Interesse und Göthestudieu, allerdings ohne großen Erfolg. Denn dasMeili war ein gescheidtes Maidli, und obwohl wir uns noch unterdem Tisch beim Essen fast die Füße abtraten und uns in jedem ver-stohlencn Winkel küßten, merkte es doch, daß nicht mehr Wes wie früherwar. Es ging nicht lang', da hatte mein Büschen heraus, daßmein täglicher Morgenspaziergang eigentlich ein Besuch des Kirch-Hofs war, und eines Tages fragte sie mich gerade heraus, was ichauf dem Grab der„fremden Pfarrerstochter" mache— man habemich gesehen I Sie sprach von der fremden Pfarrerstochter wie vonjemand, der erst vor einigen Monaten oder einem Jahr gestorbenist. Ich hielt ihr mm wieder einen längeren Vortrag über Goethe'sJugendzeit im Speziellen und iiber Literatur im Allgemeinen, wassie aber keineswegs befriedigte. Zwar sprach sie nie wieder vonmeinen Kirchhofsbesuchen, aber in ihrem Herzen schien eine stilleEifersucht zu schlafen.Die Osterferien waren bald zu Ende, und ich mußte wieder nachHause,„auf's Penal". Am Abend vor meiner Heimkehr, als ichmit meinem Büschen hinter dem Hanse das letzte Mal alleinzusammen war, meinte sie, indem sie ein ganz nichtsnutziges Schelmen-geficht dazu machte, ich solle ja nicht vergessen, der fremden Pfarrers-tochter noch Adieu zu sagen und ihr einen Abschiedskuß zu geben,worauf ich mit einem trotzigen:„Warum nicht?" antwortete.Am anderen Morgen stand ich nach Vertilgung der obligatenSpeckeier mit dem Ränzel auf dem Rücken unter der Hausthür undzog, nachdem ich von Vetter und Base und den Knechten und Mäg-den Abschied genommen, die Dorfstraße hinab. Mein Büschen gabmir auf einige Schritte das Geleite und als ich ihr die Hand gab,da sah sie mich trotz ihrer verweinten Augen mit einem merktvürdigenSchelmenblick an.Endlich schieden wir von einander, und sie ging zurück nach demHause zu. Als ich sie nicht mehr sah, schlug ich den Weg nach derKirche ein, denn ich mutzte noch einmal der' armen Friederike Grabbesuchen. Ich machte absichtlich einen Umweg; kein Mensch begegnetenur. Der kleine mit Tünnchen bepflanzte Weg führte mich zumGrabe; aber als ich des Grabsteins ansichtig wurde, blieb ich wievom Schreck gelähmt stehen. Eine namenlose Entrüstung, aber auchgleich darauf ein überaus elend machendes Gefühl der Beschämungerfaßte mich. Auf dem Munde und den Wangen meinerFriederike prangten drei große Rußflecken, und das sonstso schöne liebe Mariuorgesicht sah mich jetzt mit einemungemein lächerlichen Ausdruck und einem hilflosen kläg-lichen Blick an. Hinter mir aber hörte ich ein kurzes helles Lachenund als ich nüch umdrehte, sah ich einen schwarzen lustigen Mädchcn-kopf über der Krrchhofmauer, der mir zurief:„Gieb ihr doch einen! Warum nicht?"...Ich fühlte mich furchtbar ernüchtert und stürzte mit einemSchlage aus meiner Schwärmerei für die vor bald 100 Jahrenverstorbene Friederike herab. Das drastische Mittel, welchesmein eifersüchtiges Büschen gegen die todte Rivalinund gegen mich in Anwendung gebracht hatte, ver-fehlte seine Wirkung nicht der derbe Spaß des jungen frischenMeili hat die zarte gespensterhafte Gestalt der todten Friederike aufimmer aus meinem Knabenherzen verscheucht. Ernüchtert und be-schämt verließ ich den stillen alten Friedhof und ließ auf dem langenHeimweg einen der ersten schweren„moralischen" in meiner jugend-lichen Seele austoben.— Und über mir zerzauste ein Frühlings-stürm die weißen Blüthenzweige der jungen Obstbäume und triebmit den abgewehten Blüthen sein muthwilliges Spiel.