Unterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 117.
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TET
Sonntag, den 18. Juni.
( Nachdrud verboten.)
In der Alsenstraße hielt eine Reihe von Droschfen unter den braunen knospenden Bäumen. Nur Tayameter und Droschten erster Klasse; in dies Viertel Berlins verliert sich nicht so leicht ein rumpliger Kasten zweiter Güte.
Vom Tiergarten herüber wehte eine angenehme laue Luft mit leisem Frühlingsmahnen.
Oben in der ersten Etage des eleganten Eckhauses waren die Fenster erleuchtet; dreizehn in der Front. In Pausen von halben Stunden reckte sich einer der verschlafenen Kutscher auf seinem Bock, dehnte die steifen Glieder, gähnte und deutete hinauf nach den hellen Fenstern das konnte noch lange das konnte noch lange dauern, erst zwölfe! Die amüsierten sich noch!
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In der großen, comfortablen Wohnung des Bankier Mann hardt wogte die Gesellschaft; fast hundert Personen, Elite des Geiftes! widest song co
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1899
O bitte, nicht ich dort steht er! O nein, ihm, ihm gebührt das Verdienst!"
,, Nein, nein, Lorle!" lehnte er lebhaft ab. Dich, ich habe durchaus kein Verdienst hierbei!" ihr eine Kußhand zu.„ Dir allein gebührt es!"
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Ihnen beiden!"" Allen beiden!" Der Enthusiasmus steigerte sich. Man überschüttete das Ehepaar mit Stomplimenten: Herrlich, reizend, entzückend, einzig in seiner Art! Dies geniale Zusammenwirken von Mann und Frau! Mehr, bitte mehr!"
Man umringte den Flügel. Diener mit Kaffee, Bier und Likören konnten sich kauni durchdrängen.
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Bitte, bitte!" Die Damen falteten anmutig die Hände. „ Es sind ja so viele bedeutende Künstler hier!" Die Augen der Hausfrau streiften durchs Zimmer, sie neigte sich verbindlich so viele Größen! Ich muß mich verstecken!" Aber mun! Aber nun! Ein wahrer Tumult brach los. Allgemeiner Sturm auf den Flügel.jd
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Laß Dich eriveichen, Lorle!" rief Mannhardt. Bitte, meine Freunde, einen Augenblick!" Er stürzte ins Nebenzimmer; eine Mandoline am himmelblauen Bande schwingend, Das Souper war ausgezeichnet gewesen und soeben befehrte er zurück. Hier, mein Kind, nun thu's mir zu endet. Man wandelte durch die Räume. Wie die Wohnung Liebe!" Er führte zärtlich ihre Hand an die Lippen: Singe, eingerichtet war, herrlich! Das heißt kein übertriebener Lurus, singe!"
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nirgendwo ein Hauch von Prozentum. Alles fein, diskret, ,, Wie originell! Bst!" sanfte Farben in harmonischer Abtönung; ein gediegener, Man war ganz Ohr. vornehmer Geschmack. Möbel aus allen Zeiten, Bouleallen Zeiten, Boule- Und nun klimprige Mandolinenklänge. Schränkchen, Rokoko- Sofas, Renaissance- Stühle; aber jedes wandten Bewegung hatte Frau Leonore das himmelblaue amt richtigen Platz, von einer graziösen Laune zusammen- Band um den Nacken geworfen; den dunkellockigen Kopf nach gestellt. links geneigt, den Oberkörper leicht zurückgebogen, lehnte sie Da war ein lauschiges Eckchen hinter der mit künstlich in ihrem schlichten weißen Kleide auf einem Taburett, verschossenem Damast bekleideten spanischen Wand; Blumen Mignon!" sagte jemand. dufteten in der venetianischen Schale, und eine geschickte Ropic Sie flimperte und sprach halb, sang halb dazu; getreu nach irgend einem alten Meister schaute darauf nieder der nach berühmtem Muster. Es war die betrübende Geschichte Lieblingsplatz der Hausfrau. Da saß sie gern, stüßte das vom Mutterherzen, das der entmenschte Sohn herausreißt dunkellockige Köpfchen mit den klugen Augen in die kleine Hand und der entmenschten Geliebten bringt. Im raschen Lauf und spann feine Fäden. kommt er zu Fall.
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Neberall Büsten und Statuetten. Verschiedene moderne Meister sie waren Hausfreunde hatten den Hausherrn verewigt. Hier auf einem Gemälde, am Klavier, die Augen weit aufgeschlagen, mit einem geistvollen Ausdruck in die Ferne gerichtet. Dort in Gips, ein Buch in der ausdrucksvoll modellierten Hand; diese Büste sollte in Marmor ausgeführt werden. Geschmackvoll reihten sich so moderne Werke denen früherer Jahrhunderte an.
