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die Technik eingeführten Nitroglycerin löslich und bildet dabei die Auch im Familienschauspiel des Residenz Theaters, Rosa sogenannte Sprenggelatine, welche durch Kampferzusatz sehr wider Rie de l" von Hans b. Wenzel, nahm ein höchst moralisches ftandsfähig gegen Wasser wird und das Ausgangsmaterial für alle Bublifum leidenschaftlich Partei für die Tugend. Das ausbündige modernen rauchlosen Bulversorten bildet. Dieselben haben in ihrem Laster in Gestalt des feilen Mitgiftjägers, der zuerst die arme Rosa Aussehen freilich nichts mehr mit dem gewöhnlichen Schießpulver verführt, um nachher von der reichen Pferdehändlerin Frau gemein, sondern präsentieren sich dem Blick als bräunliche oder gelb- Riedel Hab und Gut zu erpressen, erregte gerechte Ent­liche durchscheinende Tabletten oder Späne. rüftung. Freilich, Frau Riedel, Röschens Mutter, ist nicht Die Franzosen haben sich mit der Wissenschaft von den Spreng- frei von Schuld. Šie loďte das Ungeheuer durch eine ftoffen unter allen Nationen am eingehendsten befaßt. Besonderen Heiratsannonce an. Frau Riedel ist Pferdehändlerin; aber die Ver­Erfolg haben sie dabei nicht gehabt; denn auch das Melinit erwies mählung einer Tochter ist doch sozusagen kein Pferdehandel; zu spät fich als so leicht zerseßlich, daß man sich in Frankreich   vor einigen erfährt's die liebe Frau. Zum Glück ist ein anderer, schüchterner Jahren entschließen mußte, sämtliches fertig gestellte Munitions- Jüngling zur Hand, die reine Gegensäglichkeit zum Lasterhaften: material wieder zu entladen, wenn man nicht den Eintritt der be- Er vergiebt, was geschehen, und Röschen triegt den Engel. flagenswertesten Explosionen durch Selbstentzündung riskieren wollte. Derartige Vorstellungen werden hurtig einstudiert; routinierten Charakteristisch ist übrigens für viele dieser Stoffe, daß sie an freier Schauspielern machen die losen Typen teine sonderliche Mühe; und Luft angezündet, langsam und ruhig mit mäßiger Flamme ab- in ein paar Tagen ist der ganze Rummel vorbei und vergessen.- brennen, durch Stoß und Schlag aber im Augenblid zur heftigsten -ff. Verpuffung gebracht werden. Diese Eigenschaft teilen sie mit dem Dynamit, welches nichts weiter als Nitroglycerin ist, das man des leichteren Transports und Abmessens wegen auf Stiefelguhrerde oder andere poröse Substanzen gegossen hat.

Die dämonischsten unter den Explosivstoffen find aber die so genannten fulminanten". Die Mehrzahl von ihnen find Metall­verbindungen, welche durch Behandlung von Metallen mit Säuren und Alkohol entstehen. Außer dem schon genannten Knallquedfilber gehört hierher auch das Knallfilber und das Knallgold und einige Chlorverbindungen, bei welchen die latenten chemischen Spannkräfte in derartig labilem Gleichgewicht sind, daß oft schon die leise Be rührung mit einer feinen Geflügelfeder oder ein einziger auf die Substanz fallender Sonnenstrahl genügt, um die verheerende Explosion hervorzurufen.- Theodor Adler.

Kleines Feuilleton.