—Kleines Fenillekon.ss. Neber die Anpassungsfähigkeit der weihen Rasse andas� tropische Klima hielt Robert Ward auf der GeologischenKonferenz der Harvard- Universität einen Vortrag, der trotz desVielen, was man in letzter Zeit über diese Frage gehört hat,beachtenswerth erscheint. Die Anpassung an ein neues Klima ent-steht als Ergebniß physiologischer Veränderungen, die in dem Körperdes betreffenden Menschen vor sich gehen. Die Erforschung derAkklimatisation geht am besten von zwei Gesichtspunkten aus: einmalvon der Untersuchung dieser physiologischen Veränderungen undzweitens von der Erforschung der vorherrschenden Krankheiten, denenzu verfallen der Europäer in dem betreffenden Tropengebiet ammeisten ausgesetzt ist. Mit Bezug auf den ersteren Punkt istdie Wirkung der Hitze und der Feuchtigkeit hauptsächlich zuberücksichtigen. Hitze an sich ist nicht gefährlich, siewird es aber durch Verbindung mit einer bedeutenden Feuchtigkeit.Hitze veranlaßt starke Verdunstung vom Körper aus und reizt daherden Durst. Diejenigen Völker, die daran- gewöhnt sind, ihren Durstmit schweren Getränken zu stillen, werden mehr unter dem Klimaleiden als diejenigen, die an unschädlichere Getränke gewöhnt find.Pflanzenkost ist in den Tropen der Fleischkost vorzuziehen. Hinsicht-lich der Diät kann man sagen, daß sowohl im Essen wie im Trinkendie Gewohnheiten der Süd-Europäer für das Leben in den Tropenzuträglicher sind als die der Nord-Europäer und im Besonderenauch der Engländer. Zu viel oder zu wenig körperliche Anstrengungist äußerst gefährlich, ein gewisses Maß davon ist unbedingt uoth-wendig zur Erhaltung der Gesundheit. Die gesundesten Gegendenin den Tropen sind die hoch gelegenen und trockenen Gebiete.Unter den bedrohlichen Krankheiten sind besonders dreierlei zufürchten: der Hitzschlag, das Gelbe Fieber und die Malaria.Der Hitzschlag steht unter starkein Einfluß der Luftfeuchtigkeit undwird daher ganz besonders durch regnerisches Wetter in Verbindungmit großer Wärme erzeugt. Auch die Malaria, das größte Hindernißfür die Anpassung des Europäers an das Leben in den Tropen,stellt sich mit den Regenfällcn ein, steht aber auch in enger Be-ziehung zu den Bodenverhältnissen. Dos Gelbe Fieber ist insofernetwas weniger gefährlich, als es nur in niederen Gebieten austritt.Es ist berechnet' worden, daß man in den Vereinigten Staaten nur800 Fuß, in Mexiko 2300 Fuß, in Brasilien 2700 Fußund in Jamaika 4000 Fuß über den Meeresspiegelhinaus zu gehen braucht, um dieser Krankheit zu entgehenoder ihren tödtlichen Einfluß zu brechen. Die Veränderungen.die das Leben in den Tropen im menschlichen Körper hervorruft,bestehen in einer gesteigerten Athmungsthätigkeit, einem schnellerenPuls, einer Vergrößerung der Leber, Blutarmuth und gelegentlicheinem Steigen der Körpertemperatur. Die Statistik der letzte» Zeithat den Beweis geliefert, daß die sorgfältige Beobachtung gesundheit-licher Matzregeln die Sterblichkeit der Europäer in den Tropen herab-zusetzen vermag und den Weißen das Leben daselbst ermöglicht.Doch tvird selbst eine kräftige Natur, die unter Anwendung dernöthigen Vorficht fast überall in den Tropen leben kann, niemalsvon den Einflüssen des ungewohnten Klimas gänzlich unabhängig.Ueberhaupt stimnien die Autoritäten bis auf sehr wenige Ausnahmendahin überein, daß eine eigentliche Akklimatisation der weißen Rassean den Aufenthalt in der heißen Zone unmöglich ist.