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" Bitte, sagen Sie mir noch schnell, wie kamen denn die Sprachen­

er:, weil mich die Wiener   ernst genommen haben. 18wetschkenröster!" Da brach Kasperl in ein herzzerreißendes Sie glaubten, fie müßten den Juden erschlagen, weil ichs ihnen vor Schluchzen und Weinen aus, daß mir ganz bange wurde. Kasperl gemacht hatte." Und meinen Ernst haben sie komisch genommen" weint. Jetzt habe ich meinem guten Wien   ins Herz geschaut. fügte er hinzu. Und jetzt wird er auch wieder echter Kasperl sein. Ich kannte mich nicht mehr aus. Das also war der lustige Geselle von ehedem, den es nichts anfocht, wenn er seinen legten verordnungen zu stande?"" Ja, denken Sie nur: spät nachts, wenn Kreuzer gewechselt hatte, und der, als ihm der Werber" sagte: sich die Leute verlaufen, kommen die Politiker zu mir, fragen mich Kaspar, Du sollst werden ein Soldat!", antwortete:" Ich soll Tausenderlei, was sie thun sollen; ich bin todmüde vom Kasperl­werden ein Salat?"-! Indessen ermahnte ich mich selber, meiner spielen, gebe ihnen turze Antworten, und sie mißverstehen mich und Aufgabe nicht zu vergessen, und setzte dem Kaspar auseinander, daß gehen hin und glauben meinen Rat befolgt zu haben, wenn sie das der Zweck meines Besuches der sei, ihn über den Charakter des verkehrteste Zeug treiben. Kommt da einmal ein Minister zu mir, Wieners und über die tieferen Gründe der jezigen Verhältnisse fragt mich wieder und quatscht mir das unsinnigste Geschwäh zu interviewen, und daß ich von seinem Einblid, von vor. Ich sage ihm, er soll erst ordentlich sprechen lernen. feinem unmittelbaren Anteil ant Wiens Schicksalen die Am nächsten Tag gab er die Sprachenverordnungen fichersten Aufschlüsse erhoffe. Lieber Herr", erwiderte er, aber heraus." mals so ernst, daß es mir kalt über den Rücken lief:" das läßt sich nicht so einfach sagen; da wirkt all zu vieles zusammen".( Um Gotteswillen," dachte ich, gelehrt ist er auch noch geworden, der Kaspar!") Aber einiges Wichtigere werden Sie mir doch andeuten tönnen?" fragte ich.

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Nun," so hub Kaspert an, denken Sie sich einen frischen, fräftigen Naturburschen, voll der besten Fähigkeiten, aufgeweckt, ge­schmackvoll usw., der aber zu all dem auch noch den Trieb hat, sich verschiedene weitere Qualitäten fünftlich beizulegen."( Es wird immer ärger mit dem Kaspar!")" Sehen Sie sich unsere jezige und doch Frauenkleidung an: wie natürlich, wie geschmackvoll stecken, fast deutlich unterscheidbar, verschiedene Linienzüge drin, die hineingefünftelt sind. Unsere Secession" samt ihrem Ver Sacrum": welcher Anlauf zu einer naturgemäßen, großzügigen Kunst und mitten darin wieder der Kobold des Künstelns! Die Menschen: wie leger und graziös ihre Haltung, wie viel natürlicher als die ge­machte Strammheit von Berlinern- aber schließlich tokettieren fie mit der Ungezwungenheit. Mitten im Naturburschen der- Gigerl."

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Claunus.

