Unterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 102.
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Sonntag, den 28. Mai.
( Nachdruck verboten.)
Der Schuldige?
Stoman bon Sector Malot.
Mein Gott!"
Was Sie dem Gedächtniß Ihres ersten Gatten, was Sie sich selbst schuldig sind, verpflichtet Sie keiner anderen Erwägung zu gehorchen, wie schmerzlich auch Ihre Lage sei..."
"
Aber was wollen Sie?"
„ Die Wahrheit, das heißt alles, was Sie wissen."
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1899
über die Sache fallen und das war es ja im Grunde, was er wollte! Zwar kam er dabei vielleicht um das rote Bändchen, das er bereits einen Moment vor sich erblickt hatte; aber er hatte sich längst darein ergeben, mit dem beilchenblauen Bändchen, der Halbtrauer großer Hoffnungen", wie er mit melancholischem Lächeln sagte, sein ganzes Leben vorlieb zu nehmen.
XIX.
Welche Ueberraschung, welche Aufregung herrschte in Rouen , als sich das Gerücht verbreitete, daß der Notar von Was er bis jetzt gesagt hatte, war nur eine lange Diffel und seine Frau des Giftmordes beschuldigt, verhaftet Vorbereitung; was er haben wollte, was er zu holen geworden seien. kommen, war eine Beichte, allerdings eine der Sorge um
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Zuerst hatten die Zeitungen der Stadt diese außerordentdie persönliche Verteidigung angepaßte Beichte, die aber liche Nachricht sehr verhüllt gebracht, hatten sie mit so viel Sarum um so viel mehr La Vaupalière belasten würde. Reserve, so viel Vorsicht angekündigt, daß es ebenso unmöglich Welcher Triumph für ihn, wenn er den Herren vom war den Rebus, den sie ihren Lesern aufgaben, zu entziffern, Parkett" das Geständnis des einen der beiden Mitschuldigen als das ernste Gerücht", von dem sie sprachen, ins Deutliche überbrächte! zu übersehen. Aber er setzte weniger Widerstandskraft voraus, als sie wirklich zeigte.
Was wollen Sie, daß ich Ihnen sage?" rief sie hände ringend, ich weiß von nichts; Sie erst haben mir das Entsetzliche meiner Lage offenbart."
"
Man hatte hin- und hergeraten, Hypothesen aufgestellt, gewettet, aber mit Ausnahme derjenigen, die mit Leuten bom Gericht in Verbindung standen, hatte niemand entdeckt, wer der schuldige Gerichtsbeamte und seine mitschuldige Frau waren, und erst als eine weniger behutsame Pariser Zeitung Wenn Sie nichts gewußt hätten, so würden Sie sich voll und ganz die Namen brachte, stürzte sich die öffentliche nicht von dem zweiten Gatten, den Sie aus Liebe heirateten, Neugierde gierig auf dieses Verbrechen aus Liebe". abgesondert haben. Bedenken Sie, daß diefe Trennung Ihre Ein Notar, denken Sie doch! Und gar der hübsche Kerl Nettung sein kann... wenn Sie sie zu einer vollständigen La Vaupalière, der nur Freunde unter den Persönlichkeiten machen!" des Gerichts hatte! Es war wirklich unglaublich, es war um Sie zögerte. Er glaubte fchon, jetzt habe er gefiegt. verrückt zu werden! Aber was jene Leute nicht unglaubAber sie fühlte sich nicht genug Herrin ihrer Gedanken und lich fanden, war, daß der Bürgermeister von Dissel Worte, um etwas preiszugeben: fie mußte erst überlegen, diefem bereits in der Vergessenheit begraben geglaubten Versich vorbereiten; ein fallen gelassencs Wort konnte sie verbrechen so lange und so ausdauernd nachgeforscht hatte. Was derben! für ein erstaunlicher Polizist, dieser Apotheker! Er drang in sie. Aber gerade weil er sich wiederholen Diejenigen, die mit den Beamten der Staatsanwaltschaft mußte, machte er weniger Eindruck auf sie: sie wisse nichts, verkehrten, wußten sogar zu erzählen, daß seine Anzeige des wiederholte auch sie, und übrigens sei sie in ihrem verwirrten Verbrechens zuerst auf Unglauben und Einwände gestoßen Zustand unfähig, ihre Ideen zu sammeln, ihre Erinnerungen war, so daß er nur mit vieler Mühe, durch Darlegung zahlzurückzurufen; sie habe nötig, allein zu sein, sich zu besinnen, reicher Thatsachen die Verhaftung der Schuldigen und die mit sich zu Rate zu gehen, sie bat ihn daher, am nächsten Einleitung des Prozesses durchzusehen vermocht hatte. Tage oder wenn er das zu lange fände, im Laufe des Abends wiederzukommen.
