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Aber so fieh mich doch an!" rief Alcide.
In demselben Augenblick kam Noël herbeigelaufen, von der Arlefierin gefolgt. Sie tamen vom Erdbeerenpflücken zurück, und ohne auf den Fremden Acht zu geben, hing er sich an Petrus ' Arm und sagte:
Papa, Papa!"
Alcide betrachtete den Kleinen.
" Dieses Kind, dieses Kind," murmelte er.„ Du bist doch aber nicht verheirathet, Petrus ? also ist es mein Sohn?... ,, Willst Du wohl schweigen!" brüllte der Bauer. Dann wandte er sich zu der Arlesierin. " Führen Sie das Kind fort, gleichviel wohin, und kommen Sie nur auf meinen Befehl wieder. Aber so gehen Sie doch," wetterte er, als die Frau ihn anstarrte, ohne ihn zu begreifen.
" Petrus, Petrus," flehte Alcide. " Schweig!" rief der andere.
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Sterben? Du? Ach warum nicht gar! Sterben die schlechten abgebrochenen Simon'schen vereinigt. Jm 17. Jahrhundert faß hier Söhne der Familie denn jemals?" der Apotheker Zorn, derselbe, bei dem Johann Friedrich Böttger , der Erfinder der Porzellanfabrikation, in Dienst stand. In dem Laboratorium Zorn's machte der junge Adept seine ersten Versuche.- Frauenhandel im 19. Jahrhundert. In einigen lassen des englischen Volkes besteht noch heute vielfach die Ansicht, daß es dieselbe Wirkung wie eine Scheidung hat, wenn Frauen von ihren Ehemännern, die ihrer überdrüssig geworden sind, verkauft werden. Ein englisches Blatt bringt darüber folgende Daten: Jm März des Jahres 1796, also furz vor Eintritt in unser Jahrhundert, wurde in den" Times" eine Frau in Sheffield für die Summe von 6 Bence ( 50 Pfennige) ausgeboten. Einige Zeit darauf brachte das selbe Blatt die Nachricht, daß der Preis für Frauen auf dem Smithfield Markte bon einer halben Guine ( 10,75 Mark) auf 3 gestiegen sei. Im Jahre 180 führte ein Mann seine Ehefrau mit einem Halfter um den Hals au. den Viehmarkt in Sheffield und schlug sie für eine Guinee los. 1820 wurde auf dem Markt in Canterbury eine Frau sogar im Biehwagen feilgeboten und für 5 Shilling verkauft. Dann begann der Werth der Frauen bis auf 15 Pfund( 300 M.) zu steigen. Bald folgte jedoch die Reaktion, fodaß 1855 auf dem Derby- Markt nicht mehr als 18 Pence und ein Quart Aale für eine Frau bezahlt wurden. im Jahre 1873 hatte sich ein Einwohner Belpers seinen Schuldnern durch die Flucht nach Amerita entzogen. sich schadlos zu halten, ließen die Gläubiger sein Hab und Gut versteigern. Da man der Frau einen Theil des Erlöses auszuzahlen sich weigerte, verlangte sie, um nicht zu Grunde zu gehen, gleichfalls meistbietend ausgeboten zu werden, Es wurde aber, so berichtet das Blatt, kein Angebot gemacht. Die Ausbietung hat also offenbar stattgefunden. Auch in jüngster Zeit kommen noch Frauens verkäufe bor. 1882 verkaufte ein Einwohner von Alfeeton in Derbys shire seine Frau für 4 Pence. Vor ganz kurzer Zeit wurde eine Frau sogar für eine Gallone Bier, das bon Käufer und Verkäufer gemeinsam getrunken wurde, los geschlagen. Manchmal wurde ein solcher Handel auch feier ich kontraktlich besiegelt. Vor etwa vier Jahren noch vertheidigte sich ein der Bigamie Angeklagter in Leeds damit, daß er seine erste Frau für drei Schilling verkauft habe, daher berechtigt gewesen sei, nochmals zu heirathen. Das Urtheil lautete auf acht zehn Monate Gefängniß, nicht wegen des Verkaufs, sondern der Bigamie wegen. Im Jahre 1896 tam es bei einer Verhandlung in Doncaster ans Tageslicht, daß ein Mann seine Frau unter der Bes bingung, daß deren vier Kinder mit in den Handel einbegriffen seien, verkauft habe. Die Abmachung trägt das Datum vom 28. März und man nennt als den Verkäufer John Tart, als den Käufer Enoch Childs.
