-
-370
Gewöhnlich gab Benoit Gibourdel, wenn er den Besuch seiner Nichte erwartete, seinem Hause ein festliches Aeußere:
J
Sonntagsplandevei.
das verfallene Gemäuer wurde aufgefrischt, der Düngerhaufen lischen Maitage, wie sie uns bisher beschieden waren, ist endlich Auf die grimmige, regenschwere Betrübnis der unselig melancho vor dem Stall zusammengerecht, das Hühnerhäuschen gereinigt, wirtliche Frühlingsheiterkeit eingekehrt. Freilich sollten wir sie nicht damit sie selbst hineingehen und sich Eier holen konnte und berufen. Noch zittert warme Feuchtigkeit in den Lüften, und aller die Pfade, die durch den Obstgarten nach den Wirtschafts- hand verdächtiges Gewölt sammelt sich am mattblauen Himmel. gebäuden führten, frisch gekehrt; endlich erhielten auch Küche Aber lustig ist inzwischen das sattere Grün überall hervorgeschossen, und Speisezimmer einen Anschein von Reinlichkeit, den sie sonst und die Blütenkerzen der wilden Kastanie ragen aufrecht in die nicht gewohnt waren, denn die Mägde kümmerten sich wenig Höhe. darumi. Wenn dann alles bereit war, erwartete Benoit, die Jeßt wäre es im Tiergarten am schönsten zu Berlin . Noch sind Frau Notarin" selbst am Hofthor, die Hände in den geräumigen Laub und Gezweig frisch und reinlich, noch ist der Boden feucht und Westentaschen, das Kinn frisch rasiert und an den Füßen frisch wirbeln, haben noch nicht, wie graue Verderber, fich über den Park die Staubmassen, die auf den endlos eintönigen Fahrstraßen aufgesenkt; und dichter wird der Nasen mit jedem Tag. Aber leider sieht man jetzt auch ganz augenfällig, was an der Ursprünglichkeit des Wildparks verloren gegangen sei, insbesondere in den vorderen Partien, die der Stadt zugekehrt sind.
gewichste Schuhe.
Diesmal aber fand Hortense das Hofthor nicht offen und der Onkel war nicht zu sehen. Ihr Kutscher mußte absteigen und das Pferd am Zügel hereinziehen. Auch auf dem schmutzigen Hofe war niemand zu erblicken.
Endlich erschien auf der Schwelle der Hausthür eine Magd, die sie nicht kannte: eine kräftige breite Person mit dreiſtem Blick.
Ist mein Onkel frank?" fragte Hortenfe.
Er ist draußen im Garten und holt Salat für uns". Das war neu für sie, denn außer zum Karten- und Dominospiel pflegte Gibourdel sich sonst nie seiner Hände zu bedienen. Noch mehr erstaunte Hortense, als die Magd zum Kutscher sagte:
"
Wenn Sie ausspannen wollen, so fahren Sie zu Pioche, neben der Kirche; dort werden Sie wohl auch ein Mittagessen finden."
Hortense trat in die Küche ein, die sie noch unsauberer fand, als den Hof. Gleich darauf kam auch ihr Oufel, in seiner Blouse ein Bündelchen Lattich tragend; offenbar hatte er nicht die Zeit gehabt, sich zu rasieren und ordentlich anzukleiden.
Nach der ersten Begrüßung wandte er sich zur Dienst magd, die den Salat reinigte, und fragte, ob sie nicht bald den Tisch decken werde, Allein er sprach nicht mit ihr in dem sonst gewohnten Befehlston, sondern bittend, fast schüchtern, als handelte es sich um eine Gefälligkeit.
" Wir müssen doch Madame La Vaupalière etwas zum Mittagessen vorsehen; sie hat vielleicht Hunger."
Sie wird schon etwas zu essen bekommen. na Hast Du recht Hunger, meine liebe kleine Hortense?" ,, Gewiß, lieber Onkel."
Na, da hörst Du's ja, Philogene."
Run ja, wischen Sie mir einmal rasch den Tisch ab; dann bin ich um so rascher fertig."
Wie ein gehorsamer Ehemann nahm Benoit Gibourdel den Wischlappen, den sie ihm hinreichte, und wischte den Küchentisch ab, der es in der That sehr nötig hatte.
Wir hatten nämlich gestern Wäsche zum Trocknen auf gehängt," sagte er zu seiner Nichte erläuternd, die liegt jetzt im Egzimmer, darum können wir nicht hinein.
War es dahin mit ihm gefommen, daß er sich in der Küche abspeisen ließ, er, der sonst, auch wenn er allein speiste, im Egzimmer wie ein Souverän thronte.
Philogene deckte den Tisch, aber ohne eine Tischdecke auf zulegen, und nahm zum großen Erstaunen Hortenses an der Seite ihres Onfels Platz. Ehedem waren die Dienstboten geringer im Hause geachtet gewesen, als das Vich! Hortense ließ aber weder ihre Verwunderung merken, noch versuchte sie es, die Magd einen Rangunterschied fühlen zu lassen, und als an Stelle des reichlichen Mahls, mit dem sie der Onkel ehedem zu bewirten pflegte, nur Eier mit Butter und Salat und statt Wein nur Aepfelwein aufgetragen wurden, zeigte sie sich nicht im geringsten überrascht; sie erkannte die Thatsache an, daß die Dienstmagd, welche die Geliebte und Herrin geworden war, es einmal so haben wolle; dagegen war nichts zu machen.
"
Liebst Du immer noch so die Eier?" frug Onkel Benoit. ,, Getviß, lieber Onkel." " Dann nimm Dir doch eins," sagte er, ihr die Schüssel reichend.
