Baß mal auf, jeßt wirst Du aber lachen."

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Und alle Kinder, die jetzt merkten, daß man mir den Großvater als Freffer vorführen wollte, fingen zu gleicher Zeit an zu lachen, während die Mutter nur lächelnd die Achseln zudte.

Radevin brüllte den Greis an, indem er seine Hände zum Sprach­rohr an den Mund legte:

" Heut giebt es Milchreis mit guder."

Das runzelige Gesicht des Ahnherrn erhellte sich, und er zitterte ftärker von oben bis unten, um bemerklich zu machen, daß er verstanden hätte und zufrieden wäre.

Wir begannen zu essen.

Jett fieh mal zu," flüsterte Simon. Der Großvater mochte die Suppe nicht und wollte keine effen, man zwang ihn dazu, der Gesundheit halber, und der Diener stopfte ihm mit Gewalt den vollen Löffel in den Mund, während der Alte blies, um die Bouillon nicht herunterschlucken zu müssen, so daß sie als Fontäne auf den Tisch und die Nachbarn sprite.

Die Kinder wanden sich vor Freude, während der Vater äußerst zufrieden sagte:

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Bomuffelstöppe( Dummköpfe) abfinden müssen. Jakobshagen wird auf Schafkopfshagen gereimt, Grabowsch ist gleichbedeutend mit uns verschämt". Die sandige Umgebung von Gollnow wird mit den Worten charakterisiert: Wer bei Gollnow hundert Morgen Land hat, dem fliegen neunundneunzig in der Luft herum". Aus der Provinz Bosen wird besonders ein Hexameter citiert, der die sieben schreck­lichsten Orte der Provinz- Meserit, Bomst, Krotoschin  , Filelehne usw. feiert." In Bolen ist nichts zu holen", heißt es ferner. Die Schlesier find Eselsfresser, lautet ein Scherzwort, das an eine Sage anknüpft, derzufolge die Schlesier in alter Zeit eine Eselin für einen großen Hasen gehalten und verspeist haben. Auf den klassischen Boden der Gelegenheitspoesie weist das Sprichwort hin:" Der Schlesier kann ohne Reim den Sonntagsrock nicht anziehen."" Die Bevölkerung von Obernigt hat das schlichte und ergreifende Wort geprägt:" Obernigt liegt zwischen Sorge und Kummernigt." Ueber Brandenburg berichtet der Volksmund allerlei Boshaftes. Bes fannt ist: Berliner   Kind, Spandauer   Wind, Charlottenburger   Pferd find alle drei nichts wert." Und Knödelland nichts als Sand". Stolz steht der Friese da: Lieber tot als unfrei; levver duad als Slaam" heißt es in dem Gedichte von Liliencron  ; Gesang ist ihm unbekannt, Und während der ganzen Mahlzeit beschäftigte man sich mir mit er liebt nur das Recht und haßt die rohe Gewalt. Ein starkes ihm. Er verschlang die auf dem Tisch stehenden Schüsseln mit den Heimatsgefühl ist ihm eigen: Ost- West,' t Huus best." Mit Augen. Seine zitternde Hand versuchte sie zu fassen und heran- friesischer Treue tommt man so weit, wie mit holländischen Dukaten, zuziehen. Man stellte sie ihm beinahe in Reichmähe um sich an heißt es. Im Thüringer   Lande haben die Jenenser Mädchen feinen verzweiflungsvollen Blicken zu weiden, wie an den ver- einen besonderen Nuf: Wenn's Kirschluchen regnet und zweifelten Bemühungen seines ganzen Wesens, an seinen Bliden, an Bratwürste schneit, dann werden die Jenenser Mädchen feinem Munde, an seiner Nase, die herumschnupperte. Vor lauter gescheit." Mit Bayern   und der Eigenart seiner Bewohner hat sich Gier begeiferte er seine Serviette, gab unverständliche Töne von sich, die Volksmeinung gern und ausführlich beschäftigt. Lieber bayrisch und die ganze Familie freute sich über dieses scheußliche groteste sterben, als östreichisch verderben," heißt ein Wort. Freilich ist der Martyrium. Bayer als grob und ungebaden" bekannt, aber jeder Franke gilt doch als ein Edelmann. Nürnberg   wird für die Perle des Deutschen Reiches gehalten. Die Pfälzer   dagegen werden tüchtig gehänselt. An dem Pfälzer   ist nichts als ein großes Maul", behaupten die Bayern  . Das bayrische Bier muß natürlich herhalten. Der Bayer duldet alles, selbst das Fegefeuer, wenn er dabei nur gutes Bier trinken tann".