Die Frau hatte sich mit dem Kinde entfernt. " Ja, es ist Dein Sohn, es ist das Kind, das Du vor feiner Geburt verlassen hast. Ich habe es zu dem meinigen gemacht, ich habe ihm meine Liebe geweiht, und jetzt gehört es mir; mir allein, Hörst Du wohl? Du wirst es mir nie wieder fortnehmen, ich habe das Gesetz für mich, ich habe es anerkannt. Doch ich will nicht, daß es auch mir argwöhnen könnte, ich wäre nicht sein Vater, eher würde ich Dich tödten."
Er wurde von einem heiseren Stöhnen unterbrochen; Alcide brach zusammen. Bestürzt hob Petrus seinen jüngeren Bruder auf und trug ihn auf das Bett.
„ Höre, Alcide," murmelte er, höre mich an; ich verzeihe Dir, aber laß mir das Kind."
Alcide verfiel in Agonie; schwerfällig schlug er die Augen auf und flüsterte:
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Verzeihung und Dank... Behalte das Kind, Petrus , erziehe es Deiner würdig; aber nenne ihm den Namen feines Vaters, Deines unbekannten Bruders, und lchre ihn das Andenken Alcide's
lieben."
Betrus weinte; die Zärtlichkeit der ersten Jahre hatte ihre Wirkung noch nicht ganz verloren; plötzlich wandte er sich um; auf der Schwelle der offenen Thür stand Rose.
Sie war der Arlefierin begegnet, die athemlos dahergestürzt fam und Noël nachschleppte. Aus ihren unklaren und verworrenen Worten hatte sie ersehen, daß ein Drama sich bei ihrem früheren Verlobten abspielte. Von einem unerklärlichen Gefühl der Neugier, des Bedauerns, des Hasses und der Liebe getrieben, war sie in das Haus geeilt und hatte alles gehört, alles begriffen.
Bittend die Hände emporstreckend, trat sie auf Betrus zu und sagte in heftiger Erregung:
„ Wenn ich das gewußt hätte!"
" Ja," versetzte der Bauer mit feierlicher Stimme, doch es galt die Ehre der Bravais', und darum durfte niemand etwas erfahren!"
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Kleines Feuilleton.
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Theater.
Um
reichste Bühne Berlins , brachte am Mittwoch abermals eine Première; leider wieder ohne Erfolg. Es handelt sich um einen Schwant Tamtam" von F. v. 8obeltig.
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Wie der Titel schon verräth, wollte der Autor eine Bariation
des alten satirischen Stoffes vom Reklame- Geläute, von dem Tamtam, das Kredit und Ruhm schafft, geben. Hier Tamtam in der Kunst, in der Dichtung, dort in der Gesellschaft; und der Tamtamschläger ist ein übelberufener Direktor eines übelberufenen Instituts, das sich mit allerhand Vertraulichkeiten abgiebt. Der Verdg. Mit dem Abbruch der Simon'schen Apotheke in der faffer hatte so vielerlei, was er auf dem Herzen hatte, in diesen Spandauerstraße wird so manche Erinnerung an das Alt- Berliner Stoff hineinzuzwängen versucht, daß seine Gestalten dabei zu kurz Apothekenwesen wieder wach. Die älteste Apotheke unserer Stadt tamen. Die Satire bleibt an der Oberfläche, die Figuren gleichen befand sich am Mühlendamm und zwar da, wo sich jetzt das Balkon- flachen Karikaturen; und so erschöpfte sich das Interesse bald. haus Poststraße 16 erhebt. Als erster urkundlich genannter Apotheker Sowohl an der windigen Gattin des alten Bankiers, die ihr Haus erscheint hier Johann Tempelhof. 