Und die Los- von- Rom"-Bewegung?"" Noch schöner! Kommen da einmal ein paar so rechte Kleinbürger zu mir, schimpfen über die Czechen und über die Pfaffen und über die hohen Steuern usw. und fragen mich, was sie thun sollen. Mir war's rein zu dumm, und ich sagte ihnen, sie sollen zum Teufel gehen. Ich sah ihnen an, daß sie nicht wußten, was das heißt. Dann trollten sie fich hinaus, schlichen um mein Haus herunt, hinten hin, wo mein guter Kamerad, der Teufel, seine kleine Garçonwohnung hat. Ich fah, wie sie heimlich zum Fenster hineinguckten, und richtig: fie er blickten den Teufel. Der hatte sich's gerade in einem alten Rock be­quem gemacht; das war der Rock, den ihm vor 300 Jahren die Jesuiten   übergehängt hatten, das Gewand eines protestantischen Pastors mit den Bäffchen. Kaum sahen meine Besucher den Teufel in diesem Aufzug, als fie fich verständnisvoll anstießen und davonliefen. Am nächsten Tage merkte ich erſt, wie fie meine Aufforderung, zum Teufel zu gehen, aufgefaßt hatten. Sie wurden protestantisch und riefen: Los von Rom!" Darf ich mich schnell noch nach dem Befinden von Ihren Kameraden, bon Tod und Teufel erkundigen?" Dante der Nach­Allmälig gewöhnte ich mich an den Stil des ernsten Kaspar. frag'; aber dem Teufel geht's schlecht, er geniert sich wegen seiner " Ja," sagte ich; aber damit habe ich weder unseren Reichsrat noch Mitschuld am Los- von- Rom  ; nur der Tod befindet sich sehr wohl, unferen Landtag, noch unseren Gemeinderat, noch ihren traurigen er ist dick und fett geworden, und wenn das Allgemeine Kranken­Gegensatz gegen die englischen Parlamente, noch auch unsere sonstigen haus in der Alservorstadt, seine beste Kundschaft, nicht bald um­focialen, geistigen und anderen Verhältnisse verstehen gelernt. Macht gebaut wird, so frißt er sich so an, daß ich ihn nach Marienbad   schicken auch die der Gigerl?" muß." Nein, die macht ein anderer." Wer denn?" Der Klein Ich verabschiedete mich und fragte nur noch, ob ich Kasperls bürger." Groß- Wien?" ,, Erst recht! Mit einem Studium Auskünfte veröffentlichen dürfe. Natürlich," sagte er; aber bitte, der Wiener   Verhältnisse von heute haben Sie zugleich eine Natur- verraten Sie nicht, wie viel ich geweint habe; meine Wiener   glauben geschichte des Kleinbürgers. Menschenalter hindurch fern gehalten sonst, der Jude habe mich erschlagen wollen, und dann haben wir von den großen Zügen des geistigen und des materiellen, nament- im nächsten Landtag wieder die Bescheerung!" lich des maritimen Weltverkehrs denkt er über sein einzelnes tleines Geſchäftsunternehmen und über die dazu gehörigen Sitten nicht hinaus. Er kennt nicht die dem kleinen Mann" heute gesteckten Grenzen; er muß seine Finanzen und Finanzmensch ist der Wiener   wie kaum ein zweiter auf eigenste Faust machen und sieht nicht, wie er dabei zu Grunde gehen müßte, wären nicht bei uns allenthalben Hilfen für den kleinen Mann bereit. Er muß sein eigenes winziges Geschäft haben oder eröffnen und hat durch den sogenannten Befähigungsnachweis" für seine Unart eine Pflicht Ausrede geschaffen. Und dieser Kleinbürger sigt dem besten Wiener  ebenso im Nacken wie der Gigert. Sie glauben gar nicht, wie ge­scheidt, bildungsfreudig, ideal, großangelegt, warmherzig usw. der Wiener   war und immer mehr wird oder werden kann; dann kommt die Grenze seines Denkens und Fühlens, und aus ist's- jenseits Ja, ja", antwortete er ganz ernsthaft; ich muß aber machen, beginnt die Vernageltheit, die Hartherzigkeit, und was Sie nur daß ich weiter komme. Ich habe noch zu thun. Mit tiefer Andacht immer Widriges fich denken mögen." schlürfte er das Glas halb aus und dehute sich behaglich in der Aber Herr Kaspar, wohin verirren Sie sich? Das ist ja gerade fühlen Stube, die an der Schattenseite des Hauses lag und trop ganz allgemein menschlich; Sie schildern einfach den typischen ihrer Niedrigkeit an dem sonnenheißen Nachmittag voll wohlthuender Menschen überhaupt." Stimmt beinahe; der Wiener   besitzt nur Frische war. Klagend, in gedämpftem Ton fuhr er fort:" Ja, Frau eben als Kleinbürger diese menschliche Weise in verstärktem Maß Mühlberger, es ist das alte Lied; man wird hin und her ge­er ist ein echter Mensch durch und durch. Er ist es mit seinem hezt. Bald muß man zu dem Vater cines Schülers, Rassengefühl und seinem Lokalgefühl, auch wenn er längst keine um ihm flaren Wein einzuschänken über seinen Lümmel. Bald muß Raise mehr vertritt, und auch wenn er seine Moden, seine Secessions- man Nachhilfestunden geben, und trifft den Bengel nicht an bilder, sein Benedig in Wien  " und seinen Burgtheater- Direktor vom spielt irgendwo herum. Außerdem hat man notwendige Bes Ausland holen muß. Er ist noch so viel Mensch, daß seine Weiber sprechungen mit den Kollegen ja, so ist man immer unterwegs. weiblich, seine Männer männlich fühlen; noch immer tragen seine Sie können mir glauben, Frau Mühlberger, wenn ich bei Ihnen Weiber selten die halb männliche Kleidung, wie sie auf nordgermanischem nicht immer ein bischen Ruhe fände Boden immer häufiger wird, noch immer sind sie kein drittes Die Wirtin mußte wohl verstehen, was er ungefagt ließ. Sie Geschlecht", noch immer ist ihnen Anmut und Unterhaltung wenigstens nickte eifrig: Ja, ja, natürlich!" Nur ihre lachenden Blicke be­neben dem Geld von Wert; allein trotz Mädchengymnasium und zeugten, daß sie wußte, wie er stets nur um ein Häuserviertel ging Studentinnen ist dem Wiener   das Weib etivas Sekundäres: so recht und immer wieder vorbeikam", nur von einer anderen Seite. verstehen, zumal menschlich als Menschen verstehen thut der Wiener  das Weib doch nicht."

