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einen Pferd hergelaufen, welches kopflos feinen Weg geradezu auf die lagernde Gesellschaft nahm. Leider vergönnen es die Thatsachen nicht, eine poetische Beschreibung folgen zu lassen von der wundersamen Errettung Grethes durch die übermenschlich kühne That des Helden, von ihrer tiefen Ohnmacht und dem glückseligen Erwachen in den Armen des Stillgeliebten.
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( Nachdrud verboten.)
Das vofe Plakat.
Aus dem Polnischen des Sigmund Niedzwiedi.
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Der
Um zehn Uhr morgens lag es bereits auf dem Redaktionstische des Volksfreund". Es war ein umfangreiches Plakat mit riesengroßen schwarzen Buchstaben auf grellrotem Grunde, ein Plakat, Gustav Bliesener that entschieden, was er konnte, er griff das bereits an allen Anschlagsäulen prangte und die Genossen und nach dem lang nachschleppenden Zügel, ruckte und zerrte Genossinnen" zu einer Boltsversammlung berief. Gegenstand der daran und ließ sich als Hemmschuh mitschleifen, aber poetisch Beratungen: die durch Ueberschwemmungen, Hungersnot, Epidemien sah er nicht aus und besonders nicht, als er dabei an eine und Stagnation im Handel Heimgesuchten Provinzen. Baumwurzel stieß, vornüber purzelte und die weitere Tour Lokal- Reporter, der zuerst nach dem Plakat gegriffen hatte, legte es nach einem flüchtigen Blick auf den Tisch des noch auf dem Bauche machte, bis der geängstigte Klepper endlich fehlenden Nachbars . Der genaue Bericht über den Verlauf der Vers zitternd zwanzig Schritt vor der kreischenden Gesellschaft still fammlung, den ihm die Polizei am folgenden Tage zuschicken würde, stand. enthob ihn der Mühe, selbst darüber zu schreiben. Einige AugenSie haben sich doch nischt jethan? Herr Bliesener, Herr blicke später kam der Kollege und blieb ſimmend vor dem bedeutungsBliesener!" vollen Plakate stehen, als der Telegraphenbote einen ganzen Stoß Aber im Jejenteil... War sojar sehr jut for de ausländischer Depeschen, die übersetzt werden mußten, vor ihm hinlegte. Mit einem Seufzer schob er das Plakat hastig auf den Verdauung!" Se liejen. doch aber platt, wie'n Eierkuchen?.. Dhut nächsten Tisch und in dieser Weise wanderte es von Tisch zu Tisch, bis es auf den des Vice- Chefs zu liegen kam. Dieser Ihnen wat weh!" stieß einen halblauten Fluch hervor, als er des roten Bogens gewahr wurde, von dem eine förmliche Lohe ins Redaktionszimmer schlug, und dessen schwarze Lettern gleich kampfgerüsteten Redken in die Augen sprangen. Er hatte es stets vermieden, der heiflen Frage der roten Platate ins Ange zu sehen, die feindlichen Kriegesfadeln gleich den idyllischen Frieden des Ortes bedrohten, die bequemen Einwohner mit Schrecken erfüllten, die Bureaukratie aus ihrem Schlummer erweckten und dem schmerbäuchigen Klerus Schwindel verursachten.
Meine Damen, drehn Se sich nur een Oogenblick um, denn wird sich die Eierkuchenlage schon, jeben!.. Menschens finder, id kann doch nich uffstehn, man kann doch nie wissen, wat einen bei sonne Fahrt von de Loden wechjeschliffen is!" Jott, Jott, die schöne weiße Weste!.. Lauter jrüne Fras flecke!.. Nich zu jebrauchen mehr!"
Fräulein Piele lachte wie nicht gescheut, se konnte sich über sowat zu sehr amefieren!"
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" Das fehlte mir noch!" rief er und erging fich in wehmütigen Klagen über die Schwierigkeiten der Vertretung eines Chefredacteurs und das Redigieren eines Blattes im Sommer.
Du lieber Himmel!" schrie plötzlich Frau Bademack auf: Jd stehe hier rum, un meine zwee Kinder find womöglich schon Und Du natierlich sitt hier ooch lieber bei's Bier, Was nun beginnen?" Noch vor drei Tagen hatte der Chef damit de Tonne nich wechkommt!... Meine Kinder!" einen Artikel über die traurige Lage der Provinz- Bevölkerung vers Damit stürmte sie und ein kleines Gefolge von ängst- sprochen, aber keinen geschrieben. Alle Blätter hatten etwas gebracht, lichen Gemütern fort. Die andern waren nicht gerade sehr besorgt.
Mit den Jackenärmel sehn Se ooch sehr elejant aus, Bliesener," sagte der junge Herr Vogler in Seelenruhe.„ Der is janich kaput, janich!"
" Ja wahrhaftig! Ei Donnerwetter nich noch mal!"
,, Et is man bloß de Nat, det is nich schlimm, Herr Bliesener" beruhigte Fräulein Schult.
Bliefener schoß ein Gedanke durch den Kopf, er wollte ein fleines Gottesurteil arrangieren:
„ Na, nu wer ic mal sehn, wen ick heiraten kann! Wer hat an Nadel un Zwirn heite jedacht?"