" Ich nehme mir sogar zwei," antwortete sie lachend. Im so beffer. Das freut mich, daß Du Deinen guten Appetit verwahrt hast; das freut mich wirklich sehr." Trotz dieser Freude war er nicht mehr so gesprächig wie ehedem; er schien gedrückt und verlegen.
Zum Glück war das frugale Mittagessen bald vorüber. Aber ein Gläschen Liqueur nimmst Du doch noch?" ( Fortjehung folgt.)
"
Wozu alte Klagen wiederholen? Wiewohl alljährlich irgendwo der ständige Aufschrei erklingt: Berlin mup" die schönste der Weltstädte werden, weiß man doch, daß hier für Phantasie und Schönheit in Wahrheit nur ein dürrer Boden zu finden fei. Als ob sich Liebe oder Schönheit ergivingen ließen! In der uniformen Korrektheit, im geradlinigen Straßenbild Berlins war der Wildpark vor dem Brandenburger Thor eine erquickliche Oase. Es gab Stellen, wo sich üppig verschlungene Partien, selbst malerisch kapriciöse Naturscenerien fanden. Man hatte dem sonstigen reglementierten Wesen gegenüber die Empfindung: Hier sind die freien Schößlinge der Natur mächtiger, als das scharfe Schuhmannauge, das nur dann gerechte Labsal empfindet, wenn alles hübsch übersichtlich in Neib und Glied aufgestellt ist.
Allein es scheint, das alles war einmal. Erst legte sich wie ein beengender Gurt das steinerne Tiergartenviertel um den Park; und iet, da das große Reinemachen erfolgt ist, sieht es aus wie in der Wohnung so mancher fanatischen deutschen Hausfrau, wenn um die Osterzeit der große Säuberungsprozeß begonnen hat. Man friert bei dem neuen Glauze. Es ist unwohnlich vor lauter Reinemachen. Man hat tgtig ausgeholzt, das muß man sagen. Wir wurden belehrt, so hätte es das forstliche Interesse geboten; es wäre im Tiergarten zu düster, feucht und modrig geworden. Man hätte Raum für Licht und Luft schaffen müssen. Der Laienverstand hat sich dent Diftat zu fügen; bei uns mehr wie anderswo; und so fügte fich denn auch die Stadt; geduldiger als in der Affaire des Friedhofes den Stadtverordneten, kräftigere Energie regte. für die Märzgefallenen, in der sich dennoch wieder, wenigstens bei
Gewiß wird es stimmen, daß der alte Bart in manchen Teilen einer forstgemäßen Kur bedurft hat. Aber mußte es gleich eine Sur à la Dottor Eisenbart werden? Mußte der junge Thatendrang fich an allen Stellen auf einmal und gleichmäßig regen? Mußte der Undisciplin wuchernder Natur so gründlich der Garaus gemacht werden, daß jetzt der Tiergarten in feinen östlichen Teilen beinahe so aussicht, wie ein künstlicher Garten aus der pappenen Spielschachtel eines Kindes? Discipliniert ist es geworden. Das muß man bekennen; und durchscheinend ist der ganze Hain. Der vordringende Blick wird nicht ernstlich gehemmt, glatt und sauber und in respektvoller Ent fernung von einander, wie sich's gebührt, steht Baum an Baum da, einer wie der andere. Wenn einer auf den grotesken, ja frevlerischen Gedanken käme, sich unter einem Baum in den Rasen zu streden, in dem manierlichen Park würde ihn nichts, rein nichts hindern. Kein ungehöriges Unterholz, kein Farrenkraut, fein geil parasitäres Gewächs; wie ein sauber geputzter Kohlstrunk sieht der schlanke Stanun an seinem unteren Ende aus.
Man hat sich bei uns an so viel schnurgerade Regelmäßigkeiten gewöhnt, daß man mit dem polizeifromm modernisierten Tiergarten fich wohl auch befreunden wird; zumal man min wohl besser sich sehen lassen kann und auf den Promenaden gesehen wird. Ind welche Promenaden! Wie find sie ordnungsgemäß ge= halten und gepflegt. Auch auf ihnen stört feine übervucherude Naturwildheit mehr. Wenn aber ein behagliches Philisterium im gezähmten sauber gegliederten und eingeschnürten Part sich heimisch gefühlt hat, dann wird es mit der Verheißung, neu aufzuforsten, wohl auch vorbei sein, und die gründliche Umwandlung des Wildparts in ein baunbestandenes Promenoir" ber Stadt, in viele uniform gegeliederte, langgestreckte Promenadengänge mit verlorenem Waldcharakter wird vollzogen sein. Schönheitsbedürfnisse, unbeengte Phantasie, was sollen die uns auf einem Plage, wo Kunstübung selbst zu lehrhaft historischen Zwecken geHandhabt wird und wo, wie in der Siegesallee , aus grüner Um rahmung weiße Denkmäler hervorguden und dynastische Loyalität predigen?
"
Am Rand des Tiergartens, in Wallots Haus, da hat man andere Schmerzen. Ob verfümmerte, ob freie sommerliche Bracht sich enta falte, dort hat man nur eine Sehnsucht: Hinaus, vertagt die Arbeit bis zum Herbst. Werdroffene Mühen werden die Reichstagsverhand lungen auch nicht beleben und das weite Publikum gewiß nicht elettrifieren. Berdrossene oder überhaftete Arbeit trägt auch keine Gewähr in fich.. Wie in der Landtagskammer kaum mehr die tollsten reaktionären Bodsprünge überraschen, so wollen im Reichstag selbst die Stummschen und Kindowströmischen Glut- und Eifers Predigten nicht mehr verfangen. Ihre Einförmigkeit beluftigt nicht mehr. Sie üben die Wirkungen etiva, wie ein fortdauernder Land