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Kleines Feuilleton.

-s-. Die falsche Adreffe. Ach, nur ein Gläschen, Fran Mühlenberg!" flang es herein in die leere Gaststube.

Die Wirtin sah gar nicht erst nach dem durch die offene Thür kommenden. Sie nahm ein Glas vom Brett und füllte es. Ms sie das Bier dem Mann hinstellte, der sich inzwischen gesetzt hatte,

vorn an der Thür, als wolle er gleich wieder gehen fonnte sie nicht an sich halten. Mit leisem Spott fragte sie: Na, sind Sie schon wieder vorbeigekommen?" insp

mit einem kleinen Lederläppchen.

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Che sie ihr Gespräch fortsegen konnten, trat ein zweiter Gaft herein. Als er den Lehrer sizen sah, ging er auf ihn zu und sagte, Und der gute Kaffee?" wendete ich ein, um dem Kaspar als sich über den Tisch lehnend: Ach, nicht wahr, Sie sind ja wohl Kasperl zu kommen. Erinnern Sie mich nicht an die schrecklichsten Lehrer auf dem Rosenberg  , in Rettor Händelers Schule?" Seiten des Wieners", erwiderte er, und sein Ernst wurde immer Ja, ja", meinte der Lehrer, nahm seine Brille ab und putte fte melancholischer. Zwar auf dem Phäakentum, auf dem Spieß, der immer an Herd sich dreht, auf dem will ich nicht herumreiten" ( Gott sei Dank", dachte ich, jetzt redet er doch wieder im Kasperl­ton"), effen, lustig essen, mit Geschmack und Sauce essen soll ja der Mensch; aber er soll seinen Mitmenschen nicht quälen mit seinen Eßgewohnheiten, mit seinen Eßfragen, seinen ewigen Beredereien des Essens, und das thut der Wiener  , das ist sein Phäakentum, das ist sein Bratspieß, an dem er noch einmal aufgespießt werden wird er rennt in den Prater und weiß nicht, daß er in seinen eigenen Brater rennt, an mir vorbei, an seinem besten Freund und

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Na, sehen Sie, ich bin der Tapezierer und Deforateur fennen doch mein Geschäft auf dem Markt, neben dem Rathause ia, Dekorateur Sedlow bin ich." Er schwieg, wie wenn er eine Antwort erwarte. Doch der Lehrer pugte still seine Brillengläser.

Na," sprach der Dekorateur weiter, Sie sind ja an der Schule auf dem Rosenberg  ; da kennen Sie doch gewiß meinen Jungen?" Auch jetzt puzte der Lehrer gemächlich an seinen Brillengläsern, hielt sie gegen das Licht und sagte: Nein nein, den fleinen Sedlow kenne ich nicht... Ich kann mich gar nicht besinnen...

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