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" Jakick!" rief Herr Nitschke und war mithin Heiratskandidat. Als sorgsamer Junggeselle hatte er das immer bei fich; Fingerhut brauchte er natürlich nicht.
Er kam nicht in Betracht.
Aber was bastelt Grete bastelt Grete Schultz in ihrer Tasche
Herum?
Bliesener, Du hast Glück! Grete Schultz war die einzige Dame, welche die Bedingung erfüllen konnte! Sie setzten sich neben einander, und Gustav zog die Jacke aus. Meta Zademack und Grete Schulz sahen einander zufällig an, schen und flüchtig es war aber doch eine Kriegserklärung. Meta fetzte sich zu ihnen: „ Na, Grethchen, wird's auch gehn?"
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Warum nicht?
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Natürlich!"
Näht nich sonst imma Deine Mama Dir alle Knöppe an?" " wo! Umjekehrt is eher richtig! Die würde mir kommen, wenn ick det verlangte!"
Eine längere Pause: Gretchen näht sehr eifrig, ohne aufzusehen, Meta sieht ihr scharf auf die Finger- manche Menschen sollen das ja nicht vertragen können- Bliesener ist es recht unheimlich zwischen den beiden.
" Sagen Se mal, Herr Bliesener, wie finden Se denn Gretchens neues Kleid?" ,, Wie soll ick, wie? fehr
fehr
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natürlich sehr schön. „ Na, da sieht man wieder: Ihr Männer versteht von sowat janischt... Du hättst man ruhig dein Altes, mit den abjetragenen Sammtkragen, wat de doch sonst immer bei feierliche Gelegenheiten anziehst, anziehen sollen... et steht Dir ville besser. De siehst so käsig in dem hier aus,
Fretchen!"
teil
" Das kann id janich finden, Fräulein, im Jejen ( Fortsegung folgt.)
benutzen und zeigen wollen," wie wir das Volk in Schutz nehmen, nur der" Volksfreund" nicht.„ Wenn die Socialisten die Gelegenheit dann wird's auf der Versammlung schöne Hiebe für uns abfegen!"
In der Hoffnung, mit diesen Worten den gebührenden Eifer für die Voltssache im Herzen der Kollegen erivedt zu haben, wandte sich der Vice- Chef an seinen Nachbar, der eben in's Lesen verticft, fich gar oft über Mangel an Stoff zu beklagen pflegte.
" Herr Kollege, würden Sie nicht etwas darüber schreiben?" Der Gefragte, der einen flüchtigen Blick auf das Plakat ges worfen, entgeguete furz:
" Nicht mein Ressort!"
das Plakat einem andern hin, der aufs Schreiben versessen, immer Der Vice- Chef schob mit einer Geberde stiller Aufmunterung bereit war, eine ganze Nummer selbst zu füllen.
" Ich habe erst die Hälfte meines Artikels", sagte dieser, und werde kaum vor Mittag damit fertig sein."
Dann vielleicht einer der anderen Herren?"
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Kein einziger wollte sich der Aufgabe unterziehen. Die einen bearbeiteten die chinesische Frage, die andern schwitzten über TheaterRezensionen, einem dritten schien. das Thema zu alarmierend, ein vierter wagte es nicht, statt des Chefredacteurs die Feder zu erschreckten sie alle vor der roten greifen, und im Grunde genommen Farbe des Plakats zurück. Der arme Vice schäumte vor Wut. Sie machen sich über mich lustig"-dachte er„ niemand will schreiben. Jeder fucht Ausflüchte Soll ich den alles selber thun?"
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Da, mit einem Male erschien der Chef, den Krankheit mehrere Tage vom Bureau ferngehalten hatte.
lli was handelt es sich?" fragte er frendestrahlend, alle mit der Herzlichkeit eines Genesenen begrüßend.
Ach, ich bin in großer Verlegenheit! Die Socialisten ver anstalten eine Versammlung... Sehen Sie sich das Plakat an. und da der„ Bollsfreund" noch nichts darüber gebracht hat, werden sie wieder einmal sich ausschütten..." Der Chef mußte herzlich lachen.
Was gehen den Volksfreund" die Socialisten an?" Wahrhaftig!... Diese einfache, treffende Bemerkung, die mit einem Schlage die verwvidelte Frage zu lösen schien, übte auf alle eine verblüffende Wirkung.
Natürlich!... Wozu sich den Kopf zerbrechen?... Denn thatsächlich, was gehen den Volksfreund" die Socialisten an?
Wohl find Boltsfreund und Socialisten Freunde des Volles, aber es sind zwei ganz verschiedene Völker, dieses Volk des Volksfreundes und das der Socialisten; die verhalten sich zu einander wie Himmel und Erde. Vor allem ist das Volk der Socialisten kein Bolt im eigentlichen Sinne dieses Wortes, sondern eine bösartige, wilde, ungeschlachte Meute. Das einzig wahre, achtungswerte und ehrbare Volt ist jenes, das den Volksfreund" liest und zu dessen Fahne schwört... Jenes andere Volt ist ein Volt von Usurpatoren, ein Pseudo- Volt und muß als solches bekämpft und ausgerottet werden.
Hiermit war die Angelegenheit erledigt. Das rote plakat, das infolge feiner Wanderung von Hand zu Hand zahllose Kniffe und