.Er wird an der Krankheit sterben, über welche er sich schon mehrere Monate beklagt und über die er sich noch eine gewisse Zeit beklagen wird; die Krankheit und der Tod werden doch nicht jähe sein." .Auf alle Fälle werden sie seltsam erscheinen." .Das müssen sie� gerade. Sei versichert, daß ich weder Dich noch mich selbst in eine Katastrophe hineinziehen will. Alle Vorsichtsmaßregeln sind getroffen, alle meine Kombi- Nationen sind genau abgewogen; ich arbeite an unserm Glück." Du bildest Dir ein. Du hättest nichts vom Gerichte zu befürchten; gut, kannst Du aber glauben, daß es sich ebenso mit Deinem Gewissen, Demem Beichtvater verhält?.. Lachend schnitt sie ihm das Wort ab: Aber mein Beichtvater ist ja taub! Du glaubst, wenn er es nicht wäre, würde ich ihn, seit wir uns lieben, behalten haben? Wenn ich an heikle Punkte komme, so brauche ich nur leise zu sprechen, und er richtet die rührendsten Fragen an mich, ohne recht zu wissen, mit was ich gefehlt habe." .Zu was ist dann das Beichten gut?" Kann ich eine angenommene Gewohnheit abbrechen? Giebt es heutzutage eine rechtschaffene Frau, die nicht beichtet? Das ist gerade, als wenn Du mich frügst, warum ich keine Tournüre trage, wenn die engen Kleider Mode find." .Du er-füllst mich mit Entsetzen." Wenn ich Dir aber beweise, daß wir von nn etwas zu fürchten haben?" .Wenn ich sehe, wohin es mit Dir gekommen ist l" Bemerkst Du heute erst, daß ich vor nichts zurückschrecken werde, um unser Glück zu sichern? Habe ich es Dir niemals gesagt?" Sagen und thun sind zweierlei." (Fortsetzung folgt.) (Nachdruck verboten.) Eiuv Familie.') Bon Guy de Mau Passant. Ich wollte meinen alten Freund Simon Radevin besuchen, den ich seit fünfzehn Jahren nicht mehr gesehen. Früher war er mein bester Freund, ein Busenfreund, einer mit dem man lange Abende ruhig und heiter zusammensitzt, dem man die intimsten Hcrzcnsdinge anvertraut, für den man in leisem Ge- sprach wundersame zarte, feine Ideen findet, die solche Seelen- freundschast erzengt, weil sie den Geist anregt und schärft. Jahrelang hatten wir uns kaum verlassen, wir hatten zusammen gelebt. Reisen gemacht, gedacht, geträumt, wir liebten dieselben Dinge, mit derselben Liebe, wir bewunderten die gleichen Bücher, begeisterten uns für dieselben Kunstwerke, schauerten bei den gleichen Erregungen zusammen, und hatten ost über das Gleiche gelacht, so datz wir uns verstanden, wenn wir nur einen Blick wechselten. Dann hatte er sich verheiratet. Er hatte plötzlich ein Mädchen auS der Provinz zur Frau genommen, die nach Paris   gekommen war, um einen Mann zu suchen. Wie war es nur möglich gewesen, datz dieses kleine fadblonde, magere Geschöpf mit ihren wasserhellcn, geistlose» Augen, mit ihrer derben, dummen Stimme, diesen zart- besaiteten klugen Menschen mit ihren einfältigen Händen hatte ein- fangen können I Kanu   man so etwas verstehen! Er hatte wahr- scheinlich von Glück geträumt, von einem stillen, sützen, dauerndcit Glück in den Nrmeil einer zärtlichen, treuen, guten Frau, und alles das hatte er Wohl im durchsichtigen Blick dieses kleinen Geschöpfes mit dem bleichen Haar zu lesen vermeint. Er hatte nicht daran gedacht, daß ein thätigcr, lebhafter, nervöser Mensch alles satt bekommt, sobald er einmal die platte Wirklichkeit der Dinge erfatzt hat, er müßte denn allmählich so ver- dummen, daß er gar nichts mehr kapiert. Wie würde ich ihn lvicderfinden? Immer noch so lebhaft, geistreich, stöhlich, enthusiastisch oder eingeschläfert durch das Leben m der Provinz? Der Mensch laim sich in sünfzehn Jahren sehr, sehr verändern.-- Auf einem lleinen Bahnhof hielt der Zug. Als ich ausstieg, stürzte ein dicker, sehr dicker Mann mit roten Wangen und dickem Wanst auf mich zu, öffnete beide Arme und rief: Georg I" Ich umarmte ihn, aber erkannt hätte ich ihn nicht, und ich sagte ganz erschrocken: Donnerwetter! Bist Du aber dick geworden I' Er antlvortcte lachend: Ja, was denkst Du denn bei dem guten Leben, bei guten: Essen   und regelmäßigem Schlaf! Essen und Schlafen, das ist mein Lebensinhalt." ") Mit Billigung der Lerlagshandlung entnommen: Guy de Maupassant  , Gesammelte Werke. Frei übertragen »on Georg Freiherr» vonOmpteda, Berlin  , F. Fontane ». Co.. Band VIL Ich betrachtete ihn und suchte in diesem fetten Gesicht die einst geliebte» Züge. Stur sein Auge war dasselbe geblieben, aber ich fand in ihm nicht den Blick wieder von früher, und