Hlnterhaltungsblatt des H»rwSrts Rr. 116. Freitag, den 16. Funt. 1899 (Nachdruck verboten.) 12] De« Vttinpf utn Bliefenev. Eine Sommergeschichte von Heinrich Borchard. (Schluß.) Ihr Mann schlug mit seinem Stock nach Herrn Schultze und traf in dem Kanchfgewoge natürlich den Kopf seiner Frau mit solcher Wucht, daß das schon zur Unkenntlichkeit auf- geweichte neue Roscnhütchen sich über Ohren und Augen preßte. Nichtsdestoweniger nahm Herr Schultze, gutmütig wie er war, den Schlag doch als genossen hin und bedankte sich dafür bei Herrn Zademack, indem er ihm eins unters Kinn versetzte. Diesen Augenblick mußte wohl Herr Nitschke als besonders anssichtsvoll für eine Versöhnung an- sehen, denn er drängte sich dazwischen: Aber Kinderchen!" Weiter kam er nicht, er flog auf Herrn Vogels dicken Bauch, und beide schmückten alsdann die Erde. Trotzdem er ganz weich zu liegen kam. war es doch nicht nach feinein Geschmack. Da er aber nicht wußte, wer ihn dorthin befördert hatte, machte er es wie das Glück: Ohne Wahl verteilt die Gaben.... Er Puffte rechts und puffte links, und seinen Bemühungen lvar es besonders zu danken, daß diese Keilerei auch der Gesamtheit zugänglich wurde. Der dicke Herr Vogler bekam zuerst sein Teil von dem rasenden Roland vielleicht weil er doch nicht weich genug als Unter- läge gewesen war einen Nippenstoß nach dem andern. Rühren Se mich nich an!" Bums, hatte er einen Rippenstoß. Nich anrühren. Männeken, verstchn Se I" Bums, hatte er wieder einen. ..... Sonst passiert ein Unjlück, verstehn Sei" Bums I Machen Se sich nich unjlücklich I..." Selbstverständlich prügelte sich nun der junge Herr Vogler mit Herrn Nitschke.. trotzdem seine Mutter mit Thränen in den Augen verzweisiungsvoll an ihm hcrumzerrte, und selbst- verständlich auch Lude Vogler, und zwar mit wahrer Be- geisternng. Wie Fräulein Piele in den Knäuel kam, ist unklar, aber plötzlich war sie drin und beteiligte sich, während Tante Blicsencr artig auf einem Stuhl saß und das orangefarbene Sonuenschirmcheu behütete, d. h. sie saß so lange dort, bis das eine Stuhlbein den sonderbaren Einfall bekam, abzu­splittern da saß sie natürlich ans der Erde und das Schirmchen war geknickt. Die größten Thaten verrichtete inzwischen Herr Schnitze; er setzte das Ehepaar Zademack vor die Thür damit dct Ii st en bisken auslüftet und hielt dieselbe zu. So nu wird woll Ruhe werden." Klirr! Klirr! Die Mejäre schläft ja alle Scheiben kaput l" Tüchtig, Mutter, düchtig!" kreischte Meta innen und schlug Plötzlich auf das gatiz verdutzte Fräulein Vogler ein. Wieder kam der Stillgeliebte dazwischen, diesmal aber ging es ihm schlecht, ihre Faust traf seine Nase, daß sie blutete und dick anschwoll. Der Wirt!... Au Wetter I... Macheu Se, det Se rauskommen, meine Herrschaften!... Raus, sag' ick I... Haben Se denn keene Ohren nich?... Raus I..." Düchtig, Mutter, düchtig I... Herr Nitschke, hau'» Se die Bande krumm un lahm I" Das Nachlassen des Kampfes bei Eintritt des Wirtes be- nutzte nämlich Partei Zademack zum neuen Vordringen. Raus I... Verlassen Se mein Lokal!... Ick ford're Ihnen auf: Zum ersten, zum zweiten und zum dritten!" Hier is woll Auktton misseh'n thnt'S so," ließ sich die nie fehlende Stimme aus dem Publikum, welches natürlich aus dem Tanzsaal herübergeströmt war, vcrnchnien. Ick biete 32 Pfennij for det lange Mulleken..." Ruhe! Ruhe!... Verbitt ick mir I... Ick wer doch sehn, wer hier Wirt isl... Det is Landfriedensbruch  , der- stehn Se, un rann bring ick Ihnen alle!" Aber lieber Herr Stresow, Se werden doch nich..." fing Herr Vogler eingedenk des Vonnittagsskats und seines geschickten Umgangs mit dem Publikum an. So?... Meinst De?... Dir Dickbauch zuerst