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-r. Thalia Theater. Mit der Berliner   Bosse steht es heute trostloser denn je. Als Tricotstid lohnt sie sich nicht mehr, und die Versuche, sie in der harmlosen Form der siebziger Jahre wieder erstehen zu lassen, mußten mit fläglichem Mißerfolg enden, weil diese teils findlich- luftige, teils sentimentale Harmlosigkeit heute noch bei weitem lügenhafter erscheint als damals. So tam denn die Direktion Hasemann, die sich berufen fühlt, im Berlinischen zu machen und zu diesem Zwed Thomas den Einzigen als Gaft engagiert hat, aus Sparsamkeitsgründen auf den Einfall, die Tricotposse ohne Waden und Ausstattungsflitter zu geben. In dem nach diesem Recept bereiteten Schwant Emil amüsiert sich" sind die Blumensäle und die Chambres separées hinter die Szene verlegt, und auf der Bühne spielt sich nur der Katzenjammer ab, den der auf Abwege geratene Ehemann zu er dulden hat. Es gehört nicht viel Prophetengabe dazu, um solcher Dürftigkeit den Mißerfolg zu verkünden. Herr Emil Thomas gab natürlich den versumpften Ehekrüppel, der diesmal in Gestalt eines Potsdamer Hauswirts auftritt, und schnitt die von Alters her - Eine Schreibmaschine im vorigen Jahrhundert. Im gewohnten Gefichter. Die eifersüchtige Gattin ward mit gutem Wiener   Diarium" vom 25. April 1764 hat die Wiener Abendpost" Humor von Frau Caßmann gespielt. Die beiden Verfasser des folgende interessante Anzeige entdeckt:" Es sind zur großen Bequem- Stüdes, die Herren Walter und Stein, waren verständig und lichkeit und vollkommenem Nutzen ganz neu inventirte Maschinen- ließen sich nicht durch den dünnen Beifall auf die Bühne locken. schreib- tische hier zu haben, womit man sogleich 3 Briefe, oder was-r. Jm Metropol Theater hat Direktor Schulz sein es auch immer wäre auf einmal zugleich schreiben kan: zum Behaltes Repertoirstüd Die eiserne Jungfrau" wieder ans spiel, ein Gelehrter fan damit gleich auf einmal drey Exemplarien Licht gebracht. Die Musit des französischen   Lustspiels vermochte schreiben eines für die Censur eines für den Druck, und eines für nicht viel Eindruck zu machen; desto amüsanter wurde die gepfefferte fich selbsten. Ein Ingenieur macht sich gleich 3 Plans auf ein mal; ein Staufmann zu seiner Correspondenz oder auch für seine Berech Sandlung gefunden. Diese verderbte Welt hat ja der Sittenrichter mungen oder Conto- zetteln gleich 3 auf ein mal, wie dann auch nicht zum Glück so viele, daß wir in solcher Rolle ziemlich überflüssig find, und daher wollen wir ein Auge zudrücken über die gewagten weniger ein solcher so fünstlich mathematischer Schreibtisch für alle Worte und gewagten Bilder, denen der Verfasser Clairville immer Stände, besonders in Canzleyen in Canzlehen ungemeinen Rußen ber schaffen tan. Denn dieser Maschinen schreibtisch ist also noch so viel Schliff gegeben hat, daß sie sich von der Zote fern beschaffen, daß, wann ich mich an den Schreib- tisch sehe, und halten. Fräulein Worm spielte und fang die Hauptrolle mit vieler eine Feder in die Hand nehme und damit eindunde, so Eleganz und wurde von den Herren Tielscher, Bollmann dunken die zwet andern Federn sogleich mit mir ein, wovon die eine und Helmerding flott unterstützt.­

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zur Rechten, die andere zur Linken ist, und eine jede ihr besonderes Dintenfaß hat; jede hat ihr besonderes vorgelegtes Papier. Wann ich nun auf das vor mir liegende Papier schreibe, so fangen die zwei übrigen Federn zugleich auf ihrem Papier an, so schön und so nett, als wenn ich es selbsten geschrieben hätte; höre ich auf, so hören sie auch auf, nehme ich Dinte, so nehmen sie auch Dinte. Mit einem Wort, Alles, was der Mensch macht, machen sie nach. Damit mun jedermann einen solchen Kunst- schreib- tisch sich zulegen fönne, so ist der Preiß davon nur 24 Dukaten Es folgen die An­preifungen noch mehrerer anderer Raritäten. Für das Sehen zahlet man nach Belieben, zu Maria Sülf im grünen Cranz   im ersten Stock, wo man zum mittleren Thor hinein gehet, gleich linker Hand die steinerne Stiege hinauf, bey der französischen   Schule." Es scheint also feine Schreibmaschine in unserem Sinne gewesen zu sein, welche die Handschrift durch Lettern ersetzt hätte, sondern vielmehr eine durch einen Hebel- Mechanismus wirkende kopier maschine.­

Theater.