sagte mir: wenn es wahr ist, daß das Ange der Spiegel der Seele ist, so ist die Seele in dieser Brust da nicht inehr dieselbe wie stüher, nicht mehr die, in der ich zu lesen verstand. Aber sein Ange leuchtete doch voll Freude und Freundschaft. Nur die klare Intelligenz, die so viel wie Worte redet vom Werte eines Menschen, lag nicht mehr darin. Plötzlich sagte Simon zu mir: Das sind meine beiden Aeltcsten." Ein Backfisch von vierzehn Jahren, fast Jungfrau, und ein Junge von dreizehn Jahren mit der Schülermiitze, näherten sich mir ver» legen und kindisch. Ich fragte: Sind das Deine?" Er antwortete lachend: Nu ja." Wieviel hast Du dem:?" Fünf. Drei sind noch zu Hans." Er hatte das mit stolzer Miene gesagt, zufrieden, beinahe triumphierend, und mich ergriff ein tiefes' Mitleid, mit einer Art von Verachtung gepaart. Wir stiegen in einen Wagen, den er selbst kutschierte, und eS ging durch die Stadt, eine traurige, verschlafene Stadt, auf deren Sttaßcn sich nichts regte als ein paar Hnnde und zwei oder drei Dienstmädchen. Ab und zu zog ein Krämer unter seiner Thüre den Hut. Simon grüßte und nannte mir den Namen des Mannes, wahrscheinlich um zu beweisen, daß er alle Einwohner bei Namen kennt. Wir waren schnell durch die Stadt gekommen, und der Wagen lenkte in einen Garten, der gern hätte Park sein mögen, und hielt dann vor einem Haus mit Türmchcn, dem nian es ansah, daß es sich ans das Schloß ausspielen wollte. Da ist nieiu Bau," sagte Simon, um ein Kompliment zu hören. Ich antwortete: Das ist ja wunderhübsch." Auf der Veranda erschien eine Dame, die sich schon in Toilette getvorfeu für den Gast, in Frisur für den Gast, mit Redens- arten eigens versehen für den Gast. Das war nicht mehr das blonde sade Mädchen, das ich vor fünfzehn Jahren in der Kirche gesehen hatte, sondern eine dicke Dame mit Löckchen, eine jener Damen, von denen man nicht weiß, wie alt sie sind, die keinen Charakter haben, keine Eleganz, keinen Geist, nichts, was erst das Weib macht. Sie war eben eine Mutter, ein Fettklumpcir, der für nichts Sinn hat, als für die Kinder und das Kochbuch. Sie hieß mich willkommen und ich ging in den Vorsaal, wo der Größe nach drei Würmer wie die Orgelpfeifen aufgestellt waren, gleich Ivic Feuerwehrleute zur Besichttgung vor dem Bürgenncistcr. Ich sagte: «Aha I Das sind die Anderen?" Simon nannte strahlend ihre Namen: Johann, Sophie und Guntram." Die Thür zum Salon stand offen. Ich ging hinein und er- blickte in einem Lehnstuhl etwas Zitterndes, ein menschliches Wesen, einen alten gelähmten Mann. Frau Radevin sprach: Das ist mein Großvater, er ist sicbcnnndachtzig Jahre alt." Dann rief sie dem zitternden Greise ins Ohr: Papa! Das ist ein Freimd von Simon!" Der Ahnherr machte einen Versuch, mir Guten Morgen zu sagen und plärr te irgend etwas wie: quack, guack, indem er die Hand dabei belvegte. Ich antivortcte: Sie sind zu liebenslvürdig," und ließ mich in einen Stuhl fallen. Simon war eben hereingekommen und meinte lachend: Ah. Du hast die Bekanntschast vom lieben Papa gemacht? Der Alte ist unbezahlbar, er ist die größte Freude der Kinder, und ich sage Dir, lieber Freund, er ißt, ißt. ißt, nein der ißt, daß man vor Lachen sterben muß bei jeder Mahlzeit. Du hast keine Ahnung, was der essen würde, wenn man ihn sich selbst überließe. Aber das wirst Du alles sehen, alles sehen. Er liebäugelt mit der Mehlspeise, als wäre sie ein junges Mädchen. So'ivas Komisches gicbt's nicht wieder. Na, Du wirsts alles sehen." Dann brachte er mich ans mein Zimmer, damit ich mich etwas herrichten sollte, denn es sollte gleich zu Tisch gehen. Ich hörte auf der Treppe ein großes Getrippel und Getrappel und drehte mich um. Alle Kinder folgten im Gänsemarsch' ihrem Vater, wahrscheinlich mir zu Ehren. Mein Zimmer hatte die Aussicht lins Freie auf eine endlose, nackte Ebene, ein Meer von Gras, Gerste und Hafer ohne irgend welchen Baumwuchs dazwischen, ohne irgend eine Hügelreihe, ein ergreifendes und trauriges Bild des Lebens, das in diesem Hause gelebt ward. Eine Glocke klang. Es läutete zu Tisch. Ich ging hinunter. Frau Radevin nahm mit feierlicher Miene meinen Arm, und wir �en ins Eßzimmer. Ein Diener rollte den Stuhl des Alten, der, obald er vor seinem Teller saß, einen gierigen und interessierten Blick auf die Tafel warf, indem er von einer Schüssel zur anderen mühevoll seinen zitternden Kopf Ivandte. Da riöb sich Simon die Hände und sagte: