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Sie atmete aus, als wollte sie ein Licht auf zehn Schritte Entfernunig auslöschen.

Schon gut."

Es fehlt mir nichts."

Aber Du hast ja bei Tisch kein Wort gesprochen und nicht einmal einen Blick auf die Kinder gerichtet I Was hast Du?"

"

Gewiß schon wieder Arbeitseinstellungen."

fre

Der Atem war stark genug, aber nach Blei roch er nicht. Der Apotheker richtete weitere Fragen an Divine und" Höre," sagte er mit leiser Stimme, nachdem er seine erfuhr, daß sie auch Brennen und starken Durst im Magen, Frau neben sich hatte Platz nehmen lassen, es ist, fürchte ich, sowie allgemeine Schwäche fühle; ihre Züge waren ver- in meiner Gemeinde etwas Schreckliches vorgegangen, und es zerrt. Die allgemeine Uebereinstimmung dieser Symptome droht noch etwas ebenso Schreckliches, das ich zu verhindern mit dem Leiden ihrer Herrschaft fand er seltsam. Er brachte suchen muß." ferner aus dem Mädchen heraus, daß Herr und Frau La Vaupalière sich erst seit wenigen Tagen un­wohl fühlten, während sie, Divine, schon seit länger als einem Monat an diesen Uebelkeiten zu leiden habe. Die Ursache mochte also in beiden Fällen die gleiche sein, aber jeder war offenbar durch einen besonderen Vorgang herbei­geführt worden. Es galt also zunächst, der Ursache weiter nachzuforschen.

Haben denn Herr La Vaupalière und seine Frau keinen Arzt gefragt?"

haben Sie nur den Arzt nicht ins Haus

" Ich glaube nicht." Vielleicht tommen sehen?"

Sie schien verlegen, zögerte einen Augenblick, als ob sie antworten wollte, schwieg aber dann doch.

" Warum antworten Sie mir nicht? Ich frage Sie ja nur im Interesse Ihrer Gesundheit, denn wie soll ich Sie gesund machen, wenn ich nicht weiß, von was Ihr Leiden herrührt?"

Diese Bemerkung machte sichtlich Eindruck auf sie, und sie entschloß sich, zu sprechen.

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" Nun, vorgestern, also am Samstag, während des Abend effens war ich aus dem Speisezimmer weggegangen, um das Hofgitter zu schließen, was ich vergessen hatte, und wie ich wieder zurückkam, ging ich nicht wieder durchs Speisezimmer, sondern gleich in die Küche. Da höre ich, wie der Herr Notar mit ganz zorniger Stimme, aber nicht laut, zur gnädigen Frau sagte: Daß Du's weißt, vorigen Samstag habe ich mich übergeben müssen.-Was willst Du damit fagen? antwortete sie. Und heute wieder, sagte er.- Jch auch, antwortete sie. Ich finde das doch sonderbar, daß es immer am Samstag kommt, sagte er.- Natürlich habe ich das im Stillen ebenso sonderbar gefunden, da auch mir immer gerade am Samstag so schlimm wird. Und dann hörte ich, wie der Herr immer noch zorniger sagt: Wenn ich mich noch einmal übergeben muß, so fahre ich nach Baris und lasse die Sache dort von einem Apotheker unter­fuchen. Und ich, antwortete fie darauf, fahre dann nicht nach Paris , sondern beauftrage Turlure mit der Untersuchung, der kann sogar Haare prüfen, vorausgesetzt, daß man sie ihm nicht vertauscht. Was willst Du damit sagen? schrie darauf der Herr Notar und schien ganz wütend. Aber Madam sagte ganz ruhig und sanft: Du solltest nicht so laut schreien! Barum denn? sagte er. Weil gewisse Leute niemals laut schreien dürfen. Da stoße ich ungeschickterweise mit meinem Glas gegen einen Teller an, und da hatte der Wort­wechsel ein Ende. Sie sehen also, daß noch kein Arzt befragt worden ist, da der Herr Notar nach Paris fahren will, um sich Rat zu holen."

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Sie war längst mit ihrer Erzählung fertig, als Turlure immer noch nachdenklich dastand. Endlich sagte sie: ,, Wollen Sie mir denn nicht etwas zum Einnehmen geben."?

Heute kann ich Ihnen unmöglich etwas geben, denn ich muß gestehen, daß ich nicht weiß, woran Sie leiden. Wenn Ihnen aber wieder unwohl wird und Sie fühlen, daß Sie sich übergeben müssen, dann kommen Sie auf der Stelle herüber und dann werde ich Ihnen eine Medizin geben, die Sie furieren wird."

XII.

" Um etwas viel Entsetzlicheres handelt es sich", ant­wortete er noch geheimnisvoller, um Mordthalen und Ver­giftungen!" Hier in Diffel?"

Jawohl, hier in meiner Gemeinde!"

Allein je aufgeregter er sich dabei zeigte, desto mehr be­ruhigte sich seine Frau; kannte sie doch die fire Idee ihres Mannes, überall Verbrechen zu entdecken.

,, lebertreibe nur nichts", sagte sie sanft, und denke nicht immer nur an Verbrechen."

Hätte ich nur ehemals übertrieben, so stände es heute anders, und der Rechtspflege wäre Genüge geschehen."

,, Aber rege Dich doch nicht wegen der Rechtspflege auf!" Darf ich als oberster Beamter meiner Gemeinde zu lassen, daß ungestraft vor meinen Augen Verbrechen begangen werden?" ,, Aber von welchen Verbrechen sprichst Du denn eigent

lich?"

Das wirst Du schon erfahren; ich muß gestehen, daß ich Dir meinen Verdacht schon längst hätte mitteilen und Dich in dieser dunklen Angelegenheit um Deine Meinung bitten sollen; nur übertriebene Bedenklichkeiten verschlossen mir den Mund."

,, Aber worauf bezieht sich- Dein Verdacht?"

,, Auf den Tod von Courteheuse und auf den Vergiftungs­bersuch, dessen Opfer Herr und Frau La Vaupalière sowie ihr Dienstmädchen zu sein scheinen."

( Fortsetzung folgt.)

Abfrünnig.

( Nachdruck verboten.)

Eine Geschichte aus Hinterpommern von Hans Ostwald . ( Schluß.)

Jezt sah sich der Bruder aufmerksamer in der Stube um. an der blaugetünchten Wand bemerkte er große, helle Wasser­flecken. Na, die Mauern sind ja noch nicht verdichtet," meinte er. Auch diesmal antwortete die Frau nicht. Der Mann schwieg

ebenfalls.

Als der Bruder in der Ecke Kleidungsstücke unter einer Decke hängen sab, sagte er: Aber Eure Kleider stocken ja da... Habt Ihr denn kein Kleiderspind?"

Seine Schwester stieß heftig den Kasten der Kommode, in dem fie getramt hatte, hinein:" Een Spind Dat geiht bi uns nich so fig! So rasch spoar'n wi nich dat ville Geld!"

bahren gelächelt hatte, wurde ungeduldig. Die Antwort war so barsch Der Bruder, der bis jetzt zu ihrem heftigen, abweisenden Ge­und feindselig gewesen, daß er verlangend forschte: Nu sag eins, Tine, was hast Du gegen mich?"

"

Sie stellte den blanken Glasleuchter auf der Kommode hin und her und sprudelte erregt hervor: Abtrünnig büste! Jawoll, ab­trünnig dat hädd de Entspekter und dat hädd ook de Pafter gefeggt. In Godd's frier Natur häddst de nich uthoal'n wull'n; un doa büste hier upp't Land, de hädd die nich tauseggt, um dorüm büste nu in de fündige Stadt gegangen, hädd he seggt. De christliche Arbeet na, verkommen rste noch eins in de Stadt, hädd he seggt Awerst dat's mi ja nu glit. For minswegen foamnt di goahn, wi de willst. Awerst dat de uns so in'n Sorg bringst un upp un davan geihstne, dat's nich schön.... Wi tönn'n uns jau mit'n Entspekter rum argern... Jau. denn lot?"

Der Apotheker hatte es sich zur Lebensregel gemacht, Da wurde laut an das Fenster geklopft. Cie öffnete:" Wat's ftets in heiterer Laune bei Tische zu erscheinen und die" Der Herr läßt saag'n, dat leid't he nich, dat'n Fremder in sien Sorgen, die ihn bedrücken mochten, niemals die Seinigen Hus is," meldete ein junger Knecht;" he schall glik rut goahn. merken zu lassen. Aber an jenem Mittag vermochte er seinen Sonst", der Knecht grinste und machte die Gebärde des Hinaus­Geist nicht frei zu machen und vergaß sogar die sonstige Gewerfens.

pflogenheit, alles, was auf dem Tische erschien, von seinem Der Mann fuhr vom Bette empor: Wer hat dat seggt?! Wer Stnaben auf lateinisch, von seinen Töchtern auf englisch be- bat so bestümmt?!" nennen zu lassen.

Der ganzen Familie fiel es auf, wie zerstreut und ver­schlossen er heute war, und nach dem Effen folgte ihm seine Frau in sein Laboratorium und sagte:

Was hast Du nur, lieber August? Bist Du leidend?"

" De Inspekter hädd't bestellt," antwortete der Knecht und blieb abwartend am Fenster stehen.

Frau, nach ihrem Bruder schielend. " Raja, nu bringt he noch Unglück in't Hus!" brummelte die

Der erhob sich lächelnd: Hat denn der alte Nize noch seinen

Gasthof?"