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Musik.

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Aus der Woche. Neben dem vielgenannten Dirigenten der Königlichen" und der Philharmoniker besigt Berlin   einige weniger hochgestellte und weniger genannte, aber darum nicht minderer Be achtung werte musikalische Feldherren, die noch dazu im Dienste einer volkstümlicheren Mufitpflege thätig sind. Auf Herrn Karl 8immer fonnten wir schon mehrmals anerkennend hinweisen. Seine regelmäßigen Konzerte im Deutschen Hof" verdienen, obschon sie über den gewohnten Konzerttypus nicht hinauskommen, doch nachdrückliche Beachtung. Sind wir über seine, unabhängig von Bungert komponierten Irrfahrten des Odysseus  " nur durch eine Zeitungsnotiz unter­richtet, so tonnten wir neulich im Benefiz- Konzert des ( leider noch immer zu kleinen)" Berliner Sinfonie Orchesters" feine sinfonische Phantasie":" Die Tragödie des Menschen" hören. Eine durchaus interessante und trotz naheliegender Vorbilder nicht nachempfundene" Programmmufit! Sie vermeidet Einzel­malerei, nebelt" aber nicht, sondern hat ebenso den Charakter des Im Neuen, wie im Residenz Theater wurden am festen, bestimmten, gewichtigen, wie Herrn Zimmermanns Dirigier Sonnabend und am Sonntag zwei halbdilettantische Familien- weise. Größere plastische Themen treten nicht eben auf; dennoch Schauspiele zum ersten Male aufgeführt. Beide weisen gemeinsame ist die Arbeit mehr eine motivische als eine instrumentale und bar­Eigenschaften auf, wiewohl das eine in Wien  , das andere bei Berlin   stellende". Sie beginnt mit eigenartigen hohen Flageolettönen, denen spielt. In der Detailführung, in einzelnen Scenen ist eine gewiffe ein Violinsolo folgt, und kehrt am Schluß zu ihrem Ausgang zurüd. äußerliche Treue beobachtet, im Wesen regierte die Willfür übler Das Orchester gab sich dem schwierigen und besonders der Trompete Romane und üble Romansprache. viel zumutenden Werte mit Eifer hin; der Beifall war reichlich. Der geschraubte Ton fiel besonders in dem Drama Liebes- In demselben Konzert sang Frl. Jeanne Golz heirat von einer Dame Frau Baumberg   auf. Das ist die fladernder Ton und nicht recht energischer Vortrag bei ihrer Novität des Neuen Theaters. An irgend einem Vorstadttheater sonstigen Züchtigkeit vielleicht auf Befangenheit zurückzu­Wiens soll das Stück an die hundertmal schon gegeben worden sein. führen war den neulich von Eweht mit Klavier vorgetragenen Solch' trauriger Familienbrei mundet eben vielen. Auch in   Berlin Salomo  " von H. Hermann, diesmal als" Ballade mit Orchester"; wurde die Verfasserin mehrfach gerufen. Sie schildert, wie bei einer in dieser Form machte sich das Stück noch viel eindrucksvoller als in fogenannten Liebesheirat ohne Moneten das erträumte Glüd leicht jener Form und erwies sich als eine willkommene Bereicherung der zerbreche. Die Not und der Gerichtsvollzieher lehren ein; und ist noch so spärlichen Original- Litteratur für Gesang mit Orchester, die die Frau noch so tapfer, die Männerwelt taugt nicht viel. Die hoffentlich doch einmal die Uebertragungen aus fremden Gebieten Kalamität verträgt der Mann im allgemeinen nicht, und ein früherer verdrängen wird. Oberleutnant insbesondere gar nicht. Die Liebe entweicht, man geht auseinander. Ein tiefsinniges Beispiel!

Frau Buze gab die Dulderin, mit deren Neinen und großen Leiden das Publikum so zärtliches Mitleid hatte.

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deren etwas

Ein anderer um Bopularisierung der Musil   Hochverdienter Mann ist Karl Mengewein  , Dirigent des Oratorienvereins, der eigenartigen Berliner   Konzertvereinigung Madrigal" und sonstiger Chöre. Wir trafen ihn diesmal wieder, als er samt seinen trefflichen Madri­