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Hast Du Dir weh' gethan, mein Kind?!" stöhnt noch das zuckende Mutterherz Klänge von unbeschreiblicher, rührender Besorgnis, letztes, halb geächztes Stammeln einer übermenschlichen Liebe.
Frau Leonore trug geschmackvoll vor, man glaubte, den letzten Zuckungen des Mutterherzens beizuwohnen; es ging einem bis an die Nieren. Die Damen wischten sich die Thränen ab, die Männer schauten gedankenvoll vor sich nieder. Mannhardt geleitete die Gattin zärtlich besorgt zum Divan, sie war selbst sehr ergriffen.
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Banfier Mannhardt war in allen Künsten zu Hause und ein Protektor aller Künstler. Seine Bibliothek enthielt sowohl gelehrte Folianten, als jede Neuerscheinung auf dem Gebiete Die Diener präsentierten neu besetzte Tabletts. der schönen Literatur, Biographien, Memoiren, Notenstöße, trank Champagner, man stieß an: Brachtwerke, Autographen von Musikern, Denkern und Es lebe die Kunst! Hoch! Hoch unsere Wirte!" Dichtern; die wertvollsten Stücke davon unter Glas in Ruhig blickte über'm Flügel Meister Sebastian Bach geschmackvollen Rahmen. Er selbst leistete Bedentendes am unter seiner Allongeperrücke, ihn ging das nicht an. Seine Klavier, aber er verschmähte es nicht, bei einer der Büste stand der neuesten des Hausherrn gegenüber. Frau pianistischen Größen der Residenz noch weiter zu studieren. Leonore hatte darauf bestanden, diese müßte ins MusikDie Börse betrieb er nur so nebenbei; in offenherzigen zimmer; trotzdem der Hausherr lebhaft protestierte, wurde sie Stunden gestand er es, er hätte eigentlich seinen Beruf verfehlt mit Hilfe einiger Freunde dort aufgestellt. Die weißen GipsKünstler, Künstler, das war's! Er war sich nur noch nicht gesichter sahen einander voll an. flar geworden, zu welcher Kunst ihn seine Begabung am gebieterischsten drängte.
Jali Frau Leonore Mannhardt war die einzige Tochter eines reichen Handelshauses; sie hatte ihren Mann aus Liebe geHeiratet. Als kleiner Kommis, aus irgend einem Winkel Posens gebürtig, war er nach Berlin gekommen; sie hatte ihni die Stellung gemacht. Galante Zungen nannten sie eine zweite Rahel, eine Henriette Herz .
Es war ein animierter Abend; das Programm wechselte. Eine große Sängerin, der Stern des Opernhauses, sang; man öffnete die Fenster, der Musiksaal war zu eng für dieses mächtige Organ.sil singo
uten wachten die Droschkenkutscher auf: Alle Achtung, zetert die!" Sie lauschten.
Dann deklamierte zur Abwechselung eine junge, talent. volle Schauspielerin. Fräulein Silvia Maschka gehörte der Heute ercellierte Frau Leonore am Klavier; ihr Mann nenen Schule an; von Pathos teine Spur, sie war ganz hielt in Gesellschaft stets mit seinen persönlichen Leistungen Natur. Sie hatte Sie hatte Gedichte eines jungen Lyrikers zum zurück. Sie sang ein kleines Liedchen, das ihr Gatte, Gott Vortrag gewählt. Er war unbekannt, sie protegierte weiß wo, ausgegraben hatte; sie sang es mit angenehmem ihn; fie sprach rasch, sehr rasch, kein Mensch verstand Stimmchen und feiner Pointierung, begleitete sich selbst, und ein Wort. Wozu auch? Aber man applaudierte ihr, man zwar stehend, die wenigen Accorde lässig auf dem Klavier an- sagte: Bravo!" Sie sah so allerliebst aus mit ihrem schlagend, das Gesicht mit liebenswürdigem Ausdruck ihren lebhaften Mienenspiel und den erhöhten Farben. Gästen zugekehrt.
Der Beifall war rasend. Sie lächelte und deutete auf ihren Gatten, der mit gefrenzten Armen am anderen Ende des Flügels lehnte.gl
Auf dem Lieblingsplage der Hausfrau, hinter der spanischen Wand, hatten sich die Schriftsteller zusammengefunden; sie tamen heute nicht genügend zur Geltung, aber: noblesse oblige, man drängte sich nicht vor.