Ist der Alte nicht ultig?"

Dann legte man ihm auf seinen Teller ein ganz fleines Stüd, das er mit fiebernder Gefräßigkeit herunterwürgte, um schnell mehr zu bekommen.

Als der Milchreis mit Buder serviert ward, bekam er beinahe einen Krampf, er stöhnte vor Begierde.

Guntram rief ihm zu:

Du hast zu viel gegessen, Du darfst nichts mehr friegen!" Und man that so, als würde man ihm nichts mehr geben.

Da fing er an zu heulen, weinte und zitterte noch mehr als

sonst, während alle Kinder lachten.

Endlich gab man ihm seinen Teil, ein ganz fleines bißchen, und mum gab er, während er den ersten Bissen, mit dem Munde einen lächerlichen, schnalzenden Ton von sich und bewegte dabei den Hals wie eine Ente, wenn sie ein zu großes Stüd hinunter würgt. Als er fertig war, rutschte er hin und her auf seinem Sig, um noch mehr zu bekommen.

Das Mitleid padte mich angesichts der Qual dieses halb lächer­lichen, halb bemitleidenswerten Tantalus und ich legte für ihn ein gutes Wort cin:

,, Ach Gott  , gieb ihm doch noch ein bißchen Reis." Simon antwortete:

Ree, nee, lieber Freund, wenn er zu viel äße bei seinem Alter, tönnt's ihm wirklich Schaden thun."

Ich schwieg und dachte über das Wort nach. O Moral, o Logit, o Weisheit! Bei seinem Alter! Man versagte ihm also das einzige Bergnügen, das er noch kosten konnte, nur seiner Gesundheit wegen. Seine Gesundheit! Was sollte dieses träge zitternde Ueberbleibsel eines Menschen noch damit anfangen. Man schont ihn, wie man fagt, man verlängert sein Leben. Sein Leben! Wieviel Tage: zehn, zwanzig, fünfzig oder hundert? Wozu? Seinetwegen oder um ihn noch länger der Familie zu erhalten, damit sie sich noch länger an dem Anblick seiner ohumächtigen Freßgier weiden tönnte?

Er hatte in diesem Leben nichts mehr zu suchen, nichts mehr, nur einen Wunsch besaß er noch, eine einzige Freude. Warum sollte man ihm diese letzte Freude nicht ganz erfüllen!

Nachher spielten wir lange Zeit Karten, und ich ging schließlich auf mein Zimmer, um mich schlafen zu legen. Ich war traurig, traurig, traurig.

Und ich setzte mich ans Fenster. Man hörte draußen nichts als Teisen, weichen, süßen Vogelgesang von einem Baume irgendwo. Der Bogel   fang wahrscheinlich so leise die Nacht hindurch, um sein Weib­chen einzuschläfern, das auf den Eiern brütete.

Und ich dachte an die fünf Kinder meines armen Freundes, der jekt wohl an der Seite seiner Frau oben schnarchte.-

Kleines Feuilleton.

Litterarisches.

