessere Aussichten, als die Mädchen zwischen 15 und 20 Jahren, und selbst bis zum 36. Jahre fast noch ebenso gute Chancen wie die Badfische".- Kunft.

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Eine hindustanische Doktorin. Aus Madras gehen einer französischen   Frauenzeitschrift interessante Mittheilungen über eine junge hindustanische Aerztin zu, die sich während der gegenwärtig herrschenden Bestepidemie durch seltene Energie und bewunderns­werthen Muth auszeichnet. Rufmabai ist die Tochter einfacher Leute, ar. Die erste Sezeffions Ausstellung in Berlin  . von denen sie, der Sitte ihres Landes gemäß, schon mit acht Jahren Die Berliner Sezession   wird vom Mai bis Oktober d. J. einem Eingeborenen als Braut zugesagt wurde. Als sie ein heiraths- eine Deutsche Sezessions Ausstellung veranstalten, die fähiges Alter erreicht hatte, führte der Vater sie dem von ihm er in einem kleinen, geschlossenen Rahmen einen Ueberblick über die wählten Manne zu. Das kaum sechszehnjährige Mädchen entfloh besten Erzeugnisse der modernen deutschen Kunst geben soll. Die aber dem ihm bestimmten Gatten sofort wieder, was natürlich im Berliner   Sezeffion wird dabei in ihrem Vorhaben von ihren ganzen Orte die größte Bestürzung hervorrief. Die ebenso über Münchener, Dresdener, Karlsruher   und Worpsweder   Genoffen lebhaft raschten Eltern nahmen das eigenvillige Kind, obwohl sie damit unterstützt. Es haben schon eine Reihe ausgezeichneter Kräfte zu­gegen das Gesetz verstießen, in Liebe bei sich auf, doch geriethen sie in gesagt, so daß man Aussicht hat, eine ganz vortreffliche Ausstellung nicht geringe Verlegenheit, als Nutmabai energisch erklärte, unter zu bekommen. Auch die Frage des Ausstellungsgebäudes keinen Umständen zu dem ihr unsympathischen und bedeutend älteren geht der Lösung entgegen. Es besteht der Plan, das Haus auf der Manne zurückkehren zu wollen. Was der Bruch eines Verlöbnisses Gartenterrasse des Theaters des Westens, an der Ecke der Kant- und in Indien   eigentlich bedeutet, davon kann man sich bei uns Fasanenstraße, zu errichten. Bernhard Sehring   soll der Er­kaum einen Begriff machen. Die gesetzgebenden Brahminen be- bauer sein. Das Haus wird ganz seinen Zwecken entsprechend ges trachten ihn als ein schweres Verbrechen. Das unerhörte Ereigniß staltet, schlicht, aber mit künstlerischem Geschmack. Als Erholungsort rief noch größere Sensation hervor, sobald es bekannt wurde, daß wird der Garten den Ausstellungsbesuchern zu Gute kommen. fich die Eltern auf die Seite ihrer Tochter stellten und sie nicht zum Zusammenleben mit den Verhaßten zwingen wollten. Da mischten fich aber die Priester ein, die aus Furcht, das böse Beispiel könne Der fakultative Schwimm- Unterricht in den Nachahmung finden, den zurückgewiesenen Bräutigam dazu er- Hamburger Volksschulen wird, wie der Hamb  . Korr." muthigten, einen Prozeß anzuſtrengen. Als dieser zur Ver- mittheilt, zu Anfang des nächsten Quartals zur Einführung, handlung fam, erregte er die Aufmerksamkeit aller in Indien   kommen. Von der Ober- Schulbehörde ist in allen Schulen eine anfäffigen Engländer. Der Kläger   hatte zwar das hindustanische Umfrage gehalten worden, um festzustellen, cb sich die genügende. Gesetz auf seiner Seite, aber die Sympathien der Weißen wandten Zahl Lehrkräfte finden würden. Es haben sich darauf 197 Herren fich dem muthigen jungen Mädchen zu, und dem Einfluß der Gönner gemeldet, die geneigt und auch befähigt find, den Schwimm- Unterricht gelang es, Rufmabai den Prozeß gewinnen zu lassen. Diese hielt zu ertheilen. Es stehen demnach noch einmal so viel Lehrkräfte zur fich nun für frei, mußte jedoch bald einsehen, daß sie die Rechnung Verfügung, als erforderlich sind. Unter diesen befinden sich 46 Lehrer, ohne die Brahminen gemacht hatte, die den ihren Gesezen entgegen die eine praktische Ausbildung in der königlichen Turnanstalt in gestellten Widerstand auf jeden Fall zu brechen gedachten. Sic Berlin erhalten haben. In den nächsten Tagen werden in der Bades streckten ihrem Protegé, dem verschmähten Gatten, die nöthigen Anstalt in Eimsbüttel   gemeinsame Ülebungen stattfinden, und zwar Geldmittel vor, damit er seine Angelegenheit vor die höchste Instanz ist die Theilnahme an einem Kursus auf 12 Herren festgesetzt, damit des Landes bringen konnte, und wählten einen sehr gewiegten eng lischen Advokaten, von dem sie überzeugt waren, daß er zu ihnen und nicht zu seinen Landsleuten hielt. Der oberste Gerichtshof ver­urtheilte num die Eltern zu einer Geldstrafe und die Tochter zur

Erziehung und Unterricht.

nach gleicher und bewährter Methode in allen Schulen gelehrt wird. Es ist beabsichtigt, von Uebungen der einzelnen Schüler ab­zusehen und sofort mit den Uebungen einer größeren Zahl zu bes ginnen.

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