—Theater.Mit Hermann Müller schied eine energische schauspielerischeKraft, ein kernhafter Vertreter der mimischen Kunst in Berlin ausdem Leben. Hermann Müller wurde nicht alt; die Jahre der Voll-reife hatte er noch vor sich.Schon frühzeing überraschte der Schauspieler durch persönlich-originelle Züge; das war schon vor Jahren, als er unter dem NamenMüller-Hanno im Schauspielhaus„Charakterrollen" gab. Seinepersönliche Art mußte damals umsomehrauffallen, als imHoftheatersonstwenig von origineller und zugleich schlichter Schauspielkunst zu ver-spüren war. Inzwischen ist es im Hoftheater ganz anders geworden.Der Entwickelungsgang des jugendlichen Müller-Hanno erfuhr imSchauspielhaus eine jähe Unterbrechung. Die Sache hängt mit etilemdunklen krankhast- seelischen Kapitel zusammen. Eine ganz merk-würdige geistige Verirrung des Künstlers kam in die Oeffent-lichkeit, und Müller-Hanno mutzte.seine Stellung am Hoftheaterverlassen/Hermann Müller übte seine Kunst dann außerhalb von Berlinund kam als gereister Könner schon an's Deutsche Theater zu Brahm.Hier erweiterte sich erst sein Rollengebiet, das vom Komischen biszum Tragischen reichte. In Beidem aber schöpfte Müller nichtbis zur Tiefe aus. Das Genialische in, Humor, wie das Hochpathetischein der Tragik schien ihm versagt. Dafür war ihm eine lebendige,realistische Schärfe eigen; ein starker Sinn für dasCharakteristische war das Kennzeichen seiner zahlreichen Gestalten.Er liebte es nicht, das Charakteristische nach irgendwelcher Seite hin zu vergrößem. Selbst die letzte Rolle, die erspielte, den Berlimschen Wirth aus der Hasenheide in Hirschfeld's„Pauline", die fast jeden der sogenannten BerufSkonuker desTheaters zur Karikatur, einen Schauspieler wie Thomas, vielleichtnur zur wüsten Grimasse verführt hätte, überschritt die feste, treueNaturbeobachtting nicht. Dadurch wurde die Episodenrolle zueinem vollen komischen Charakter, zu einem Meisterstück schau-spielerischer Kleinkunst. Die Schärfe der Beobachtung und dieBescheidenheit in der Wiedergabe des Beobachteten zeichneten Her-mann Müller auch in pathetisch-gestimmten Rollen aus. Wenn erden alten, bösen Maurer Mattern in Hannele's Hinimelfahrt spielte,so wußte er auch im Kraß-Schreckhastcn immer noch die Grenzendes Realen, des Lebendig- Wirklichen einzuhalten.�— Seinschöpferisch-mimisches Talent belvährte sich im llebeigen ebenfalls nach der pathettschen, wie nach der humoristischenSeite hin, selbst wenn es frei-phantastische Erscheinungenzu bewältigen galt. So gestaltete er den elegisch-humoristischen Brunnengeist Nickelmann in Hauptmann's ver-sunkencr Glocke, wie den düster brütenden Ehegatten und Rächerin einem schwülen Stimmungsbild von Hofmannsthal. Hier hättesein Können vielleicht noch reichere Früchte getragen, wäre dasLebensunglück des Künstlers, seine krankhafte, pathologische Ver-anlagung nicht gewesen. Der sich in der Kunst von allem Ueber-reizten fern hielt, fiel im Leben der Ueberreizung zum Opfer. Einzerrütteter, von Wahnideen gepeitschter Mann ging der UnglücklicheEin„Berliner Vaudeville"! Das wäre von HauSaus gar nicht übel. Wie der Deutsche seit annähernd einem Jahr-hundert die Gattung des„Liederspieles" besitzt(unser jüngstes Bei-spiel dafür war Koschat's„Am Wörthersee"), so der Franzose seitannähernd zwei Jahrhunderten die des„Vaudeville's"(Haupt-Bei-spiele die vielen Texte von Scribe). Beide Gattungen sind Schau-spiele mit gesprochenem Dialog, aber eingelegten oder eingewebtenmelodiehaften Gesangstücken; die deutsche Gattung mit Vorwiegendes Gefühls und der Stimmung, die französische mitVorwiegen des Witzes. Dazu kommt— was leicht darausfolgen kann, aber nicht unbedingt daraus folgen mutz—daß das Licderspiel für die Musik mehr bietet als das