die angeblich von Wenzel Santa im Jahre 1817 entdeckte Samm lung czechischer, dem dreizehnten Jahrhundert angehörender lyrischer und epischer Gedichte, auf der Palacky seine Geschichte des czechischen Volkes aufbaute, ist längst als Fälschung erkannt. Aber es fehlte bisher der positive Beweis, daß Hanta auch der Dichter der angeblich uralten, bis in die karolingischen Zeiten zurückzudatierenden Lieder set. Nunmehr ist auch dieser Beweis für einen großen Teil der Gesänge erbracht; ein czechischer Philologe, J. Machal, ist es, der ihn im letzten Hefte der czechischen philologischen Blätter liefert. Machal hat die mit dem Namen und mit Randbemerkungen versehenen Hand­exemplare Hantas von zwei russischen Volkslieder Sammlungen ( Cultow 1770 bis 1774 und Moskauer   Bosennit 1810) zum Ausgangs­punkt seiner Untersuchungen gemacht. Wie fich aus Eintragungen auf dem Deckel ergiebt, hat Hanka die Moskauer   Sammlung im Jahre 1813 von einem russischen Soldaten erworben. Er hat sich in den folgenden Jahren, also in der Zeit der Entdeckung", mit den genannten Sammlungen eingehend beschäftigt und in seinen im Jahre 1819 und früher veröffentlichten Gedichten viele Bearbeitungen und Nach­flänge dieser russischen Lieder geliefert. Durch einen genauen Ver gleich zeigt Machal ferner, daß die lyrischen und episch- lyrischen Lieder der Königinhofer Handschrift, mit einer einzigen Ausnahme mehr oder weniger wörtlich mit russischen Liedern der genannten 3tvei Sammlungen, die nachweislich vor dem Jahre 1817 in Hantas Befit waren, übereinstimmen, und daß auch die meisten der bisher unaufgeklärten altezechischen Ausdrücke der Handschrift diesen russischen Liederbüchern entnommen sind. Damit ist der schlagende Beweis erbracht, daß Hanka die lyrischen und episch- lyrischen Lieder der Handschrift selbst verfaßt hat. Daß er bei den epischen Gesängen Helfer gehabt hat, ist wahrscheinlich, wenn auch nicht zu erweisen. Daß ihm auch hier der Hauptanteil gebührt, das bezeugen die vielen von Gebauer aufgedeckten sprachlichen Uebereinstimmungen zwischen diesen Gesängen und Hantas eigenen Dichtungen und Schriften.  ­

- Die sogenannte Königinhofer Handschrift  ,

Erziehung und Unterricht.

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c. Die Fortschritte des Bibliothekenwesens im Staate New York   werden durch die soeben im Library Journal" veröffentlichte Statistik für das Jahr 1898 gekennzeichnet. Die Staatsbibliotheken wurden 1898 um 373 000 Bände bereichert. Damit ist jetzt die Gesamtzahl auf 5 393 000 Bände gestiegen. Es kg. Wie die deutschen   Stämme einander beurteilen. Ein famen jegt 828 Bücher auf 1000 Personen der Bevölkerung, während Beitrag zur Kenntnis der Spottlust des Volkes, aber auch zu seiner vor 6 Jahren 591 auf 1000 berechnet wurden. Außerdem giebt es Charakterisierungsfähigkeit ist eine vom Bär" gemachte Zusammen- 408 freie Bibliotheken mit 1 755 000 Büchern und einer Cirkulation stellung der Sprichwörter und Redensarten, die die deutschen   Stämme von 6 440 000 Bänden. Die Cirkulation hat sich in 5 Jahren um für einander geprägt haben. Die bezeichnendsten Beispiele seien hier 4 146 000 oder 180 Broz. vermehrt. Auf 1000 der Bevölkerung wiedergegeben. Die Preußen find hell, sie haben aber zwei Magen tamen jetzt 989 Bücher. Für 100 Bücher betrug im Jahre 1897 die und kein Herz. Ein preußisches Dorf macht sich immer über das Cirkulation 339, jett 368. Namentlich haben die Kinderbibliotheken andere lustig, und an Spottnamen ist kein Mangel. Die Königs- ein Anwachsen zu verzeichnen. Auch das System der Wander­berger heißen Glanznickels oder Sperlingsschluder, die aus bibliotheken hat im letzten Jahr große Fortschritte gemacht. Der Fischhausen Gildekrüger( Zunftpfuscher) und Möckeprötscher( Mücken- Staat lich 540 Bibliotheken gegen 438 des Vorjahres. Die New iprizer). Die Pommern   gelten für oberschlau. Ein einäugiger York   Free Circulating Library fandte 39 000 Bände in fleinen Biblio  Bommer fieht mehr als drei Kaffuben. Flunderköppe heißen die theken, die an Lehrer u. a. geliehen wurden. Die Buffalo Public Kamminer, während die Bewohner Gollnows sich mit dem Namen Library versandte 40 Wanderbibliotheken an Klubs, Kolonien u. a.