l Du hast de meisten zu Eure verstess'ne Bande jestelll. Et Bier habt Ihr Euch mitjebracht, Kaffee habt Ihr Euch mit- jebracht, Kuchen habt Ihr Euch mitjebracht,' et Frühstück habt Ihr Euch mitjebracht, et Abendbrot wohl ooch.. Na ja... Mittag habt Ihr jejessen... Jejessen?... Jefressen habt Ihr for Eure Sechsdreicr, un Euch noch de Brötchen in de Taschen jestoppt!... Raus! sag ick I... Ick wer ma woll dafor ooch noch de Scheiben zerteppern lassen, nich?..." Un ivat is det hier mit den Stuhl?... Der war doch janz I... Un nrit den hier?,., Un die Ecke von's Klavier?..." Die war schon ab." Iawoll, dct möchtst De!. I Allet müßt Ihr zahlen! ... Allet, allet!... Un rann kommt Ihr ooch... Ick Hab schon vorhin nach'n Schandarm jeschickt... Mattet» bitte, man en Oogenblick!... Sonne   Raudipackage l" Aber mein Mann hat hier de janze Zeit jesessen I" schne Frau Wulkow in fürchterlicher Angst.Ick Hab en nich wech- jelassen, wirklich nich!"- Der sieht jrade so aus, als ob er stille sitzt, wenn andere sich keilen!". Nu aber passen Se en bisken auf Ihr Mundwerk aus, dct's nich durchseht... Thun Se sich den ecnen Jefallen und sagen Se nich noch eenmal, det meine Frau lüjt for gewöhnlich bin ick nämlich Rammer, Se verstehn doch?" Wulkow stellte sich dabei in ganzer lebensgefährlicher Größe neben den Wirt, daß dieser vollkommen verstand. Na ja... kann ja möglich sind... det wird schon amtlich festjestellt wer'n..." Aber Fritz Futterbauch, der Spatz, hatte glücklichcriveise auch für die Umgebung Berlins   recht: Wenn man die Polizei braucht, ist sie nicht vorhanden. Ebenso aussichtsvoll hätte der Kellner einen verlorenen Knopf im Grunewald   suchen können, wie den Gendarmen; mit einem dummen Gesicht und achsclzuckend kam er zurück. Herr Stresow ließ also großmütig die Anklage auf Land- friedensbruch fallen und beschränkte sich darauf, den Geld- beute! zu kränken. Und da klagen nun die Handwerker! Das sind doch wunderschöne Preise, welche Herr Stresow für Tischler, Glaser, Maler und Jnstnnncntenmacher verlangt! Nich ßu knapp I" meinte auch die unvermeidliche Stimme auS dem Volke. Herr Bliesener hatte sich weislich, als die Sporteln der- teilt werden sollten, hinausgedrückt. Herr Bliesener mußte durchaus seine Nase am Brunnen kühlen.... Fräulein Schultze mußte durchaus plumpen... Es war das ein sehr freundliches Bild. Der Regen hatte aufgehört und die untergehende Sonne vergoldete nicht nur diesen Vorgang, sondern sie glänzte und blitzte auch nebenbei durch die unzähligen Tropfen, die an den Bäumen und im Strauchwerk hingen. Was ist die Dämnrerung doch für cnic prächtige Zeit für solche, die sich etwas Großes zu erzählen haben und doch nicht wissen wie... Wie da der Mut mächst, wenn eins des andern Gesicht nicht mehr so deutlich sieht, wie die Dämmerung die Herzen weich niacht l Aber beim Nasenkühlcn am Brunnen in einem öffentlichen Nestaurationsgarten nützt auch die schönste Dämmerung wenig. Grethe faßte sich Plötzlich an die Tasche. Meine Handschuh sind wech... un erst zweimal je- tragen. Sie entschuldijen, det ick nich wciterpumpe, aber weun's erst janz duster iL, sind se jarnich mehr zu finden I" Sie lief zur Gartenthür hinaus. Fräulein Grethchen, ick komm' mit, so wat find' sich zu Zwci'n besser." Sonderbar, das niemand daran dachte, daß die Hand- schuhe nach einem solchen Regen doch nicht mehr zu tragen wären! Hier de Chassce bin ick vorhin langjekomnicn, hier kann ick se verloren haben." Na natürlich. Ja... Is woll möglich". Drinnen bei dem Brunnen hatten sie soviel geschwatzt und jetzt plötzlich Waren sie auf der stillen Straße wie aus den Mund geschlagen. Sie sprachen zwar beide unausgesetzt aber nur mit sich selber.