1488 wird sodann Johann mit allerlei Kunstnarren und Strebern anfüllt; wie an dem verZehender als„ Naths- Apotheker" angestellt und zwar mit der Zn- lumpten Direktor des Kreditbureaus für Vermittlungen aller ficherung, daß neben ihm kein zweiter Apotheker in Berlin an- Art, der im Schluß in all seiner Gemeinheit entlarvt wird. genommen werden solle. Gegen Besoldung und freie Es ist selbstverständlich, daß bei der Novitätenheze von heute Seleidung hatte er die Verpflichtung, gute Arzneimittel zu die Schauspieltumst ebenfalls Schaden leiden muß. Nach ein paar liefern, die ihm überwiesenen Kranken zu pflegen, und die damals nur den„ Medizin- Apotheken" erlaubten Delikatessen, als Eingemachtes, Zucker und Zuckerivert in genügender Menge vorräthig zu halten. Der Zucker selbst gehörte noch zu den Arzneien, im Haushalt gebrauchte man statt feiner den minder kostspieligen Honig. Nach Zehender's Tode heirathete seine Wittwe wieder einen Apothefer, und als auch dieser vor ihr in bessere Welten" zog, einen Dritten, den sie gleichfalls überlebte. Den drei glücklichen Gatten zum Gedächtniß stiftete die hochbetagte Wittib" in der Nikolaifirche ein Epitaph, auf dem sie selber als Jungfrau Maria throute, während die drei Männer ihr als heilige drei Könige Opfer brachten. Das originelle Bild ist leider nicht mehr vorhanden. Im 16. Jahrhundert hatte die Berliner Medizin Weltruf. Damals saß im grauen Kloster der c. Die Nasenflöte. Ein merkwürdiger musikalischer Brauch Schiveizer Wunderdoktor Leonhard Thurneisser , dessen Medikamente findet sich in Indien und auf vielen Inseln der Südsee: statt mit Goldwasser"," Rubinensaft" und dergleichen mehr alle Krankheiten dem Munde blasen die Eingeborenen die Flöte mit der Nase. Richard der Welt heilen sollten. Zu seinen Batienten zählte die gesammte Andree stellt im„ Globus" die Zeugnisse zusammen, die sich über Fürstlichkeit Europa's , selbst die jungfräuliche" Königin Elisabeth diese Nasenflöte in der wissenschaftlichen Literatur finden. Ihren von England bezog ihre Medikamente aus Berlin . Nach Thurneisser's Ausgang genommen hat sie wahrscheinlich von Indien ; sie soll ihren Flucht wirkte fein Schüler Michael Aschenbrenner lange Zeit als Ursprung einem Kastenvorurtheil der Hindus verdanken, indem kein Apotheker in Berlin . Sein prächtiges Grabmal befindet sich in der Mann, der einer höheren Kaste angehört, mit seinen Lippen eine Flöte Thurmhalle der Nikolaikirche. Im 17. Jahrhundert hört man auch berühre, die ein Mann niederer Kaste mit dem Munde gespielt habe. wieder von der alten Apotheke am Mühlendamm. Sie befand sich Beim Spielen wird in der Regel das eine Nasenloch geschlossen; doch in den Händen der Familie Tonnenbinder, wurde aber 1720 mit existiren auch Abbildungen, von denen eine im Globus" wiederder Markgraf'schen Apotheke in der Spandauerstraße, eben der jegt gegeben wird, auf denen dies nicht der Fall ist. Auf dem malanischen
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Proben ein Stück herausbringen, wo soll's da herkommen? Auch das Gastspielwesen, das gegenwärtig in Berlin vorherrscht, im Deutschen Theater zu Ehren des scheidenden Kainz, der nach Wien geht, im Lessing- Theater zu Ehren der Frau Agnes Sorma , ist für unser Schauspielwesen gerade nicht erfreulich. Für die nächste Woche bereitet das Berliner Theater wieder ein Gastspiel des Herrn Dr. Tyrolt vor. Dem Gast zuliebe werden allerlei Stücke in hurtiger Gilfertigkeit einstudirt und, was bei aller Schauspielkunst die Hauptfache bleiben sollte, das Zusammenwirken der Kräfte, das Ensembles spiel wird vernachlässigt und finkt.- -ff.
Völkerkunde.