Aber er bewilligte ihr diesen Aufschub nicht.
Auf der Stelle fahre ich nach Rouen , um Anzeige auf der Staatsanwaltschaft zu erstatten, und nur in Begleitung der Gerichtsbeamten zurückommen. werden Sie dann Ihre Erklärungen abgeben." d „ Sie werden das nicht thun!"
Als dies bekannt wurde, stürzte sich ein ganzer Schwarm von Reportern der Pariser Blätter über das Städtchen Diffel her.
meine Die Sache ereignete sich gerade zu einer Zeit, wo die werde Zeitungen leer sind: die Session der Generalräte war zu Ende, Ihnen die der Kammern hatte noch nicht begonnen; die Hauptredacteure erholten sich auf der Jagd oder in den Seebädern, bund die Aushilfskräfte quälten sich ab, um durch allerlei neue und alte Fragen" ihre Spalten zu füllen.
Trotz ihres Flehens zeigte er sich umbeweglich. „ Ein Aufschub würde ein schwerer Fehler sein, für den ich Inmitten dieser Hungersnot an Stoff kam das Verdie Verantwortlichkeit nicht übernehmen kann. Allerdings ist brechen von Diffel für die großen und fleinen Zeitungen, nicht zu befürchten, daß Sie Herrn La Vaupaliere benach- sowie für die illustrierten Blätter wie ein vom Himmel gerichtigen, denn das Aufgeben einer Depesche würde Sie bloß- fallenes Mannah.
"
Was steht zu Ihren Diensten?" antwortete Turlure, seine Müge halb lüftend.
stellen; übrigens wissen Sie gar nicht, wo er sich befindet, Natürlich war der zuerst angekommene Reporier sofort, denn anstatt nach Paris , wie er gesagt hatte, ist er nach nachdem er den Zug verlassen hatte, in die Apotheke gestürzt: Dieppe abgereift, wie ich auf dem Bahnhofe erfahren habe.„ Herr Turlure?" Andererseits ist ebensowenig zu befürchten, daß Sie sich dem Berhör durch die Flucht entziehen würden, denn dieses wäre ein Geständnis der Mitschuld. Wenn Sie mir aber die Mitwirkung nicht gewähren, die ich von Ihnen fordere, so kann ich die Fahrt nach Rouen nicht aufschieben."
„ Aber ich kann Ihnen jetzt nichts sagen, denn ich finde nichts in diesem Augenblick; Sie sehen, daß ich den Kopf verloren habe!"
Sie fuhr in diesem Tone fort, aber vergeblich; endlich des Streites überdrüssig, erhob er sich, trotz der Anstrengungen, die sie machte, ihn zurückzuhalten:
" Ich bin überzeugt, daß Ihnen, wenn ich mit dem Herrn Untersuchungsrichter zurückkomme, inzwischen die Ueberlegung gezeigt haben wird, daß die Lage... Ihre Lage von einem anderen Gesichtspunkte aus betrachtet werden muß."
Mit diesen Worten verließ er sie. Allerdings hatte er nicht erlangt, was er wollte, nämlich ein Geständnis, das er so gerne mit Stolz den„ Herren vom Parkett" vorgelegt hätte. Aber er hatte doch immer das Terrain vorbereitet. Sie mußte mun La Vaupalière belasten und dieser mußte sie später ebenfalls belasten, und aus diesem Zusammenstoß würde Licht
Der Journalist reichte seine Karte hin; nunmehr nahm Turlure seine Müge ganz ab und sagte mit der liebenswürdigsten Miene:
Sehr durch Ihren Besuch geehrt, aber zunächst erlauben Sie mir eine Frage: wünschen Sie mich als Apotheker oder als Beamten der Gemeinde zu interviewen?"
Als beides, wenn Sie die Güte haben wollen." " Ich will alles thun, was Ihnen angenehm sein kann, nur muß ich Ihnen vorläufig bemerken, daß ich als Apotheker nichts weiß und als Beamter nichts sagen darf."
" Ich sehe, daß Sie die Journalisten nicht lieben." Verzeihen Sie, ganz im Gegenteil."
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,, Also schäßen Sie die Bedeutung der Presse gering?" Glauben Sie das doch nicht: ich verehre sie. Ich bin Republikaner, mein Herr, und als solcher hege ich den Kultus der unverjährbaren Freiheiten, die uns durch die unsterblichen Principien von 1789 übertragen worden sind."
" Indessen..."
" Was denken Sie vom Berufsgeheimnis, mein Herr?